Wer sich für Hongkong interessiert, kommt an Tai-Pan von James Clavell nicht vorbei. Das monumentale Epos aus dem Jahr 1966 blättert die Geschichte der einstigen Kronkolonie auf. In Kapitel 2 wird erklärt, dass der China-Handel der europäischen „Barbaren“ ursprünglich auf die Hafenstadt Kanton beschränkt war. Eine Gesellschaft von zehn chinesischen Kaufleuten, unter denen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein gewisser Howqua der mächtigste war, übte das Handelsmonopol aus. Doch dann kam der Opiumkrieg, in dessen Gefolge die Briten anno 1841 das Fischerdorf und Piraten-Nest Hongkong besetzten. Wenig später wurde es Kronkolonie.
Der Roman, für den Clavell das Geschäftsgebaren der Chinesen im 19. Jahrhundert intensiv studierte, spielt im Jahr 1841. Zu dieser Zeit steht das britische Handelsunternehmen Noble House vor dem finanziellen Zusammenbruch. In seiner Verzweiflung nimmt dessen Inhaber Dirk Struan ein Silberdarlehen des chinesischen Tee- und Opiumhändler Jin-kwa auf: „Jin-kwa sagte in scharfem Ton etwas zu seinem Diener, der an eine der mit Schimmel bedeckten Kisten trat und den Deckel abnahm. Sie war voller Silberbarren. Jin-kwa deutete auf die nächste Kiste. ‚Hier vierzig Lac Dolla.‘ Ein Lac entsprach rund fünfundzwanzigtausend Pfund Sterling. Vierzig Lac waren also eine Million Sterling.“ (James Clavell: Tai-Pan; München 1998, S. 120) Nach mühsamen Verhandlungen kann sich Struan mit dem gewieften chinesischen Geschäftsmann einigen. Am nächsten Tag lädt er das Silber auf eines seiner Schiffe: „Die säuberlich aufgestapelten Reihen von Silberbarren schimmerten matt im Schein der schwingenden Laterne im Laderaum. Die Luft war dumpf und von dem unangenehm süßlichen Duft von Opium durchsetzt. Es wimmelte von Kakerlaken. (…) Das Barrensilber lag in der China Cloud. Wir sind wieder reich, dachte er. Reich.“ (Ebenda, S. 183ff.) Tatsächlich gab es reale Vorbilder für die Hauptfiguren des Romans. Für Dirk Struan war es William Jardine von Jardine, Matheson & Co. Jin-kwa steht für Howqua, den bedeutendsten chinesischen Kaufmann seiner Zeit, dessen Vermögen auf drei Milliarden Dollar in heutiger Währung geschätzt wird.
Als Gegenleistung für die Zusage des Darlehens verpflichtet sich Struan im Roman, künftig nur noch mit Waren von Jin-kwa zu handeln. Außerdem soll er in dessen Auftrag ein ganz bestimmtes Grundstück in Hongkong kaufen. So ist eine Versammlung, vor welcher der neue britischen Gouverneur Longstaff vor der Kaufmannschaft die einleitenden Worte spricht, der nächste Schauplatz der Geschichte: „Das ganze Land ist Eigentum ihrer Majestät. Zuweisungen auf Pachtbasis sollen bei einer öffentlichen Versteigerung an denjenigen erfolgen, der die höchste jährliche Grundstückspacht bietet – die Jahrespacht ist also Gegenstand dieser Versteigerung. Die Pachtzeit beläuft sich auf neunundneunzig Jahre. Innerhalb eines Jahres ist ein Gebäude im Mindestwert von tausend Dollar zu errichten, wobei der Dollarkurs auf vier Schilling, vier Pence festgesetzt wird. Andernfalls verfällt die Zuweisung. Die Hälfte des gebotenen Betrages ist sofort in bar zu entrichten.“ (Ebenda, S. 253).
Die Festlegung erwies sich als sinnvoll. Zu dieser Zeit kursierten an der Küste schließlich etliche Währungen. Neben dem chinesischen Geld waren das indische Rupien sowie spanische und mexikanische Silberdollars im Wert von acht Reales. Die Einführung eines eigenen Währungssystems für die Kronkolonie scheiterte. Die 1863 von der Royal Mint gelieferten und drei Jahre später auch vor Ort hergestellten Gepräge konnten sich nicht durchsetzen. Die Hong Kong Mint wurde 1868 wieder geschlossen, die Prägetechnik an Jardine, Matheson & Co. verkauft.
Als weitere Gegenleistung für das Darlehen ist eine sogenannte Münzschuld vorgesehen. Vier Bronzemünzen teilt Jin-kwa dafür in unregelmäßige Hälften. Kreditnehmer Struan erhält vier der halben Münzen. Jedermann, der eine zweite Münzhälfte vorlegt, muss von Struan vorbehaltlos unterstützt werden. Mit Wu Fang Tschoi kann sogar ein Pirat eine der Hälften vorlegen! Er arbeitet für Jin-kwa: „Wir schützen seinen Handel auf See vor beschissenen Piraten. Wir sind die Wächter des Meeres. Is‘ doch nichts weiter als recht und billig, für solche Dienste zu zahlen, was? Ein kluger Mann legt sein Geld so an, dass er ´nen Gewinn rausschlägt, nich‘? So legen wir gelegentlich auch Geld bei ihm an. Tee, Seide, Opium. Kredite.“ (Ebenda, S. 216). So lief einst der Chinahandel …
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