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Dietmar Kreutzer

Frankreichs Silber: Die Geheimnisse der „Herkulesgruppe“

Nach den Inflationswirren der Französischen Revolution hatte das Direktorium im Sommer 1795 eine Währungsreform vorbereitet. Eine dezimal geteilte Währung mit einem festen Wertverhältnis zwischen Gold und Silber sollte die entwerteten Assignaten ablösen. Augustine Dupré, der Chefgraveur der Monnaie de Paris, erhielt zunächst den Auftrag, ein silbernes Fünf-Francs-Stück zu entwerfen. In Paragraph 4 des entsprechenden Gesetzes vom 29. Juli 1795 heißt es: „Die Silberstücke werden als Typ die Gestalt des Herkules haben, der die Gleichheit und die Freiheit vereint, mit der Aufschrift Einigkeit und Macht. Auf der Rückseite werden zwei verschränkte Zweige graviert sein, der eine von der Eiche, der andere vom Lorbeer mit der Legende Französische Republik. Im Zentrum liest man den Wert des Stückes. Der Abschnitt wird, in arabischen Ziffern, das Jahr der republikanischen Ära angeben. Der Rand wird die Worte Garantie nationale tragen.“ (Künker: Presseinformation zur Berlin-Auktion vom 4. Februar 2016, Los 499). Der Entwurf des Graveurs für die Bildseite hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei den Auftraggebern. Ein Herkules im Fell des nemeischen Löwen wird dort von den genannten Symbolfiguren flankiert. Die von Herkules aus rechts stehende Gestalt der Freiheit ist an einem langen Stab mit einer phrygischen Mütze auf der Spitze erkennbar. Ihre freizügige Darstellung in der Haartracht und dem Fall des Hemdes symbolisiert das Ideal der neuen Gesellschaft. Die weibliche Gestalt, die Herkules auf der zweiten Seite flankiert, verkörpert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Eine Setzwaage in der Form eines gleichschenkligen Leistendreiecks mit einem Lot an der Spitze steht für dieses Prinzip. Von Herkules beschützt, reichen sich beide Symbolfiguren die Hand. Die Umschrift Union et Force suggeriert jedermann, dass die Einheit der Franzosen eine unüberwindliche Kraft hervorbringt.


Das Regelgewicht der Münzen aus 900er Silber beträgt 25 Gramm, woraus sich ein Silberanteil von 22,5 Gramm ergibt. Der Durchmesser liegt bei 37 Millimeter. Über 21 Millionen Exemplare dieses Münztyps wurden zwischen 1795 und 1802 geprägt. Abgelöst wurde er im Revolutionsjahr XI (1802/1803) durch eine Münze gleichen Nennwertes mit dem Porträt von Napoleon Bonaparte als Erstem Konsul der Republik. Es folgten Fünf-Francs-Stücke mit den Porträts von Ludwig XVIII. und König Louis Philippe.

5 Francs (Frankreich, Revolutionsjahr X, 1801/1802, Goldabschlag, 900er Gold, 42,1 Gramm, 37 mm). [Bildquelle: Künker, Berlin Auktion 271, Los 499].

Als in Paris die Februarrevolution von 1848 ausbrach, wurde die Zweite Republik ausgerufen. Zum zweiten Mal kam die „Herkulesgruppe“ auf die Silbermünze zu fünf Francs. Anstelle der Losung Union et Force steht nun allerdings die Umschrift Liberté Égalité Fraternité oberhalb der Figurengruppe. In den Jahren 1848 und 1849 wurden fast 52 Millionen Exemplare dieses Münztyps geprägt. Ab 1852 ist das Motiv durch ein Porträt des Präsidenten Louis Napoleon Bonaparte ersetzt worden, der später zum Kaiser aufstieg. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg verließ Napoleon III. das Land. Zum dritten Mal wurde Frankreich zur Republik. So zierte die „Herkulesgruppe“ ab 1870 erneut das Fünf-Francs-Stück.


Während der Pariser Kommune im Frühjahr 1871 war in Paris das Geld knapp. Weil der Direktor der Pariser Münzstätte der regulären Regierung nach Versailles gefolgt war, setzten die Kommunarden am 3. April 1871 mit Zéphirin Camélinat einen ihrer Politiker ein.

Zéphirin Camélinat (1840-1932), einstweiliger Direktor der Monnaie de Paris während der Pariser Kommune im Frühjahr 1871. [Bildquelle: Paris révolutionnaire].

Im Mai 1871 hatte dieser für frisches Silbergeld zu sorgen: „Im belagerten Paris fehlte es an Geld, so dass Monsieur Camélinat Fünf-Francs-Stücke prägen sollte. Es gab nicht genug Silberbarren bei der Banque de France, so dass angeblich noch Geschirr des abgedankten Kaisers aus den Tuilerien eingeschmolzen wurde.“ (Die Reichsgründung aus französischer Perspektive – 5 Francs Camélinat, auf: emuenzen.de, 13.03.2013). Die Geschichte klingt etwas reißerisch, ist aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Andere Quellen berichten, dass sogar Silberbesteck aus dem Pariser Rathaus und den Ministerien eingesetzt wurde. Etwa 256.000 dieser Münzen wurden geprägt. Erkennbar sind sie an einem Dreizack, dem Münzzeichen von Zéphirin Camélinat. Bis zur Niederlage der Kommune kamen allerdings nur etwa 76.000 dieser Münzen in den Umlauf. Die übrigen wurden wieder eingeschmolzen. Von 1870 bis 1878 sind insgesamt knapp 73 Millionen Münzen mit der „Herkulesgruppe“ geprägt worden. Während die regulären Ausgaben preiswert zu haben sind, kann ein gut erhaltener „Camélinat“ mehrere hundert Euro wert sein.

5 Francs „Camélinat“ (Frankreich, 1871, 900er Silber, 25 Gramm, 37 mm). [Bildquelle: Monnaies d’Antan, Auktion 21, Los 1407].

Mit dem Übergang der wichtigsten Industriestaaten zum Goldstandard fiel der Silberpreis nach 1871 drastisch. Frankreich fuhr daher die Prägung seiner Standardmünzen zu fünf Francs herunter. Im Jahr 1878 wurde die Produktion ganz eingestellt. Die mit Frankreich verbundenen Länder der Lateinischen Münzunion folgten dem Schritt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Frankreich lange Zeit kein Silbergeld. Erst mit der Währungsreform vom Januar 1959 wurden neue Silbermünze aufgelegt – als vertrauensbildende Maßnahme. Einem Fünf-Francs-Stück mit der schreitenden Marianne folgte im Jahr 1965 eine silberne Kursmünze zu zehn Francs. Dieses Stück mit der „Herkulesgruppe“ auf der Bildseite entsprach in Gewicht, Legierung und Durchmesser seinem Vorgänger zu fünf Francs aus dem 19. Jahrhundert. Die Gesamtauflage aus acht Jahren belief sich auf über 39 Millionen Exemplare. Im Jahr 1974 wurde der neue „Herkules“ von einem vergleichbaren Stück zu 50 Francs abgelöst: „Die Prestigemünzen von 10 Franken und 50 Franken wurden meist gehortet, zumal der Silberpreis ab 1973 unaufhörlich stieg. Die Währungshüter stellten die Prägung der Zehn-Francs-Stücken ein, da ihr Metallwert zu nahe am Nennwert lag. Ein 20-Francs-Stück sollte als Ersatz her, aber der Silberpreis überholte die Behörden erneut und nur wenige Exemplare wurden an Persönlichkeiten übergeben. Schließlich kam ein 50-Francs-Stück heraus, welches die Sparstrümpfe der Franzosen füllte.“ (fr.wikipedia.org/wiki/Type_Hercule). Von dieser Münze erschienen über 48 Millionen Exemplare. In jüngster Zeit wurde die „Herkulesgruppe“ auch zweimal auf Gedenkmünzen verwendet.

50 Francs (Frankreich, 1977, 900er Silber, 30 Gramm, 41 mm). [Bildquelle: NumisCorner].

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