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Erfinden, ausstellen, sammeln: Neue Themen und Aufgaben der Medaillenkunst im 19. Jahrhundert

Ein beliebtes Sammelthema sind unter Münzen- und Medaillensammlern nationale und internationale Kunst- und Gewerbeausstellungen sowie Weltausstellungen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich große und kleine Industriebetriebe, aber auch Erfinder, Gewebetreibende, Künstler, Kunsthandwerker und viele andere Personen und Betriebe mit ihren Angeboten und Erzeugnissen in prächtigen Palästen präsentiert. Wenn Aussteller mit Preismedaillen ausgezeichnet wurden, war das eine hervorragende Werbung für sie. Die Ehrung wurde in Annoncen und Angebotskatalogen oder auf den jeweiligen Erzeugnissen durch Abbildung der betreffenden Auszeichnung gewürdigt.


Die Medaillen bilden vielfach das Oberhaupt des Landes ab, in dem die Ausstellung stattfand. Aufwändig mit Allegorien und Gebäudeansichten geschmückt, feierten sie den Segen friedlichen Handels und Verkehrs und spornten Fabrikanten und Erfinder zu neuen Leistungen an. Da die Besucher solcher Ausstellungen gern auch ein Andenken nach Hause nehmen wollten, hat man für sie spezielle Erinnerungsmedaillen hergestellt. Manche sind auch heute recht preiswert zu haben, von seltenen Ausgaben in Gold und Silber abgesehen.


Das 10-DM-Stück von 2000 anlässlich der Expo in Hannover und die 10-Euro-Münze von 2002 auf die documenta in Kassel könnten Ausgangspunkt einer Sammlung mit Münzen und Medaillen zu Ausstellungen werden [10 DM: Salon Numizmatyczny Mateusz Wójcicki, E-Auction 13/5272; 10 Euro: Cayón Subastas, Subasta Rápida 71/15246].


Auf dem Weg in die Moderne trat Preußen in Konkurrenz mit England, der damaligen Werkstatt der Welt. Die königliche Regierung in Berlin gab viel Geld aus, um neuartige Maschinen bauen zu lassen, und schickte Wissenschaftler und Techniker nach England auf Erkundungsreise mit dem Ziel, von der Konkurrenz zu lernen. Die Akten des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem zeigen, dass man in England die preußische Konkurrenz zu fürchten begann. Um 1900 hatte das 1871 gegründete Deutsche Reich mit Preußen an der Spitze industriell und technisch England abgehängt und sich nach den USA zur führenden Wirtschaftsmacht gemausert.


Eine Berliner Ausstellungsmedaille von 1844 zeigt auf der Vorderseite Germania, die mit einem Kranz und einem Schwert ausgestattete Symbolfigur der Deutschen, auf einem Stein mit der vertieften Inschrift nach Friedrich Schiller „Seid einig“ sitzend. Beachtung verdient die Rückseite mit dem Motto VORWAERTS MIT DEUTSCHEM FLEISSE UND DEUTSCHER KRAFT. Auf einem Kranz aus Getreideähren und Früchten liegen Embleme der damals wichtigsten Wirtschaftszweige - Dampfschiff, Bergbau und Metallverarbeitung, chemische Industrie, Landwirtschaft und Textilindustrie. Der Kranz umschließt eine Lokomotive aus der Berliner Maschinenbaufabrik von August Borsig, einem Schüler des von Christian Peter Wilhelm Beuth geleiteten Gewerbeinstituts. Obwohl Borsig dort nicht durch besonderen Fleiß geglänzt hatte und die Bildungsstätte vorzeitig verlassen musste, verlieh er der Lok aus alter Verbundenheit zu der Lehranstalt den Namen BEUTH.


Die Kupfermedaille von 1844 wurde nicht zu Auszeichnungszwecken vergeben, sondern diente als Trostpreis für Personen, die bei einer Lotterie anlässlich der Gewerbeausstellung im Berliner Zeughaus leer ausgegangen waren [CNG, Electronic Auction 282/512].


Da die Königliche Münze Berlin mit der Massenprägung überfordert war, wurde die private Münzanstalt von Loos eingeschaltet. Die dort hergestellten Stücke sind mit etwa 2 g weniger von denjenigen zu unterscheiden, die in der staatlichen Geldfabrik hergestellt wurden. Dort hat man auch die 254 Ausführungen in Silber für besonders verdiente Aussteller gefertigt. Insgesamt wird die Auflage der Kupfermedaillen mit 28361 (Königliche Münze) und 33107 (Firma Loos) angegeben. Nähere Einzelheiten haben Elke Bannicke und Lothar Tewes ist den Beiträgen zur Brandenburgisch-preußischen Numismatik, Heft 21/2013 veröffentlicht.

Ähnlich wie die eben erwähnte Medaille ist eine sehr seltene, von den Veranstaltern verworfene Ausgabe gestaltet, die von Henri François Brandt geschaffen wurde und Germania von vorn darstellt. Auf der Rückseite liegen fünf Embleme von Industrie, Landwirtschaft und Eisenbahn auf einem Eichenkranz. Statt der Lokomotive liest man in der Mitte das gleiche Motto von der massenhaft hergestellten Lotteriemedaille.


Diese und weitere Medaillen von 1896 anlässlich der Gewerbeausstellung in Berlin blieben als Andenken erhalten [Kölner Münzkabinett 108/1299].


Vom 1. Mai bis 15. Oktober 1896 fand eine große Gewerbeausstellung im Treptower Park damals am Rand von Berlin statt. Beworben wurde sie durch ein von dem bekannten Graphiker und Schriftgestalter Ludwig Sütterlin entworfenes Plakat, auf dem eine Arbeiterhand mit Hammer vor blauem Grund aus der Erde emporwächst. Die dazu gehörige Medaille zeigt das gleiche Motiv, kombiniert mit einem Blick auf das Ausstellungsgelände im Treptower Park, der damals noch weit vor den Toren Berlins lang.


Die Faust mit dem Hammer wurde zum Logo der Berliner Gewerbeausstellung 1896 im Treptower Park [MA-Shops, FESOJK s.r.o.].


Ganz mutige Ballonfahrer konnten sich nach einem Flug über dem Ausstellungsgelände mit einer solchen Medaille am Band schmücken [H. Caspar].


Als die Schau eröffnet war, zeigten sich die Besucher beeindruckt. Bekannte Architekten hatten auf einer Fläche von 900.000 m² ein Stück Alt-Berlin mit der Stadtmauer sowie historischen, aus Holz, Gips und Pappe gebildeten Gebäuden darin gestaltet. Altägyptisches Flair vermittelte eine Station Kairo mit Pyramiden der Pharaonen, dort konnte man einen Basar und einen Harem bewundern. Zu sehen waren Alpenpanoramen und auf dem Wasser schaukelnde Schiffe. Es gab einen Vergnügungspark für gehobene Ansprüche, wie es in der Werbung hieß, diverse Restaurants und weitere Attraktionen. Mit einem Aufwand von mehreren Millionen Mark wurde außerdem die Infrastruktur rund um den Treptower Park für den erwarteten Besucheransturm fit für das 20. Jahrhundert gemacht. Ein Denkmal erinnert auch heute an den Gartengestalter Gustav Meyer, den Schöpfer des Volksparks, der allen Bürgern offenstand und eine große Spiel- und Sportwiese in Form eines Hippodroms und einen Karpfenteich besaß.


In sechs Pavillons konnte man sich mit dem eigentlichen Thema der Treptower Gewerbeausstellung vertraut machen. Hier wurden neue Verfahren und Errungenschaften der Land- und Nahrungswirtschaft, der Chemie und Optik, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, Metallverarbeitung, Medizintechnik, Arbeitsschutz, Volkswohlfahrt und andere Bereiche zur Schau und Diskussion gestellt. Nach dem Ende der trotz der für den „kleinen Mann auf der Straße“ gepfefferten Eintrittspreise von einer Mark pro Person gut besuchten Gewerbeausstellung verfielen die aus billigem Material errichteten Bauten schnell. Bald schon war von ihnen nichts mehr zu sehen. Erhalten blieb ein Riesenfernrohr, das auch heute von der Treptower Sternwarte benutzt wird, und auch die gute Verkehrsanbindung sorgte dafür, dass der weitläufige Park gut zu erreichen war und ist.


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Teil des Parks in eine Gedenkstätte für die im Kampf um Berlin gefallenen sowjetischen Soldaten umgewandelt. Ein steinerner Zeuge für die Mühen um schnelle Erreichbarkeit des Ausstellungsparks „im fernen Osten“ ist die im mittelalterlichen Stil errichtete Oberbaumbrücke, ein wichtiges Verbindungsstück zwischen den Stadtteilen Friedrichshain und Kreuzberg.

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