Bei Restaurierungsarbeiten an einem Grabmal in der St. Andreaskirche zu Eisleben (Sachsen-Anhalt) wurden vier alte Lederbeutel mit insgesamt 846 Münzen aus dem 14. bis 17. Jahrhundert entdeckt. Unbekannte hatten den Schatz wohl während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) an versteckter Stelle in der Skulptur aus Stein vor plündernden Soldaten verborgen. Nach Abwendung der Gefahr kamen sie nicht mehr dazu, das bedeutende Vermögen zu bergen. Für Restaurator Peter Schöne war die Entdeckung eine große Überraschung und wunderbarer Lohn für seine Mühen um das Grabmal, das wie die Kirche und die Lutherstadt Eisleben vom Reichtum der mit Kupferschieferbergbau befassten Grafschaft Mansfeld erzählt. Zwischen 1636 und 1644 waren schwedische Truppen mehrfach plündernd und brandschatzend durch die Gegend gezogen und bedrohten auch die Bewohner von Eisleben, die mehrere Stadtbrände und Pestepidemien sowie wirtschaftlichen Niedergang nach der Angliederung an Kursachsen in der Zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu verkraften hatten.
Sankt Andreas in Eisleben
Bildquelle: Wikimedia, Michael (Halle)
Die Münzen wurden jetzt als Dauerleihgabe an die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt übergeben. Zunächst wird der Schatz im Münzkabinett auf der Moritzburg in Halle an der Saale wissenschaftlich bestimmt und soll später auch im Internet dokumentiert werden. Sammlungsleiter Ulf Dräger bezeichnete den Schatz als höchst bedeutendes historisches Zeugnis für Eisleben und Sachsen-Anhalt. Dergleichen sei noch nie an einem solch ungewöhnlichen Ort entdeckt worden. Der aus sehr gut erhaltenen Silber- und einigen Goldmünzen veranschauliche die Kirchen- und Geldgeschichte des 17. Jahrhunderts in einer bisher nicht gekannten Weise. Dräger hofft, durch Archivstudien und auch mit Hilfe von Heimatforschern herauszubekommen, wer hinter dem auf einem Zettel notierten Namen steht und warum sich diese Person ein adliges Grabmal als Versteck und nicht wie üblich das Fundament eines Hauses, ein Loch in einer Mauer oder einen markanten Baum ausgesucht hat.
Fundort Epitaph
Bildquelle: Meine Kirchenzeitung
Der Münzfund von Eisleben ist im Landesmünzkabinett Sachsen-Anhalt gut aufgehoben. Das Kabinett entstand 1950 als Universalsammlung mit mit dem Schwerpunkt Stadtgeschichte, ist aber längst darüber hinausgewachsen. Heute umfasst es rund 50.000 Münzen und Medaillen sowie 60.000 Geldscheine aus allen Epochen und verschiedensten Kulturen. Der Schwerpunkte der Sammlung liegt beim Mittelalter und der Neuzeit und umfasst vor allem Prägungen der mitteldeutschen Länder, insbesondere des heutigen Sachsen-Anhalts. Ulf Dräger verweist auf fast tausend Jahre Münzprägung in der Region und mehr als 150 Schmieden, in denen das Geld geschlagen wurde. Eingeschlossen in dieser erstaunlich großen Zahl ist die Moritzburg in Halle an der Saale, die zwischen 1582 und 1641 und von 1669 bis 1680 zwei Münzstätten hatte. Über diese Münzen und Medaillen hinaus besitzt die Sammlung Geldzeichen aus der ganzen Welt, darunter auch bedeutende Serien indischer und osmanischer Gepräge und eine der umfangreichsten Sammlungen chinesischen Geldes in Europa. Überregionalen Rang hat das Münzkabinett wegen seines großen Bestandes an modernen Medaillen, die von bekannten, oft auch in Halle tätigen gewesenen oder noch tätigen Künstlern gestaltet wurden.
In der 1694 vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. gegründeten Universität in Halle an der Saale erlebte die wissenschaftliche Numismatik Anfang des 18. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Ein 1738 von dem Mediziner, Chemiker und Münzkundler Johann Heinrich Schulze gehaltenes Münzkolleg gilt als erste numismatische Vorlesung. Er entdeckte die Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen und ebnete so der sich später entwickelnden Fotografie den Weg. Der Professor machte seine Studenten mit der Deutung und Untersuchung der alten Welt mithilfe von Münzen „recht angenehm und leicht“, wie es damals hieß, und schilderte, warum die Gepräge als Geschichtsquellen bedeutsam sind und wie man ihnen Informationen über das Leben und Denken untergegangener Völker entlocken kann. Die Münzsammlung der Martin-Luther-Universität geht auf diesen bedeutenden Gelehrten und Schüler von August Hermann Francke zurück.
Münzbeutel und Zettel
Bildquelle: mdr-Fernsehen, Repro Caspar
Einer der frühen Vertreter der Numismatik in Deutschland, die sich auch mit den Münzen des Mittelalters und der engeren Heimat befasste, war der an der Universität Halle an der Saale lehrende preußische Jurist und Oberheroldsrat Johann Peter von Ludewig. In seinem Buch „Einleitung Zu dem teutschen Müntzwesen Mittlerer Zeiten“ (1709) beklagte er, man wisse zwar viel über römische Münzen, habe aber von vaterländischen Pfennigen nur wenig Ahnung. Indem der Professor und Archivar in seinem Buch einen gerade erst ausgegrabenen Fund „Hällischer und Mageburgischer fünfhundert jähriger Brakteatorum“ vorstellt, plädiert er dafür, die Öffentlichkeit besser über die Bedeutung dieser und anderer mittelalterlicher Münzen aufzuklären und für ihren Erhalt zu sorgen.
Ludewig appellierte auch in eigenem Interesse an seine Mitmenschen, denn erst kürzlich sei er bei der Sicherstellung eines Schatzfundes, der in Göhritz (im heutigen Landkreis Merseburg-Querfurt) entdeckt wurde, zu spät gekommen. Von den über 600 Brakteaten seien ihm nur 30 Stück geblieben. Seiner Enttäuschung gab Ludewig mit dem Wunsch Ausdruck, man möge die Wissenschaft von den Münzen unter Bürgern und Bauern mehr bekannt machen, „damit dergleichen Sachen für dem Schmeltztiegel künfftig sicher seyn und besser auffgehoben werden mögen; teils endlich / weil ich wüntsche / daß meine Begierde / dergleichen Müntzen einzuhandeln andern kunt werden möchte / damit / wann das Glücke iemand wieder treffen sollte / er ehender zu mir / als Goldschmieden und Juden käme.“ Ludewig verband seinen Appell mit der Versicherung, er werde keinen „Ausfünder / Schatzgräber oder Verkauffer“ verraten, sondern ihnen für die Überlassung der Funde das Dreifache dessen zahlen, was andere zu zahlen bereit sind. Ähnliche Aufrufe sind aus dem Berliner Münzkabinett überliefert, das seit dem 19. Jahrhundert systematisch auch Schatzfunde und Einzelstücke aus archäologischen Grabungen von Münzhändlern und Sammlern angekauft hat.
Taler des Kurfürsten August von Sachsen und des
Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel
Fotos: Caspar
Die Martin-Luther-Universität hat seit jeher zur Münzkunde und Medaille enge Beziehungen und besitzt mit ihrer aus dem 18. Jahrhundert stammenden und im „Robertinum“ untergebrachten Münzsammlung einen stattlichen Fundus, der zu Lehr- und Forschungszwecken genutzt wurde und wird. Zur numismatischen Tradition der Stadt gehört die Münzhandlung Riechmann, die im frühen 20. Jahrhundert im eigenen Verlag noch heute wichtige und gesuchte Zeitschriften, Kataloge und Monographien herausbrachte. Unter ihnen sind Bücher und Kataloge von Richard Gaettens, der 1912 Teilhaber der Münzhandlung seines Freundes Albert Riechmann in Halle wurde.
Helmut Caspar
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