Gnadenpfennige sind eine extrem seltene Gattung numismatischer Objekte. Künker ist stolz darauf, in seiner Auktion 418 am 29. Januar 2025 neun Lose anbieten zu können, bei denen es sich um Gnadenpfennige handelt bzw. handeln dürfte. Wir erzählen, welchem Zweck Gnadenpfennige dienten und wann sie entstanden sind.
Goldene Ketten binden härter als Eisen. (Deutsches Sprichwort)
Ein Gnadenpfennig ist natürlich kein Pfennig. Pfennig ist lediglich die frühneuhochdeutsche Bezeichnung für Münze und / oder Medaille, denn den scharfen Unterschied, den wir Numismatiker heute machen, kannte man im 16. Jahrhundert noch nicht. Für den Mensch der frühen Neuzeit gehörte der Gnadenpfennig zu den Gaben, mittels derer sich ein Höherstehender die Dienste eines Untergebenen zu sichern versuchte.
Adolf und Peter III. Echter von Mespelbrunn, lebensgroße Statuen des Grabmals der Echter von Mespelbrunn in der Marien-Wallfahrtskirche Hessenthal. Foto: KW.
Dabei waren diese Gnadenpfennige nicht dazu gedacht, in der Schublade zu liegen. Man trug sie als Anhänger an einer goldenen Kette, die zumeist Teil des fürstlichen Geschenks war. So dokumentierte der Besitzer des Gnadenpfennigs die eigene Bedeutung. Denn ein Gnadenpfennig stellte nicht nur einen finanziellen Wert dar, sondern spiegelte auch den Rang. Er bewies, dass sein Träger in engster Verbindung zum Herrscherhaus stand.
Wem goldene Ketten gehören, den muss man nicht mit eisernen binden. (Deutsches Sprichwort)
Bayern / Albert V. Tragbarer Gnadenpfennig o. J. (um 1550), unsigniert von H. Aesslinger. Originalguss. Fein ziseliert, vorzüglich. Taxe: 7.500,- Euro. Aus Auktion Künker 418 (29. Januar 2025), Nr. 107.
Seit wann gibt es Gnadenpfennige?
Wir wissen nicht genau, wann die ersten Gnadenpfennige entstanden, doch seit dem späten 14. Jahrhundert verstärkte sich die Vorliebe reicher Herrscher, ihren Rittern und Höflingen goldene Ketten zu schenken, an denen ein Anhänger hing: Ritterketten, Ordensketten, Schützenketten, ja, selbst überdimensionierte Rosenkränze gehören in diesen Bereich. Aber noch fehlte der persönliche Bezug, der aus einer x-beliebigen Ordenskette das Geschenk eines bestimmten Herrschers machte.
Diesen Schritt ging Papst Paul II., als er anlässlich des Heiligen Jahres von 1470 doppelseitige Medaillen in verschiedenen Metallen anfertigen ließ. Wahrscheinlich waren sie als kostbare Geschenke für besonders prominente Rom-Pilger gedacht. Wir wissen das nicht nur aus schriftlichen Quellen: Solche Stücke haben sich im Vatikan und im Museo Correr erhalten.
Altargemälde. Ein Adorant trägt eine portugiesische Münze als Gnadenpfennig. Foto: KW.
Dies kommt einem kleinen Wunder gleich, denn Gnadenpfennige bestanden aus wertvollem Material und wurden gnadenlos eingeschmolzen, wenn ihr Träger in Geldverlegenheiten kam. Wir kennen so einen Fall aus Ulm. Der Großkaufmann Ulrich Krafft (1550-1621) ließ, als er in Geldverlegenheiten kam, seinen Gnadenpfennig samt Kette einschmelzen, nur um den Anhänger zu einem späteren Zeitpunkt (und in schlechterem Material) nach einem Abguss nachgießen zu lassen. Ein andermal, so berichtet uns Krafft selbst in seiner Autobiographie, befahl er, einen Gnadenpfennig, den ihm der Kemptener Fürstabt 1587 verehrt hatte, einzuschmelzen – vorgeblich weil er aus minderwertigem Gold war. Der Zeitpunkt legt allerdings nahe, dass Krafft so seine Hochzeit finanzierte.
Wir kennen aber auch den Fall, dass die auf dem Gnadenpfennig abgebildete Person in Ungnade fiel und der Besitzer das gute Stück deshalb einschmolz. So ging es im Jahr 1495 einem 1471 gefertigten Gnadenpfennig der Bona von Savoyen.
Sie sind durch die goldene Kette verbunden. (Niederländische Redensart)
Polen. Sigismund III. Goldener, teilemaillierter Gnadenpfennig von 1594. Taxe: 20.000 Euro.
Aus Auktion Künker 418 (29. Januar 2025), Nr. 7.
Gnadenpfennige im höfischen Alltag
Gnadenpfennige gehörten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum festen Geschenk-Repertoire von Fürsten für ihre Höflinge. Auch wenn sie grundsätzlich jederzeit übergeben werden konnten, ist es wahrscheinlicher, dass die Übergabe zum Neujahrsfest, zum fürstlichen Geburtstag, anlässlich eines Treueversprechens, des Erlangens eines besonderen Amts, eines politischen Erfolgs oder eines Begräbnisses stattfand.
Man spricht in dem Zusammenhang korrekterweise nicht von einem Geschenk, sondern von einer Gabe – oder im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch von einer Verehrung. Es handelte sich nämlich nicht um einen einseitigen Vorgang (für ein Geschenk wird keine Gegenleistung erwartet), sondern um eine bilaterale Angelegenheit. Eine Gabe forderte eine Gegengabe. Mit dem Gnadenpfennig erwartete sich der Fürst die treuen Dienste des Beschenkten.
Jede Kette drückt, und wären ihre Glieder von Gold. (Böhmisches Sprichwort)
Bayern. Maximilian I. Goldener Gnadenpfennig o. J. (1623). Taxe: 25.000 Euro.
Aus Auktion Künker 418 (29. Januar 2025), Nr. 32.
Ein politisches Werkzeug
Besonders in politisch schwierigen Zeiten machte der Träger eines Gnadenpfennigs allen Umstehenden kompromisslos klar, auf welcher Seite er stand. Kein Wunder, dass vor allem während des 30-jährigen Krieges der Gnadenpfennig eine wichtige Rolle spielte. Mittlerweile hatte sich die Form ein wenig verändert. Nun ist die eigentliche Medaille zu einem wunderhübschen, vom Goldschmied reich verzierten Kleinod geworden, das an drei feinen Ketten hängt, die sich ihrerseits über einen Ring an der schweren Goldkette festmachen lassen.
Der Berner Söldnerführer und Diplomat Hans Jakob von Diesbach; zur Linken seine originale Rüstung, die detailverliebt auf dem Porträt dargestellt ist. Foto: KW.
Ausschnitt aus dem Gemälde, das zeigt, wie der Gnadenpfennig angebracht ist. Foto: KW.
Das Porträt des bekannten Berner Söldnerführers und Diplomaten Hans Jakob von Diesbach (1559-1627) zeigt, wie man so einen an drei Ketten aufgehängten Gnadenpfennig befestigte. In diesem Fall handelt es sich um ein Stück mit dem Porträt Heinrichs IV. von Frankreich aus dem Jahr 1598.
Wir wissen aus schriftlichen Quellen, dass solche Gnadenpfennige fast wie die Person selbst behandelt wurden: Man drückte das Kleinod inbrünstig ans Herz und begoss es beim Tod der dargestellten Person mit Tränen.
Schweden. Gustav II. Adolf. Goldener Gnadenpfennig o. J. (1631). Aus der Sammlung des Großherzogs von Oldenburg, noch vor dem Ersten Weltkrieg in der Kunstsammlung des Melvin Gutman / USA.
Taxe: 75.000 Euro. Aus Auktion Künker 418 (29. Januar 2025), Nr. 13.
Ein besonders prächtiges Beispiel bietet Künker mit einer Schätzung von 75.000 Euro unter Losnummer 13 an. Das Kleinod mit dem Porträt von Gustav II. Adolph ist ein kostbares, mit feinstem Email und einer großen Flussperle verziertes Schmuckstück. Die Öse ziert ein fein geschliffener Amethyst. Das war im 17. Jahrhundert eine große Kostbarkeit, die genauso viel wert war wie ein Diamant, Saphir, Rubin oder Smaragd. Erst die gigantischen Amethyst-Lager Brasiliens, die im 19. Jahrhundert entdeckt wurden, drückten den Preis.
Als dieser Gnadenpfennig 1971 bei einer Auktion der Münzen und Medaillen AG in Basel versteigert wurde, kletterte er von seiner Schätzung mit 30.000 Franken auf sagenhafte 70.000 Schweizer Franken Zuschlag plus Aufgeld. Diese Zahl beschreibt beim besten Willen nicht, was sie damals bedeutete. Der Gnadenpfennig kostete das 35-fache eines perfekten Reichstalers des schwedischen Königs Johanns III. (damals 2.000 CHF) bzw. fast das Dreifache eines Aureus des Elagabal mit der Rückseite Stein von Emesa in vorzüglich bis Stempelglanz (damals 25.000 CHF), die beide in derselben Auktion verkauft wurden. Oder sagen wir es noch konkreter: 70.000 Schweizer Franken betrug 1971 das Jahreseinkommen von SIEBEN(!) durchschnittlichen Schweizer Familien mit je zwei Kindern.
Goldene Ketten sind gut, aber keine Kette ist die beste Kette. (Portugiesisches Sprichwort)
Spanien. Philipp II., 1556-1598. Goldener Gnadenpfennig ohne Jahr, wohl spätere Anfertigung. Exemplar der Slg. Baron Albert von Goldschmidt-Rothschild, versteigert bei Hermann Ball 21 (1933), Nr. 75.
Taxe: 25.000 Euro. Aus Auktion Künker 418 (29. Januar 2025), Nr. 682.
Ein Zeichen der Treue
Auch als Gnadenpfennige schon längst aus der Mode waren, wurden sie weiter getragen, nicht mehr um die Verbundenheit mit einem Herrscher, sondern um die politische Haltung zu zeigen. Davon erzählt die spätere Anfertigung eines goldenen Gnadenpfennigs mit dem Porträt Philipps II. von Spanien, unter dem die Niederlande ihre Unabhängigkeit erklärten. Der Gnadenpfennig spielt an auf die so genannten Geusenpfennige. Diese zeigten das Porträt des spanischen Königs mit exakt derselben Vorderseitenlegende – (in Übersetzung) stets dem König treu – kommentierten sie aber mit der ironischen Darstellung von zwei Bettelsäcken und einem Handschlag. Implizit meinten die Geusenpfennige, ihre Treue zum spanischen Herrscher habe die Einwohner der Niederlande an den Bettelstab gebracht, weswegen sie sich als Geusen (= Bettler) bezeichneten.
Der bei Künker angebotene Pfennig ist komplexer. Er zeigt auf der Rückseite eben nicht die charakteristischen Bettelsäcke, so dass man rätseln darf, ob hier das Mitglied einer Geusen-Familie sich an seine Ahnen erinnern will oder ob ein Anhänger der spanischen Herrschaft seine Treue zum spanischen König zeigen will.
Die Kunstkammer von Sigismund III., Ölgemälde im königlichen Schloss von Warschau.
Ausschnitt aus 09a. Foto: UK.
Gnadenpfennige in der Sammlung
Jahrhunderte lang stellten Gnadenpfennige die Highlights jeder numismatischen Sammlung dar. Könige hüteten sie in ihrer Kunst- und Wunderkammer, wie uns ein Blick in die Kunstkammer des polnischen Königs Sigismunds III. zeigt. Heute gelten die kostbar emaillierten, aufwändig geschmückten Zimilien als Randgebiet der Numismatik, das im Verhältnis zu seiner unglaublichen Seltenheit und historischen Bedeutung eigentlich günstig zu haben ist. Das liegt daran, dass sie nicht ins numismatische Anlageportfolio passen. Dort definiert sich Wert über Typ, Seltenheit und Erhaltung. Dabei lassen sich Unika nur schwer einordnen – und praktisch alle Gnadenpfennige sind Unika.
Gnadenpfennige sind also das perfekte Sammlerobjekt. Sie bieten das, was wir an der Numismatik so lieben: Sie sind Geschichte zum Anfassen. Wir können bei (fast) jedem Stück davon ausgehen, dass der darauf Abgebildete, es einst persönlich in Händen hielt, um es dem Beschenkten zu übergeben.
Größer kann die historische Bedeutung eines numismatischen Objekts eigentlich nicht mehr sein.
Ursula Kampmann
Literatur: Ulrich Pfisterer, Lysippus und seine Freunde. Liebesgaben und Gedächtnis im Rom der Renaissance oder: Das erste Jahrhundert der Medaille. Berlin 2008
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