Nach mehreren Jahrhunderten der spanischen Weltherrschaft schlug im 19. Jahrhundert die Stunde des britischen Empires. Sowohl die Größe als auch seine Vielfalt waren beeindruckend:
„Auf seinem Höhepunkt umfasst das Reich 1933 über 31,6 Millionen Quadratkilometer – d.h. mehr als 23,8 % der Landoberfläche der Erde mit einer Bevölkerung von fast 502 Millionen, was nahezu ein Viertel der Menschheit war. Diese gewaltige Agglomeration war das Ergebnis einer dreihundertjährigen Expansion, in deren Verlauf jedes Gebiet, das die Briten zu annektieren vermochten, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten im Reichsverband gehalten wurde.“ (1)
Abgesehen davon, dass alle Territorien der Krone unterstanden, fehlte ihnen ein einigendes Element. Immerhin ließ es sich in Besiedlungskolonien (Nordamerika, Australien), das aus Handelstätigkeit entstandene indische Reich und das zersplitterte Reich abhängiger Kolonien einteilen.
Britisches Weltreich (1897) – Bildquelle: Wikimedia, Picryl.
Die Regierungsformen in all diesen abhängigen Gebieten unterschieden sich gravierend. Den Dominien bzw. Kolonien in Übersee, die sich finanziell selbst erhalten konnten und über eine ausreichende europäische Führungsschicht verfügten, wurde ab 1848 eine Selbstverwaltung zugestanden. Der größte Teil des Kolonialreiches sah sich allerdings von einer solchen Verwaltung ausgeschlossen. Ab 1926 führten die Unabhängigkeitsbestrebungen insbesondere in Kanada, Irland und Südafrika dazu, dass der Status der abhängigen Gebiete neu definiert wurde, als
„autonome Gemeinschaften innerhalb des britischen Reiches, gleichberechtigt in ihrer Rechtsstellung, in keiner Weise in irgendeiner ihrer inneren und äußeren Angelegenheiten einander untergeordnet, aber geeint durch die gemeinsame Treue zur Krone und in freier Weise zusammengeschlossen als Mitglieder des britischen Commonwealth of Nations“. (2)
10 Dollars (Kanada, 1912, 900er Gold, 16,7 Gramm, 27 mm) - Bildquelle: Heritage Auctions, 2024 May 8-10 CSNS World Coins Platinum Session and Signature Auction 3115, Lot 31131.
Die Selbstverwaltung fand ihren Ausdruck zunehmend auch in der Schaffung eigener Währungen. Dieser Prozess ging jedoch überall auf andere Weise vonstatten. Beispielhaft wird hier die Entwicklung in Kanada, Indien, Zypern und Australien vorgestellt. Im 18. Jahrhundert hatte Frankreich das östliche Kanada an Großbritannien verloren. Im Verlauf eines Jahrhunderts entstand ein Bundesstaat (Dominion of Canada) unter der Oberherrschaft der britischen Krone. Der Streit über eine Übernahme des britischen Pfundes oder des US-Dollars endete mit dem Uniform Currency Act von 1871, mit dem der kanadische Dollar eingeführt wurde. Die Ausgabe großformatiger Gold- und Silbermünzen setzte aber erst 1911 ein. Der Erste Weltkrieg verhinderte die geplante Ausgabe eines 20-Dollar-Stückes. Höchste Wertstufe blieb daher eine Goldmünze zu zehn Dollars. Durch das Statut von Westminster (1931) erlangte Kanada die Unabhängigkeit.
Rupie (Indien, 1921, 917er Silber, 11,7 Gramm, 30 mm) - Bildquelle: Heritage Auctions, Wednesday & Thursday World & Ancient Coins Select Auction 232336, Lot 61367.
Die indischen Kolonialmünzen fußten auf dem Währungssystem, das im Mogulreich existierte und das die Britische Ostindien-Kompanie weiterentwickelt hatte. Nach dem Übergang von deren Rechten an die britische Krone im Jahre 1858 wurde ein Übergang zum Goldstandard analog der Verhältnisse im Mutterland erwogen. Die traditionelle Silberwährung war aber nicht zu erschüttern, auch nicht durch den Wertverfall des Silbers nach 1870:
„Die jahrzehntelang verwendete Wertseite der Rupie mit einem Kranz, der den Nennwert, die Landesbezeichnung und das Datum umgibt, geht auf William Wyon zurück, den langjährigen Chefgraveur der britischen Münzstätte im 19. Jahrhundert. Die Vorderseite der Münze war im Laufe der Zeit jedoch vielen Modifikationen ausgesetzt.“ (3)
Die ersten Ausgaben trugen das Porträt von Königin Viktoria, der späteren Kaiserin von Indien. Die letzten erschienen kurz vor der Unabhängigkeit.
45 Piastres (Zypern, 1928, 925er Silber, 28,3 Gramm, 38 mm) - Bildquelle: Stacks Bowers Galleries, The October 2022 World Collectors Choice Auction, Lot 70465.
Zypern stand über Jahrhunderte hinweg unter Fremdherrschaft, im Mittelalter zunächst unter französischer, dann venezianischer und später osmanischer. Nach dem Russisch-Türkischen Krieg blieb die Insel ab 1878 zwar unter türkischer Oberhoheit, erhielt aber eine britische Verwaltung:
„Die verworrenen türkischen Münzverhältnisse, die man vorfand, wurden dadurch saniert, dass man zwar das englische Pfund einführte, den türkischen Piaster aber zur Unterteilung dergestalt beibehielt, dass 180 Piaster dem Pfund gleichgestellt wurden.“ (4)
Der Shilling war ein silbernes Neun-Piaster-Stück. Größte Münze war ein 18-Piaster-Stück, dessen Wert einem Florin entsprach. Im Zuge des Ersten Weltkrieges annektierten die Briten die Insel auch formell und legten ihr im Mai 1925 den Status einer Kronkolonie bei. Zum 50. Jahrestag der britischen Herrschaft kam ein attraktives 45-Piastres-Stück mit zwei Leoparden als Staatswappenbild heraus.
Crown (Australien, 1937, 925er Silber, 28,3 Gramm, 38 mm) – Bildquelle: MA-Shops, Podlaski Gabinet Numizmatyczny.
Die ersten Ankömmlinge in Australien waren 1788 vor allem Sträflinge, Soldaten und Seeleute mit wenig englischem Geld in den Taschen. Die Siedlungskolonie wurde zunächst ersatzweise mit spanischen Pesos beliefert, später mit Geld nach britischem Vorbild ausgestattet. Mit der Gründung des Staates Australien im Jahre 1901 kam die Schaffung eines eigenen Währungssystems auf die Tagesordnung, das an das britische angelehnt war. Während die ab 1910 erschienenen Silber- und Bronzemünzen ein eigenes Gepräge erhielten, blieben die mit den australischen Münzzeichen geprägten Goldmünzen (Sovereigns) jedoch unverändert. Seit 1931 Mitglied des Commonwealth of Nations, kam sechs Jahre später erstmals eine silberne Crown mit dem Porträt von König George VI. heraus. Im Februar 1966 wurde die Währung auf den australischen Dollar umgestellt. Das Porträt des Monarchen ziert jedoch bis heute die australischen Münzen.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
David K. Fieldhouse: Weltbild Weltgeschichte, Band 29 – Das Kolonialreich seit dem 18. Jahrhundert; Augsburg 1998, S. 215.
A. B. Keith: Speeches and Documents on the British Dominions, 1918-1931; London 1948, S. 161.
Dietmar Kreutzer: Indiens Münzen , Teil 2; in: MünzenRevue, Heft 4/2023, S. 126.
Herbert Rittmann: Moderne Münzen; München 1974, S. 140.
Commenti