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Andreas Raffeiner

Gedanken zur 100-Lire-Münze „Vetta d'Italia“ von 1925

Die 100-Lire-Goldmünze „Vetta d’Italia“ von 1925 stellt ein faszinierendes Werk der numismatischen Kunst und zugleich ein bedeutendes politisches und symbolisches Dokument dar. Sie wurde geschaffen, um das 25-jährige Regierungsjubiläum von König Viktor Emanuel III. zu feiern und gleichzeitig das zehnjährige Gedenken an Italiens Eintritt in den Ersten Weltkrieg zu würdigen. Diese Münze, deren Gewicht, Symbolik und kunstvolle Gestaltung sie zu einem herausragenden Beispiel der numismatischen Präzision ihrer Zeit macht, ist nicht nur ein ästhetisches Meisterwerk, sondern auch ein mächtiges politisches Instrument, das die Ideologie und territoriale Expansion des faschistischen Italien widerspiegelt.


Historischer Kontext und Bedeutung

Die 100-Lire-Münze „Vetta d’Italia“ entstand in einer Zeit, in der Italien tiefgreifenden politischen und sozialen Veränderungen unterworfen war. Nach dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente 1915 und dem blutigen Konflikt, der sich auch in den Alpen abspielte, wurde die italienische Nation von schweren Verlusten und traumatischen Erfahrungen geprägt.


Italienische Propagandakarte von 1915 im Postkartenformat. Personifikationen italienischer Regionen und Kolonien halten an der Italia fest. Bildquelle: Raffeiner.


Der Sieg über die Mittelmächte und die darauf folgende Annexion Südtirols, des Trentino und Istriens im Friedensvertrag von Saint-Germain 1919 markierten einen wichtigen Moment in der italienischen Geschichte, der von nationaler Euphorie, aber auch von politischem Chaos begleitet war. Die „Vetta d’Italia“-Münze, die fünf Jahre nach dem „Marsch auf Rom“ geprägt wurde, ist eng mit dieser Zeit des italienischen Nationalismus und der territorialen Expansion verknüpft.


Die Münze wurde nicht als Zahlungsmittel konzipiert, sondern vielmehr als Sammlerstück, das in limitierter Auflage geprägt wurde. Sie war nicht dazu gedacht, alltägliche Transaktionen zu erleichtern, sondern vielmehr ein Symbol nationaler Größe, Herrschaft und künstlerischer Exzellenz. Sie steht exemplarisch für den Versuch des faschistischen Regimes, die Geschichte und Symbolik des italienischen Königreichs zu nutzen, um seine eigenen politischen Ziele zu legitimieren.


Die Verbindung zwischen Monarchie und Faschismus war ein zentrales Element der Propaganda, die darauf abzielte, das Königreich Italien als vereinigte, starke Nation zu präsentieren, die ihre nationale Identität in den neu erworbenen Gebieten Südtirols und des Trentino festigte.

Königreich Italien, 100 Lire „Vetta d'Italia“ 1925, Auflage in Stempelglanz/Mattiert: 5.000. Friedberg 32. Bildquelle: Künker Herbstauktion 2015, Los Nr. 6404.


Symbolik und ikonografische Analyse

Das zentrale Motiv auf der Rückseite der Münze ist eine männliche Figur, die sowohl nackt als auch dynamisch dargestellt ist. Sie verkörpert eine idealisierte Vision von Vitalität, Kraft und Triumph, die den Geist des damaligen Italien widerspiegeln sollte. In der linken Hand hält die Figur die italienische Trikolore mit dem Wappen des Hauses Savoyen, ein klares Zeichen für die enge Verbindung zwischen dem Königshaus und der Nation. Das Wappen des Hauses Savoyen ist ein Symbol der italienischen Monarchie, die seit der Vereinigung Italiens 1861 über das Land herrschte, und steht hier als Ausdruck der Kontinuität und Stabilität, die das Königreich in der unsicheren politischen Landschaft Europas bieten sollte.


In der rechten Hand trägt die männliche Figur die Statue der Siegesgöttin Viktoria, die den italienischen Sieg und die Erfolge des Landes im Ersten Weltkrieg symbolisiert. Die Wahl der Siegesgöttin ist kein Zufall: In der römischen Mythologie war Viktoria ein wichtiges Symbol militärischer Macht und Überlegenheit. Ihre Darstellung auf der Münze unterstreicht die zentrale Rolle des Krieges und der militärischen Siege in der Selbstdarstellung des faschistischen Regimes. Die Pose der Figur, die energisch nach vorne schreitet, vermittelt einen Sinn für Bewegung und Tatkraft, die die Ideale des italienischen Faschismus – Kraft, Wille und Triumph – aufgreift und visuell untermalt.


Ein besonderes ikonografisches Detail ist die „Vetta d’Italia“, die auf der Rückseite der Münze als Berggipfel dargestellt wird. Diese Spitze, die von der männlichen Figur berührt wird, symbolisiert den höchsten Punkt des italienischen Territoriums nach der völkerrechtswidrigen Annexion Südtirols im Jahr 1919.


Ansichtskarte um 1925 mit der „Vetta d’Italia“. Bildquelle: Raffeiner.


Die „Vetta d’Italia“ (dt. Klockerkarkopf) befindet sich auf über 2.900 Höhenmetern in den Zillertaler Alpen im hintersten Ahrntal, in einem Gebiet, das historisch gesehen ein Teil Tirols war. Die Verwendung dieses umgenannten Berges als Symbol auf der Münze diente der territorialen Selbstvergewisserung Italiens, das nach dem Ersten Weltkrieg seine neuen Grenzen verteidigte und politisch wie geografisch festigen wollte.


Der Klockerkarkopf, der bereits vor der historischen Teilung Tirols bekannt war, wurde durch die Münze symbolisch aufgeladen. Er steht nicht nur für den äußersten Norden Italiens, sondern auch für den Triumph des Landes über seine Gegner im Ersten Weltkrieg und die Behauptung seiner territorialen Ansprüche. Diese Symbolik diente in erster Linie der politischen Legitimation der Annexion Südtirols, das völkerrechtlich umstritten war und weiterhin von einer starken deutschen Bevölkerungsmehrheit geprägt wurde. Die Münze ist daher nicht nur ein Ausdruck nationaler Selbstverherrlichung, sondern auch ein wichtiges Propagandainstrument, das die territorialen Ansprüche und den Machtanspruch Italiens unterstreicht.


Die Herrschaft von Viktor Emanuel III. und ihre politische Instrumentalisierung

Viktor Emanuel III. bestieg im Jahr 1900 den Thron nach der Ermordung seines Vaters, Umberto I., und regierte Italien in einer Zeit beispielloser politischer und sozialer Veränderungen. Während seiner Herrschaft erlebte Italien den Aufstieg des Faschismus, der das Land tiefgreifend verändern sollte. Der König, der sich selbst als zurückhaltender Monarch verstand, versuchte, das fragile Gleichgewicht zwischen Monarchie und den zunehmend autoritären politischen Bewegungen zu wahren, musste aber letztlich dem Druck von Benito Mussolini und seiner faschistischen Bewegung nachgeben.


König Viktor Emanuel III. um 1936 auf einer Postkarte. Italien befand sich zu diesem Zeitpunkt schon fest in der Hand Mussolinis. Bildquelle: wikimedia commons.


Auf der Vorderseite der Münze wird Viktor Emanuel III. im Profil dargestellt. Sein Bild ist von einem Eichenzweig umrahmt, der in der europäischen Symbolik häufig für Stärke, Tapferkeit und Standhaftigkeit steht. Diese Darstellung des Königs vermittelt nicht nur seine persönliche Charakterfestigkeit, sondern auch den Anspruch, dass das Königshaus trotz der politischen Turbulenzen Italiens die Nation unerschütterlich durch die Herausforderungen der Zeit führen würde.


Doch Viktor Emanuel III. spielte eine zwiespältige Rolle in der italienischen Geschichte: Während seiner Herrschaft wurde das Land in eine faschistische Diktatur geführt, die ihn letztlich als Symbolfigur für Mussolinis Regime nutzte. Die Münze spiegelt diesen politischen Kontext wider, indem sie die Verbindung zwischen dem König und der faschistischen Ideologie durch die Darstellung von nationalen Symbolen und ikonischen Bildern stärkt.


Technische Meisterleistung und künstlerische Innovation

Die 32,25 Gramm schwere und einen Durchmesser von 35 mm aufweisende 100-Lire-Münze „Vetta d’Italia“ ist nicht nur ein historisch und politisch bedeutsames Objekt, sondern auch ein Meisterwerk der numismatischen Kunst. Entworfen von dem bekannten italienischen Bildhauer Aurelio Mistruzzi, der vor allem für seine Arbeiten für den Vatikan bekannt ist, beeindruckt die Münze durch die Feinheit und Detailgenauigkeit ihrer Reliefs. Mistruzzis künstlerische Raffinesse zeigt sich in der plastischen Darstellung der Figuren und Symbole, die die Münze zu einem herausragenden Beispiel für die hohe Kunstfertigkeit der italienischen Münzprägung jener Zeit macht.


Besonders hervorzuheben ist die Verwendung der Sandstrahlung, einer Technik, die der Münze eine matte Patina verleiht und gleichzeitig eventuelle Prägefehler kaschiert. Diese Technik sorgte für eine gleichmäßige Oberfläche, die der Münze einen hochwertigen und ästhetisch ansprechenden Eindruck verleiht. Die technische Präzision, mit der die Münze hergestellt wurde, spiegelt die hohen Ansprüche wider, die Italien an seine numismatische Kunst stellte.


Fazit

Die 100-Lire-Goldmünze „Vetta d’Italia“ ist ein außergewöhnliches Kunstwerk, das die Ideale, politischen Ziele und die symbolische Bedeutung des Königreichs Italien und des faschistischen Regimes in den 1920er-Jahren widerspiegelt. Sie steht für die Verknüpfung von nationaler Selbstverherrlichung, territorialen Ansprüchen und künstlerischer Exzellenz, die in der italienischen Münzprägung jener Zeit einzigartig ist.


Ihr Wert liegt nicht nur im verwendeten Gold, sondern vor allem in ihrer tiefen symbolischen Bedeutung für die italienische Geschichte und Politik. Die „Vetta d’Italia“ ist ein Zeugnis für die Macht der Symbole in einer Zeit des politischen Umbruchs und der territorialen Expansion und bleibt bis heute ein faszinierendes Objekt der numismatischen und historischen Forschung.


Andreas Raffeiner

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