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Horst Herzog

Faustina minor - die Kinderreiche

Annia Galeria Faustina war die jüngste Tochter von Antoninus Pius und Faustina der Älteren. Geboren um das Jahr 130 wurde sie als Achtjährige auf Anweisung Hadrians zunächst mit Lucius Verus verlobt. Aber noch im selben Jahr 138, nach dem Tod Hadrians, wurde diese Verlobung von Antoninus Pius wieder gelöst, es erfolgte eine neue Verlobung mit Marcus Aurelius. Im Frühjahr 145 heirateten Marcus Aurelius und Faustina die Jüngere. Dieses Ereignis wurde zum Anlass genommen für die Prägung des Aureus Abb. 1.


Abb. 1 AV, 145, Rom, RIC III Ant. Pius 434. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18200264


Umgeben von einer Art Perlkranz ist der nach rechts gerichtete Kopf des jungen Marcus Aurelius abgebildet. Marcus Aurelius trägt, wie es seinem Rang als Caesar zukommt, keinen Lorbeerkranz. Das Porträt wird geprägt von der üppigen Haarkappe mit ihren voluminösen Locken, die das Ohr halb bedecken und weit in die Stirn hineinreichen. An der Wange, am Kinn und über der Oberlippe ist leichter Bartwuchs angedeutet. Ganz markant ist das fast übergroße Auge mit seinem schwer lastenden Oberlid. Die Averslegende "AVRELIVS CAESAR AVG PII F COS II" (Aurelius Caesar Augusti Pii Filius Consul II) enthält das zweite Konsulat von Marcus Aurelius, das dieser 145 bekleidete. Auf das Jahr 145 weist auch die Rückseitendarstellung hin: auf einer Standlinie stehen drei Personen. Auf der rechten Seite sehen wir einen Togatus, der zwar frontal zum Betrachter steht, aber seinen Kopf und seinen rechten Arm nach links gerichtet hat. In seiner linken Hand hält der Togatus einen „rotulus“, eine Schriftrolle. Ganz links steht eine nach rechts gewandte weibliche Figur. Diese trägt einen Schleier. Ihre rechte Hand reicht sie dem Togatus. Unzweifelhaft handelt es sich bei dieser Darstellung um eine Hochzeitsszene, der sogenannten „dextrarum iunctio“ (Verbindung der rechten Hände), d. h. Braut und Bräutigam geben sich quasi per Handschlag das Eheversprechen. Danach werden die Eheleute durch eine verheiratete Frau (pronuba) zusammengeführt. Genau diese Szene ist auf unserem Aureus abgebildet, wobei die Frau in der Mitte nicht irgendeine Verheiratete sein dürfte, sondern es dürfte sich hierbei um Iuno Pronuba handeln, d. h. um Iuno als Beschützerin der Ehe. Gelegentlich wird diese Frau auch als Concordia bezeichnet, die die Einheit der Ehepartner symbolisieren soll. Von ähnlichen Hochzeitsdarstellungen auf anderen Medien, besonders auf Sarkophagen, wissen wir, dass Iuno Pronuba ihre Hände auf die Schultern der Eheleute legt, was auf unserem Aureus leider nicht zu erkennen ist. Damit wird neben

der „dextrarum iunctio“ eine weitere Verbindung zwischen Braut und Bräutigam hergestellt. Es bleibt noch die Erklärung der Schriftrolle in der Linken des Bräutigams: dieser „rotulus“ enthält schlichtweg den Ehekontrakt. Die Reversabbildung des Aureus Abb. 1 zeigt die Eheschließung zwischen Marcus Aurelius und Faustina minor; dazu passt auch die Umschrift "VOTA PVBLICA" (Gelübde von Staats wegen), die sich auf die öffentlichen Gelübde bei der Hochzeit des Thronfolgers bezieht. Vorder- und Rückseite datieren unseren Aureus sicher in das Jahr 145.


In seinen „Selbstbetrachtungen“ äußert sich Marcus Aurelius auch über seine Gattin (M. Aur. I.17, übers. R. Nickel):

„Ich danke den Göttern, dass meine Frau so war, wie sie war, so hingebungsvoll, so zärtlich, so unkompliziert.“

Faustina die Jüngere wurde wohl anläßlich der Geburt ihres ersten Kindes am 1. Dezember 147 zur Augusta erhoben. Insgesamt entstammten der Ehe von Marcus Aurelius und Faustina minor zwischen elf und vierzehn Kinder. Hier ist sich die Forschung nach wie vor uneinig. Von dieser Kinderschar erreichten allerdings nur fünf Töchter und ein Sohn das Erwachsenenalter. Dieser Sohn war L. Aurelius Commodus, uns besser bekannt unter dem Namen Commodus. Commodus trat im März 180 nach dem Tod seines Vaters in dessen Fußstapfen und war bis zu seiner Ermordung am 31. Dezember 192 Alleinherrscher des Imperiums. Gestorben ist Faustina minor 176 in Halala im Taurusgebirge, beigesetzt wurde sie im Mausoleum des Hadrian, der heutigen Engelsburg. Noch im selben Jahr erfolgte ihre Divinisierung.

Es gibt zahlreiche Prägungen, schon unter Antoninus Pius beginnend, dann unter Marcus Aurelius weiter fortgeführt, die den reichen Kindersegen der Faustina minor widerspiegeln. Gleichzeitig gibt es ebenso viele Münzporträtypen der Faustina minor. Dies veranlasste einige Forscher zu der Annahme, das mit jeder Geburt sich der Porträttyp der Faustina minor geändert habe. Hierfür fehlt allerdings der letztendliche Nachweis. Aus der Fülle dieser Prägungen seien hier einige ausgewählte Stücke eingehender besprochen.


Abb. 2 D, 161, Rom, RIC III M. Aur. 711.

Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID3796


Der Denar Abb. 2 ist aufgrund seiner Reversabbildung sicherlich noch im Jahr 161 geprägt worden. Die Vorderseite zeigt die nach rechts gerichtete, drapierte Büste der Faustina minor. Ihr Münzporträt zeigt ebenmäßige Gesichtszüge mit vollen Lippen, einem großen Auge und einer fein geordneten Frisur. Die Haarsträhnen verlaufen, ausgehend von einem Mittelscheitel, in sanften Wellen zum Hinterkopf, wo sie in einem großen Haarknoten zusammengefasst sind. Die Legende "FAVSTINA AVGVSTA" ist denkbar knapp gehalten. Die Rückseite des Denars bildet ein thronartiges Gebilde ab, das teilweise als Thron, teilweise als Pulvinar beschrieben wird. Zu sehen ist ein großer Thron, evtl. sogar ein Bett mit hoher und verzierter Rückenlehne bzw. Rückwand in direkter Frontalansicht. Auf dem „Thron“ liegen Polster und eine Decke. Auf dieser Decke und gerahmt von der Rückenlehne sind zwei scheinbar unbekleidete kleine Kinder dargestellt. Beide sind gleich groß und zeigen in etwa die gleiche Haltung. Das Münzbild wird einhellig als die Darstellung der am 31. August 161 geborenen Zwillinge Commodus und T. Aurelius Fulvus Antoninus interpretiert. Wie bereits erwähnt, überlebte lediglich Commodus. Passend zur Geburt eines möglichen Thronfolgers lautet auch die Legende "SAECVLI FELICIT(as)" (das Glück des Zeitalters), die eine glückliche Zukunft der antoninischen Dynastie und des Imperiums verheißt. Und in der Tat wird zumindest eines der beiden Babys Kaiser des römischen Reiches, wenn er auch aufgrund seiner Taten von den römischen Historikern zu den „schlechten“ Herrschern gezählt wird.


Abb. 3 AV, 161 - 176, Rom, RIC III M. Aur. 681.

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18273319


Die folgenden Münzen lassen sich zeitlich nur grob einordnen, da sie keinen Hinweis für eine genaue Datierung bieten. Man hat zwar versucht, anhand der dargestellten Kinder hier eine Feindatierung vorzunehmen. Ausgangspunkt hierfür war die Annahme, dass stets nur die noch lebenden Kinder abgebildet seien, allerdings waren die „Bezugsgrößen“ zu ungenau, so dass man davon wieder abgerückt ist.


Der Aureus Abb. 3 zeigt auf seiner Vorderseite wieder die nach rechts gerichtete drapierte

Büste der Faustina minor. Im Vergleich zu dem Denar Abb. 2 wirkt das Gesicht jetzt insgesamt fülliger, die Frisur ist nahezu gleich, lediglich der Haarknoten erscheint größer. die Umschrift ist unverändert. Auf der Rückseite ist, durch die Legende "FECVNDITATI AVGVSTAE" (der kaiserlichen Fruchtbarkeit) klar benannt, Fecunditas, die Personifikation der weiblichen Fruchtbarkeit, und besonders der Fruchtbarkeit der Kaiserinnen, abgebildet. Fecunditas sitzt auf einem reich verzierten Hocker nach rechts. Auf ihrem Schoß sitzt nach Ausweis der Frisur ein Mädchen. Vor Fecunditas steht ebenfalls ein Mädchen, hinter

der Personifikation steht ein mit der Toga bekleideter Knabe.


Abb. 4 S, 161 - 176, Rom, RIC III M. Aur. 1635. Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID10777


Auf dem Sesterz Abb. 4 ist wiederum Fecunditas abgebildet, jetzt allerdings frontal stehend mit nach links gerichtetem Kopf. Bekleidet ist Fecunditas mit einem langen, peplosartigen Gewand, auf dem Kopf scheint sie ein Diadem zu tragen. Links und rechts von Fecunditas steht jeweils ein Kind, wobei sich aufgrund der Ausführung nicht entscheiden lässt, ob hier zwischen Mädchen und Knabe unterschieden wird. In ihren Armen hält Fecunditas zwei Kleinkinder, so dass wir auf dem Sesterz die Personifikation der

Fruchtbarkeit mit vier Kindern abgebildet haben. Die Reverslegende "FECVND(itati) AVGVSTAE SC" ist hier in abgekürzter Form wiedergegeben. Auf dem Avers sehen wir die Büste der Faustina minor, wieder mit fülligen Gesichtszügen. Das Auge liegt tiefer und der Mundwinkel wird weiter nach unten gezogen als auf dem Aureus Abb. 3. Die Haare sind sehr fein modelliert, der „nestartige“ Haarknoten besitzt nunmehr vier Windungen.


Abb. 5 S, 161 - 176, Rom, RIC III M. Aur. 1674.

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18204293


Der Sesterz Abb. 5 zeigt auf dem Avers die nach rechts gerichtete drapierte Büste der Faustina minor. Jetzt tritt die „Gesichtsfülle“ wieder deutlich zurück. Die ebenmäßigen Gesichtszüge werden dominiert von dem großen Auge. Faustina minor trägt jetzt ein Diadem. Die Haarkappe wird nun aus dicken, gewellten Haarsträhnen gebildet, die am Hinterkopf zu einem Dutt zusammengefasst sind. Die Averslegende bleibt in der gewohnten Form. Neu in unserem Zusammenhang ist die Umschrift auf der Rückseite: "TEMPOR(um) FELIC(itas) SC" (des Glück der Zeiten). Abgebildet ist demnach Felicitas, die Personifikation des Glücks, der Glückseligkeit und der Fruchtbarkeit. Damit ergibt sich eine Überschneidung mit Fecunditas, was auch in der weitgehend gleichen Art der Darstellung zum Ausdruck kommt. Felicitas hält wiederum zwei Kinder auf den Armen, wobei jetzt links und rechts jeweils noch eine Stoffbahn vom Arm herabhängt. Auf jeder Seite von Felicitas stehen jeweils zwei Kinder, aufgrund ihrer verschiedenen Größe mit unterschiedlichem Alter, d. h. insgesamt sind hier sechs Kinder dargestellt. Inwieweit es sich hierbei um Mädchen oder Jungen handelt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Auch wenn auf den Münzen Abb. 3 - 5 die Personifikationen benannt sind, bleibt es für den Betrachter offen, hierin nicht Felicitas oder Fecunditas, sondern Faustina minor selbst zu sehen, deren Kinderreichtum für Kaiserinnen ungewöhnlich war. Ungewöhnlich ist auch die Fülle an Münzprägungen, die den Kindersegen des Kaiserhauses zum Thema nimmt.


Horst Herzog


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