Der französische König Ludwig XVI. pflegte seine finanziellen Ausgaben täglich zu notieren: „Aus diesen Notizen erfahren wir, dass er für 100 Stück Aprikosen zur Marmeladebereitung zwölf Livres ausgab, für sechs Pfund Kirschen und zwei Körbchen Walderdbeeren drei Livres, für das Einfahren von Holz eine Livre und zehn Sous, für ein Pfund Pfeffer (der damals natürlich viel teurer war als heute) vier Livres.“ (Antal Szerb: Das Halsband der Königin, München 2005, S. 34). Es ging allerdings auch billiger. Nach Angaben aus verschiedenen Quellen kostete ein Brot zwischen zwei und zwölf Sous, ein durchschnittliches Mittagsmenü kostete eine Livre. Die Schuhe konnte man sich im Paris des Jahres 1775 für sechs Deniers putzen lassen. In den letzten Jahren vor der Französischen Revolution zog das Preisniveau jedoch fühlbar an: „Schließlich hat es den Anschein, als ob die Preise seit 1785 einer allgemeinen Zerrüttung ausgesetzt waren. Auf die langsame und im Großen und Ganzen wohltuende Hausse, welche die Regierungszeit Ludwigs XV. ausfüllte, folgt nun ein ungestümes Anziehen der Preise, das für die betreffenden Waren nicht allein durch die schlechte Ernte bedingt ist, sondern vielleicht auch durch die Fülle an Zahlungsmitteln, wie Wechseln, Handelspapieren und Papieren der Caisse d’Escompte, welche die Rolle einer dem schon überreichlich vorhandenen Metallgeld übergelagerten Währung spielten. Da jedoch die Löhne und Gehälter nicht im gleichen Tempo folgen, ergibt sich eine fühlbare Diskrepanz. Gegenüber der Zeitspanne von 1726 bis 1741 sollen sich nach Labrousse die lebenswichtigen Artikel von 1785 bis 1789 um 65 Prozent verteuert haben, während die Löhne und Gehälter nur um 22 Prozent stiegen.“ (Pierre Gaxotte: Die Französische Revolution, Bergisch Gladbach 1977, S. 112).
Aus den Preisbeispielen ergibt sich die Frage, wie das Währungssystem vor der Revolution aufgebaut war. Die Livre war die Recheneinheit der französischen Silberwährung. Ihr Wert entsprach 20 Sols oder Sous zu je 12 Deniers. Eine Livre setzte sich somit aus 240 Deniers zusammen. Die Livre wurde aber in der Regel nicht als Münze ausgeprägt. Als Standardmünze galt im 18. Jahrhundert der Écu, in Deutschland auch Laubtaler genannt. Die Bezeichnung ergab sich aus einem Gestaltungsmerkmal: Auf seiner Rückseite trug er zwei belaubte Zweige. Der Wert orientierte sich grob an dem der weit verbreiteten Talermünzen beziehungsweise jenem der 8-Reales-Stücke aus dem Nachbarland Spanien. Das Raugewicht betrug offiziell 29,5 Gramm, das Feingewicht lag danach bei etwa 27,0 Gramm. Der Wert der Livre war im Lauf der Jahrhunderte aber stark zurückgegangen. Da die französischen Kursmünzen aus dieser Zeit keinerlei Wertbezeichnungen tragen, bereitete die Korrektur des Nennwertes in Livre keine besonderen Schwierigkeiten. Im 17. Jahrhundert repräsentierte die Livre etwa acht Gramm Silber. In den Laubtalern des 18. Jahrhunderts war ihr Wert auf etwa 4 Gramm Feinsilber gefallen. Entsprechend stieg der Wert des ausgeprägten Écu auf mehr als sechs Livre. Der festgelegte Wert der im Umlauf befindlichen Goldmünzen ist schrittweise mit dem veränderlichen Wertverhältnis zwischen Gold und Silber korrigiert worden. Am Ende des Ancien Régime während der Französischen Revolution lag er bei 24 Livre.
Von der Situation im Sommer 1789 berichtete ein englischer Augenzeuge: „Im Juli 1789 kamen wir in Paris an. Schon eine Zeitlang vorher hatten sich in ganz Frankreich Symptome der Erregung im öffentlichen Geist gezeigt; eine allgemeine Unzufriedenheit, die das Volk immer lauter und lauter zum Ausdruck brachte, war hervorgetreten. Eine Neigung, auch das Äußerste zu wagen, um die Last der Steuern und die Unterdrückung der Regierung abzuschütteln.“ (Das Ende der Monarchie, In: Karin Schneider-Ferber: Napoleon Bonaparte, Köln 2000, S. 16). Die Krise hatte mit den hohen Kosten des militärischen Engagements der Franzosen in Nordamerika begonnen. Finanzminister Jacques Necker (1732-1804) sah sich mit dem Problem der Geldbeschaffung konfrontiert. Er sagte: „Die gefährlichste und am wenigsten gerechtfertigte Art, Geld herbeizuschaffen, ist (…) Anleihen aufzunehmen, ohne den Zinsendienst sichergestellt zu haben. Eine Verwaltung, die nur darin groß ist, den Augenblick der Schwierigkeiten hinauszuschieben, macht nichts anderes, als das Übel noch zu vergrößern und den Abgrund noch zu vertiefen.“ (Gaxotte, S. 61). Genau das tat er jedoch. Im Oktober 1776 war Necker von Ludwig XVI. zum Finanzminister ernannt worden. Ein Jahr später nahm er Anleihen über 24 Millionen Livre auf, im Jahr 1778 waren es 48, im Jahr 1779 schon 69 Millionen. Es folgten die Jahre 1780 mit 36 und 1781 mit 77 Millionen. Im Jahr der Französischen Revolution war das Defizit auf 300 Millionen Livre geklettert, die Hälfte des Jahresbudgets. Hinzu kamen mehr als 200 Millionen, die über Mittelsmänner bei Kommunen und Institutionen aufgenommen worden waren. Über einer halben Milliarde Livre an Schulden waren aufgelaufen.
Ein mehrmaliger Austausch des Finanzministers half nichts. Der Staatsbankrott stand vor der Tür. Um die Kontrolle über die Staatsfinanzen zurückzugewinnen, sah sich der König gezwungen, die Generalstände einzuberufen. Die Ständeversammlung, die aus gewählten Vertretern des Adels, der Geistlichkeit und des Großbürgertums bestand, hatte seit 1614 nicht mehr getagt. Am 5. Mai 1789 wurde die Versammlung eröffnet: „Die Rede des Königs gestand ein, was jedermann wusste, ein ungeheures Anwachsen der Staatsschuld, eine durch die Ungleichheit der Verteilung noch empfindlicher gemachte Überbürdung mit Steuern.“ (Theodor Flathe, Hans Prutz: Die Französische Revolution, Essen 1990, S. 48). Später übernahm Finanzminister Jacques Necker das Wort. In einer dreistündigen Rede und mithilfe eines ermüdenden Zahlenwerkes versuchte er den Nachweis anzutreten, dass die Finanzlage keineswegs aussichtslos sei. Das Defizit betrage nicht mehrere 100 Millionen Livre, sondern eigentlich nur 56 Millionen. Doch schon wenige Tage später war Frankreich pleite. Am 14. Juli 1789 begann die Französischen Revolution.
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