top of page
Künker

Gold aus Rhodos für den Kampf um Rom

Am 30. Oktober 2024 versteigert Künker einen Aureus, der von den Mördern Caesars im Jahr 42 v. Chr. geprägt wurde. Das extrem seltene Stück ist mit 100.000 Euro geschätzt. Wir erzählen die Geschichte der Münze, die uns mitten hinein führt in den römischen Bürgerkrieg.


Man stellt es sich immer so einfach vor: Ein Messer, eine Kugel, ein bisschen Gift, und schon ist der Tyrann verschwunden und die Freiheit wiederhergestellt. Dass die Welt leider nicht so funktioniert, mussten die Männer feststellen, deren Attentat auf Caesar an den Iden des März 44 v. Chr. glückte. Zwar fiel Caesar unter ihren Dolchstößen, doch dann lief nichts mehr wie geplant: Niemanden interessierte der eloquente Appell, mit dem Brutus die Republik wieder aufrichten wollte. Sein Publikum war weggerannt, um sich in Sicherheit zu bringen.


Porträt des Brutus. Glyptothek München. Foto: KW.


Brutus und Cassius werden aus Rom vertrieben

Wie sollte es nach dem Mord weitergehen? Das wusste niemand. Deshalb entschied man sich, erst einmal nichts zu tun. Am 17. März 44 v. Chr. einigten sich die Überlebenden darauf, die von Caesar erlassenen Beschlüsse nicht zu verändern, dafür erhielten seine Mörder eine Amnestie. Das war eine politische Bankrotterklärung für beide Seiten. Brutus und Cassius verzichteten auf die Früchte ihrer Verschwörung und Marcus Antonius auf die Rache.


Natürlich war diese Vereinbarung nicht von Dauer. Sie diente nur dazu, Zeit zu gewinnen, um die Fronten zu klären. Dabei entdeckte Marcus Antonius, welche guten Karten ihm das Schicksal ausgeteilt hatte. Er war Konsul, seine Gegner Cassius und Brutus nur Praetoren. Das bot Möglichkeiten.

Anfang Juni gelang es Marcus Antonius, den Senat zu überzeugen, seine beiden Gegner mit der Beschaffung von Getreide in den Provinzen Asia resp. Sizilien zu beauftragen. Ein Affront! Praetoren gehörten nach Rom. Diese Mission war nichts anderes als der hübsch verbrämte Entzug der Praetur. Es war eine Kampfansage, die auch so verstanden wurde. Wenige Tage darauf folgte der nächste Coup. Marcus Antonius ließ im Senat abstimmen, welche Provinzen Cassius und Brutus nach Ablauf ihrer Amtszeit verwalten sollten. Man wies ihnen Kreta resp. Kyrene zu. Unwichtigere Provinzen gab es im gesamten römischen Imperium nicht. Aber was sollten die beiden machen? Auch Marcus Antonius ermorden? Sie sollen es tief bereut haben, dass sie das an den Iden des März versäumt hatten. Doch mittlerweile hatte sich die öffentliche Stimmung gedreht. Brutus und Cassius wagten sich nicht mehr nach Rom. Sie verließen Anfang August Italien und begannen sofort, in den Provinzen des Ostens Anhänger zusammenzutrommeln, Ressourcen zu sammeln und Soldaten zu rekrutieren. Zum endgültigen Bruch kam es formaljuristisch am 28. November 44 v. Chr., als Marcus Antonius die Brutus und Cassius zugeteilten Provinzen anderweitig vergab.


Akropolis des antiken Rhodos. Foto: Ymakris, cc-by 4.0.


Die Unterwerfung von Rhodos

Anfang des Jahres 42 v. Chr. trafen sich die beiden in Smyrna, um ihr weiteres Vorgehen miteinander abzustimmen. Man beschloss, den Kampf nicht sofort zu wagen, sondern zunächst die einzigen zwei Großmächte niederzuringen, die sich bis dahin noch nicht unterworfen hatten. Rhodos und die lykische Liga weigerten sich nämlich, mit ihrem Reichtum den römischen Bürgerkrieg zu finanzieren. Ein schwerer Fehler. Brutus zog gegen die Lykier; Cassius wandte sich gegen Rhodos.


Appian überliefert uns detailliert, wie die beiden Feldherren vorgingen. Uns interessiert an dieser Stelle nur die Unterwerfung von Rhodos. Cassius war der Seemacht militärisch weit überlegen. Erst schlug er die rhodische Flotte in zwei Seeschlachten, dann schloss er die Stadt sowohl von der Wasser- als auch der Landseite ein. Als die Rhodier begriffen, dass ihre Niederlage unausweichlich war, öffneten sie die Tore und unterwarfen sich auf Gedeih und Verderb. Damit retteten sie wahrscheinlich Leben und Freiheit. Ihren gesamten Besitz aber beschlagnahmte Cassius, und zwar nicht nur die Schätze, die er in den Tempeln und öffentlichen Kassen fand. Er forderte alle Bürger auf, ihre privaten Ersparnisse bei Todesstrafe zu übergeben. Die Rhodier werden geschmunzelt haben. Sie hatten nach alter Väter Sitte ihren Besitz vergraben. Schließlich taten und tun das Bürger zu allen Zeiten, wenn Plünderungen drohen. Doch Cassius ließ bekanntmachen, dass jeder, der von irgendwelchen Schätzen wisse, ihn nur zu informieren brauche. Dafür erhalte der Angeber 10% des beschlagnahmten Besitzes resp. wenn es sich um einen Sklaven handle, die Freiheit. Diese Drohung, so Appian, soll gefruchtet haben. Viele reiche Bürger von Rhodos werden ihre Grube schließlich nicht selbst gegraben, sondern ihre Sklaven damit beauftragt haben. Aus Angst verraten zu werden, schleppten sie ihre Schätze selbst herbei. Cassius durfte sich über die riesige Summe von 8.000 Talenten freuen, die er allein aus dem Privatbesitz der Rhodier erhielt.



M. Iunius Brutus. Aureus, 42 v. Chr., kleinasiatische Münzstätte. P. Cornelius Lentulus Spinther. Crawford 500/6. Erworben am 12. September 1969 bei Spink & Son, London. Sehr selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 100.000 Euro. Aus Auktion Künker 416 (29./30. Oktober), Nr. 1809.


Ein Aureus aus rhodischem Gold?

Wahrscheinlich ließ Cassius die geplünderten Schätze sofort zu Münzen ausprägen, um damit seine Soldaten zu bezahlen. Jedenfalls datiert Bernhard Woytek in seiner umfassenden Arbeit zur römischen Wirtschaftsgeschichte der Jahre 49 bis 42 v. Chr. die Emission Crawford 500/6 auf die Zeit unmittelbar nach dieser Plünderung, aber noch vor den Sieg des Brutus über die Lykier. Schließlich trägt Brutus auf der Münze noch nicht den Titel Imperator, den er erst danach, während des Treffens in Sardes um die Jahresmitte 42 v. Chr., annahm.


Einen prachtvollen Aureus dieser historisch so spannenden Emission bietet Künker in seiner Auktion 416 am 30. Oktober 2024 mit einer Schätzung von 100.000 Euro an. Das fast vorzügliche Stück wurde am 12. September 1969 bei Spink & Son in London erworben. Für die Prägung verantwortlich zeichnete Publius Cornelius Lentulus Spinther, der als Legat unter Cassius diente. Er überwachte im Frühjahr 42 v. Chr. eine der beiden kleinasiatischen Münzstätten, in denen die Münzen des Cassius entstanden. Auf den ersten Blick erscheint die Abbildung relativ konventionell. Die eine Seite zeigt Krummstab und Krug, also die Insignien des Augurats, ein Amt, das Legat Spinther seit 57 v. Chr. inne hatte. Die andere Seite scheint das Pontifikat von Brutus zu thematisieren. Der Caesarenmörder gehörte wahrscheinlich seit 51 v. Chr. zu diesem Kollegium. Wir sehen die Insignien Axt, Schöpfkelle und Messer.


Warum, so mag man sich fragen, wurde für Münzen, die für in den Krieg ziehende Legionäre bestimmt waren, kein Thema gewählt, das besser zu einem Feldzug passte? Wäre eine Victoria oder eine Virtus nicht vielleicht angemessener gewesen? Und warum verzichtete Cassius hier auf Libertas, jene Freiheit schenkende Gottheit, die sonst so häufig auf seinen Münzen erscheint?


Zum Opfer geschmückter Stier. KHM, Wien. Foto: KW.


Eine Frage der Motivation: Ihr kämpft für eine gerechte Sache!

Um das zu verstehen, müssen wir daran denken, welch zentrale Rolle der gerechte Krieg im Denken der Römer spielte. Die Götter schenkten – so die römische Überzeugung – den Sieg nur demjenigen, dessen Sache gerecht war. Doch dazu gehörte nicht nur eine moralische Rechtfertigung, sondern auch eine minutiöse Beachtung aller mit dem Krieg verbundenen Zeremonien.


So stand vor jedem Krieg, vor jeder Schlacht erst einmal die Erforschung des göttlichen Willens durch ein Vorzeichen. Dafür bediente man sich des Augurs, der im Namen des Feldherrn die Omen beobachtete und deutete. War kein Augur vorhanden, übernahm der Heerführer selbst diese Funktion. Überhaupt begnügte man sich im Krieg mit einem Minimum an Aufwand. Man setzte ein paar mitgeführten Hühnern einfach ein wenig Kuchen vor. Fraßen sie, billigten die Götter das Vorgehen. Wir mögen darüber schmunzeln. Wir würden vielleicht eher ein göttliches Zeichen erkennen, wenn hungrige Hühner sich nicht auf jeden Krümel stürzen. Nichtsdestotrotz hätte kein Römer es gewagt, das Omen nicht einzuholen oder gar ihm zuwiderzuhandeln.


Hatten die Götter durch ihre Zustimmung die Absichten des Feldherrn gebilligt, legte der Iuppiter gegenüber ein Gelübde ab. Es wurde erst nach dem Sieg eingelöst. Wenn wir heute über den römischen Triumphzug sprechen, vergessen wir gerne, dass er eigentlich nichts anderes war als eine glorifizierte Prozession zum Kapitol, um dort das versprochene Opfer darzubringen. Die rituellen Werkzeuge, die der Feldherr dafür brauchte, waren die Schöpfkelle, mit der er Wasser über das Tier goß, das Messer, mit dem er ihm ein Haarbüschel abschnitt, um es ins Altarfeuer zu werfen, und die Axt, mit der er das Tier tötete, also genau die drei Insignien, die wir auch auf der Münze sehen. Man darf annehmen, dass diese Symbole und rituellen Abläufe einem römischen Soldaten wesentlich gegenwärtiger waren als uns. Er wird beim Betrachten dieser Münze sofort an das Augurium und die Siegesfeier gedacht haben. Und damit lautete die Botschaft dieser Münze, dass es sich beim Krieg von Brutus und Cassius um einen Krieg handle, den die Götter für gerecht erachtet hatten und dem sie den Sieg schenken würden.


Wir wissen heute, dass die Gerechtigkeit einer Sache mit Sieg oder Niederlage nichts zu tun hat. Die Geschichte schreiben sowieso die Sieger und noch kein Sieger hat eingestanden, dass seine Sache vielleicht schlecht gewesen sein könnte. In der Schlacht von Philippi jedenfalls, die im Oktober 42 v. Chr. stattfand, erlitt Cassius eine Niederlage und beging Selbstmord. Brutus siegte zwar zunächst, wurde aber in einer zweiten Schlacht besiegt und auf der Flucht getötet. Damit war der Widerstand der Caesarenmörder gebrochen. Der Kampf um die Macht in Rom hatte aber gerade erst begonnen.


von Ursula Kampmann im Auftrag von Künker

Comments


bottom of page