Auf ein verabredetes Signal hin brach am 18. Juni 1378 der Sturm der Florentiner Wollarbeiter gegen das korrupte System ihrer Stadträte los. Einen Monat später übernahmen sie die Herrschaft über die Stadt. Der Gründe dafür lagen auf der Hand. Florenz hatte einen teuren Krieg gegen den Papst geführt. Die Pest hatte die Stadt hart getroffen. Schließlich war es zu mehreren Missernten gekommen. Doch ungeachtet der Not waren die Räte von Florenz allein den Interessen der Lanaioli gefolgt, der großen Manufakturbesitzer. Die Ciompi, die Wollarbeiter, hatten das Nachsehen. Wer waren diese Ciompi und unter welchen Verhältnisse lebten sie? Eine Chronik aus dem 14. Jahrhundert gibt eine umfassende Antwort: „Der Name Ciompi kommt von den Leuten her, die am allerschlechtesten gestellt sind. Wir nennen so diejenigen, die in den Werkstätten der Arte della Lana arbeiten und das Kämmen, Kratzen und Reinigen der Wolle besorgen, damit sie gesponnen werden kann. Da sie während der Arbeit fast nackt in bestimmte Räume eingeschlossen sind, sind sie völlig mit den Farben der Wolle verschmiert und besudelt. Ciompi will also nichts anderes sagen als ganz und gar schmierig, schmutzig und schlecht gekleidet.“ (A. Acciaioli: Cronaca, In: Il Tumulto die Ciompi, Bologna 1917, S. 34). Bis zu 16 Stunden am Tag hatten sie für einen Hungerlohn zu schuften. Doch das war nicht alles, was die Arbeiter empörte.
Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit war die Währungsmanipulation der Herrschenden. Das Wertverhältnis zwischen Gold- und Silbermünzen wurde nämlich seitens der politisch einflussreichen Arbeitgeber immer wieder zu ihren Gunsten verändert: „Florenz hatte im 13. Jahrhundert begonnen, einen Goldgulden, den Florin zu prägen. Der Florin hatte zunächst den Gegenwert von einem Pfund piccioli, der lokalen Silberwährung. Dieser Wechselkurs war jedoch nicht fixiert. Die Goldwährung war für Bankgeschäfte und den Fernhandel reserviert; Einzelhandel und Lohnzahlungen wurden in Silberwährung abgewickelt. Wenn Geldmangel herrschte, wurde die Silberwährung abgewertet, um den Florin zu schonen, so dass Ende des 15. Jahrhunderts der Gegenwert eines Florin bereits sieben Pfund piccioli betrug. Als 1345 das Silber knapp wurde und der Realwert der Löhne stieg, setzten die lanaioli deshalb ein Exportverbot für Silber durch, so dass es bereits zwei Jahre später möglich war, das Wertverhältnis beider Währungen wieder mehr im Sinne der Unternehmer zu gestalten.“ (Ernst Piper: Der Aufstand der Ciompi, Berlin 1990, S. 51).
Das Interesse der Lanaioli lag also einerseits darin, hohe Preise für ihre in Gold aufgewogenen Produkte zu erzielen. Andererseits wollte sie möglichst geringe Löhne in Silber an ihre Arbeiter auszahlen. Stieg der Kurs des Goldes gegenüber dem des Silbers, konnten sie einen Gewinn aufgrund des Wechselkurses erzielen: Im Jahre „1347 sank der Florin im Wert auf weniger als drei Pfund. Dadurch war das Interesse der lanaioli berührt, denn sie bezahlten ihre Arbeiter mit piccioli und verkauften ihre Tuche für Florin. Da sie in der Stadt mächtig waren, ließen sie eine neue Silberwährung und neue Pfennige schlagen. Sie verschlechterten die eine wie die andere Währung, damit der Florin im Wert stieg und nicht fiel.“ (G. Villani: Istorie Fiorentine, Band 7, Mailand 1803, S. 203). In einem historischen Fachartikel heißt es, dass im Jahr 1376 für einen Florin 78 Soldi gezahlt werden mussten. Das waren zehn mehr als im Jahr 1373. Dies bedeutete einen Wertverlust von vierzehn Prozent: „Um diesen Prozentsatz erhöhten sich die Preise und die Schulden gerade für die Ärmsten, während die Unternehmer Extraprofite erzielten.“ (Volker Hunecke: Il Tumulto die Ciompi - Quellen und Forschungen aus italienischen Bibliotheken und Archiven, Band 58, 1978; auf: perspectivia.net, S. 392). Die Ernährung der abhängig Beschäftigten war so kaum noch gewährleistet. Nach der Revolution der Ciompi wurde das anders. Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln hatte das Primat. Die Bauern sollten ihre Erzeugnisse zur Versorgung der Städter abliefern. Ein Export von Getreide war streng verboten. Die Preise wurden gesenkt, die Steuern auf Getreide und Mehl aufgehoben. Neben derartigen Beschlüssen versuchten die Ciompi auch eine Aufwertung des Silbergeldes durchzusetzen.
Die von den Revolutionären angeordneten Maßnahmen verpufften jedoch schnell. Die Bauern hielten ihr Korn zurück, die Bäcker das Mehl. Die Lanaioli sperrten die Ciompi aus ihren Werkstätten aus. Als sich ein inhaftierter Lanaioli erbot, die stillgelegte Produktion im Fall seiner Entlassung wieder aufzunehmen, machte sich Begeisterung unter den Aufständischen breit. Doch der Jubel war verfrüht: „Der Herr begab sich ins Haus, ging nach hinten wieder hinaus und verschwand auf Nimmerwiedersehen.“ (M. Stefani: Cronaca fiorentina, Città di Castello 1903, 329f.). Das Volk begann zu hungern. Die Revolutionäre beschlagnahmten nun Geld und Waren. Es kam zu Plünderungen. Michele di Lando, der Wortführer der Ciompi, wechselte überraschend die Seiten. Ab sofort half er der Reaktion, seine alten Gefährten festzunehmen. Der Aufstand war gescheitert. Die alten Prioren übernahmen wieder die Macht. Die Beschlüsse der Ciompi wurden aufgehoben. Am 1. September 1378 entlohnten die Machthaber den Verräter reich: „Michele di Lando, der ehemalige Gonfaloniere, bekam ohne alle Umschweife als Geschenk einen vergoldeten Pokal mit 100 Florin darin, zwei Schilde und zwei Lanzen, ein Pferd und eine Rüstung für das Pferd.“ (Lettera di Nanni Bonifazii sulla caduta die Ciompi, In: Tumulto di Ciompi, Anmerkung 10, S. 152). #Italien #Ciompi #Florenz #Wolle #Wollarbeiter #Florentiner #Aufstand #FiorinoDOro #FiorinoGrosso #Lanaioli #MicheleDiLando #Gold #Silber #Silberwährung #DietmarKreutzer
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