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Dietmar Kreutzer

Ewiger Bürgerkrieg: Währungsgeschichte des Kongo

Vor seiner Tätigkeit als Diplomat arbeitete der Brite Roger Casement im Frühjahr 1889 in einer kongolesischen Missionsstation: „Er leitete Transporte durch den Busch oder über den Fluss, um Kranke, Arbeiter und Waren hin und her zu bringen, und betreute den Missionsladen, in dem die Einheimischen Dinge kaufen und verkaufen konnten. Üblicherweise betrieben sie Tauschhandel, es waren allerdings auch belgische Francs und britische Pfund in Umlauf.“ (1) Der Kongo war zu dieser Zeit gerade zu einer Privatkolonie des belgischen Königs Leopold II. geworden. Die Ausbeutung der Eingeborenen in dem sogenannten Kongostaat ging unter dem Schlagwort „Kongogräuel“ als eine der exzessivsten Formen der Ausbeutung in die Kolonialgeschichte ein. Der Abschlussbericht einer offizielle britische Untersuchung der Zustände durch den oben erwähnten Roger Casement von 1903 sorgte weltweit für Entsetzen. Ein Dorf namens Bonginda beispielsweise hatte zweimal in Folge nicht genügend Kautschuk an die Gesandten der Konzessionsgesellschaft abgeliefert, weil der Latex in den Bäumen der Gegend versiegt war: „Daraufhin begannen die von der Force Publique in das Dorf abkommandierten afrikanischen Wachposten, die Bewohner auszupeitschen und ihnen Hände und Füße abzuhacken. (…) Wenige Tage später fiel eine Abordnung der Force Publique in Boginda ein, zündete alle Hütten an, ließ etliche Männer und Frauen darin verbrennen und ermordete andere.“ (2)


Roger Casement mit Eingeborenen und abgeschlagenen Händen im Kongo (1903) - Bildquelle: Gómez


Im Kongostaat gab es seit 1887 separate Münzen. Der Kongo-Franc entsprach im Wert dem belgischen Franc, hatte also eine Goldparität von 0,418422 Gramm Feingold. Anders als im Mutterland wurden aber keine Goldmünzen ausgeprägt. Es gab Silbermünzen bis zum Wert von fünf Francs und eine Reihe von Scheidemünzen. Als König Leopold II. den Kongo an den belgischen Staat verkaufte, integrierte man die Kolonie am 4. November 1908 in die Lateinische Münzunion. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Belgisch-Kongo um das Mandatsgebiet Ruanda-Urundi erweitert, früher ein Teil von Deutsch-Ostafrika. Zu ersten Unabhängigkeitsbestrebungen kam es, als Frankreichs Staatspräsident de Gaulle im August 1958 erklärte, die Kolonien seines Landes in Afrika sollten selbst entscheiden, wie sie künftig zu Frankreich stehen wollten. Der französische Teil von Kongo mit der Hauptstadt Brazzaville wurde daraufhin am 15. August 1960 unabhängig. Etwa gleichzeitig entließ auch Belgien seine Kolonie in die Unabhängigkeit. Kurz darauf kam es zu einem Bürgerkrieg. In dessen Verlauf erklärte sich die „Kupfer-Republik“ Katanga für unabhängig. Schon 1961 kamen bronzene Umlaufmünzen in dem Zwergenstaat heraus. 20.000 Goldabschläge des Fünf-Francs-Stückes wurden als Sammlermünzen ausgegeben. Der Ertrag diente der Finanzierung des Krieges gegen die Zentralregierung in Leopoldville.



1 Franc (Kongostaat, 1887, 835er Silber, 5 Gramm, 23 mm) - Bildquelle: Numista, Apuking


Als die Republik Katanga im Januar 1963 von UNO-Truppen aufgelöst wurde, gab es bereits Zehntausende von Toten zu beklagen. Auch Patrice Lumumba, der schon zu Beginn des Konfliktes entmachtete Ministerpräsident der Zentralregierung, war inzwischen ermordet worden. Als der Bürgerkrieg kein Ende zu nehmen drohte, beauftragte Präsident Kasavubu den Ex-Premier von Katanga mit der Regierungsbildung. Als dessen Regierung den im Osten des Landes operierenden kommunistischen Rebellen zu unterliegen drohten, bat man um Militärhilfe der Amerikaner. Nach einer gemeinsamen Militäraktion der USA und Belgiens schien der Frieden im Herbst 1964 wiederhergestellt zu sein. Ein Jahr später wurde die erste Münze der kongolesischen Einheitswährung emittiert, ein Stück zu zehn Francs in Aluminium. Auf der Vorderseite steht das Porträt eines Löwen mit einer Umschrift, die „Recht, Frieden und Arbeit“ bedeutet. Auf der Rückseite sind Wert, Ausgabestelle und Jahreszahl vermerkt. Von den 100.000 geprägten Exemplaren kamen wegen der im Land grassierenden Inflation allerdings nur wenige Stücke in den Umlauf. Ein Großteil wurde später wieder eingeschmolzen. Einem seinerzeitigen Trend folgend, erschien anlässlich des 5. Jahrestages der Unabhängigkeit auch eine Serie im Ausland hergestellter Goldmünzen mit einem Porträt von Präsidenten. Als dieser im November 1965 gestürzt wurde, sind die Restbestände eingeschmolzen worden.



5 Francs (Katanga, 1961, 900er Gold, 13,3 Gramm, 26 mm) - Bildquelle: MA-Shops, Nazzi


Die innenpolitischen Wirren nahmen damit aber kein Ende. Am 25. November 1965 übernahm Armeechef Mobutu Sese Seko die Macht. Er ließ das Kriegsrecht verhängen und erklärte sich für fünf Jahre zum Staatspräsidenten. Aus fünf Jahren wurden fast 35 Jahre. Das Parlament akzeptierte die neuen Verhältnisse. Nach der Umbenennung des Landes in Zaire wurde der Kongo-Franc im Jahr 1967 von einer nach dem Landesnamen bezeichneten Währung abgelöst. Tausend alte Kongo-Francs bildeten einen neuen Zaire. Wegen der hohen Inflation kam es 1993 zu einem Währungsschnitt. Drei Millionen Zaire wurden auf einen Nouveau Zaire umgestellt. Ein weiterer blutiger Bürgerkrieg und der Tod von Mobuto führten 1997 dazu, dass das Land unter L. D. Kabila erneut zur „Demokratischen Republik Kongo“ wurde. Seither gibt es als offizielles Zahlungsmittel wieder den Kongo-Franc zu 100 Centimes. Die Umstellung erfolgte im Verhältnis von 100.000 Nouveau Zaire zu einem Kongo-Franc. Infolge der weiterhin hohen Inflation sind jedoch keine Münzen im Umlauf, sondern lediglich Banknoten. In großen Teilen des Landes wird ersatzweise der US-Dollar als Zahlungsmittel akzeptiert. Die vielen unter Billigung der kongolesischen Regierung im Ausland geprägten Gedenkmünzen sind Agenturmünzen, die ausschließlich für Sammler hergestellt werden. Die Flut von Prägungen im Namen eines Landes, in dem selbst keine Münzen verwendet werden, ist ein häufiges Paradoxon!



100 Francs (Demokratische Republik Kongo, 1965, 900er Gold, 32,3 Gramm, 35 mm) - Bildquelle: Künker, Frühjahrs-Auktionen 2017, Los 5290


Dietmar Kreutzer



Quellenangaben:


  1. Mario Vargas Llosa: Der Traum des Kelten; Berlin 2012, S. 62

  2. Ebenda

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