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Michael Kurt Sonntag

Eine äußerst seltene Elektronhekte mit sprechendem Wappen als Münzbild

Folgt man dem Numismatiker Friedrich Bodenstedt, dann hatte die antike ionische Stadt Phokaia einen idealen Hafen, der die Stadt und ihre Bewohner zu Schifffahrt und Handel prädestinierte. „Nahezu kreisförmig mit einem Durchmesser von etwa 1,8 km umfasst die Bucht [von Phokaia] eine Fläche von rund 2,5 km². Bei einem Umfang von 5,6 km hat sie nur eine, nach Westen offene Einfahrt von etwa 800 m Breite, die ihrerseits durch einige schmale vorgelagerte Inseln von dem Wellengang der See abgeschirmt ist.“ (Friedrich Bodenstedt: Die Elektronmünzen von Phokaia und Mythilene, Tübingen 1981, S. 27). Die robbenähnliche Form dieser Inseln wiederum soll es dann nach einigen antiken Schriftstellern gewesen sein, die der Stadt ihren Namen gab, denn Robbe heißt auf Griechisch „Phoke“.

Zwischen 521 und 326 v. Chr. prägten das ionische Phokaia und das lesbische Mytilene eine Unmenge an Elektronhekten (1/6 Statere aus Elektron) für den Fernhandel beider Poleis im nord- und ostägäischen Raum. Einem Münzvertrag zufolge, der während der erwähnten Periode sowohl für Phokaia als auch für Mytilene galt, sollten beide Städte abwechselnd jedes zweite Jahr Münzen, d. h. Elektronhekten, prägen, was sie dann auch überaus erfolgreich taten. Doch in Phokaia hatte man bereits ein Jahrhundert zuvor, genauer gesagt ab 625 v. Chr. begonnen, Elektronmünzen im phokaiischen Fuß (etwa 16,5 g/Stater) zu schlagen. Zu den Elektronmünzen, die von 625 bis etwa 600 v. Chr. verausgabt wurden, gehören der ganze Stater, 1/6 Stater (Hekte), 1/12 Stater (Hemihekte), 1/24 Stater (Myshemihekte), 1/48 Stater und 1/96 Stater. All diesen Elektronmünzen gemeinsam war ein vorderseitig nach links oder rechts gewandter Greifenkopf und rückseitig ein Quadratum incusum bzw. ein vier- oder mehrfach geteiltes Quadratum incusum. Um 600 v. Chr. führte die Stadt allerdings neue Bildmotive ein. Diese zeigen vorderseitig ein sprechendes Wappen und rückseitig verschieden vertiefte Quadrate. Bei dem sprechenden Wappen, das die Münzen nun bis etwa 522 v. Chr. zierte, handelte es sich im Prinzip um die Robbe. Allerdings zeigten nicht alle Nominale eine Robbe, sondern oft auch nur einen Teil davon, d. h. eine Robbenprotome (ein Robbenvorderteil) oder einen Robbenkopf. Bei dem nachfolgend abgebildeten Münzmotiv handelt es sich also definitiv nicht um einen Hundewelpenkopf, auch wenn dies auf den ersten Blick so ausschauen mag, sondern um einen nach links gewandten Robbenkopf, der im Abschnitt geperlt ist.

Phokaia (Ionien): Hekte (600–522 v. Chr.), Elektron, 2,59 g, Ø 10 mm. [Bildquelle: Dr. Busso Peus Nachfolger, Auktion 429 (3. November 2021), Los 150].

Laut Bodenstedt sind von der [abgebildeten] Serie I, Emission 2.2, nur sechs Exemplare aus fünf Vorder- und vier Rückseitenstempeln auf uns gekommen. (Vgl. Friedrich Bodenstedt: Die Elektronmünzen von Phokaia und Mythilene, Tübingen 1981, S. 315). Überaus interessant ist, dass die Polis bis 522 v. Chr. außerdem auch noch etliche andere Vorderseitenbildmotive – z. B. Löwenkopf, Pegasosprotome, Kriegerkopf, weiblicher Kopf, Widderkopf, Stierprotome, Stierkopf, Greifenkopf, Eberkopf – auf die Elektronhekten und einige der noch kleineren Nominale aufprägte, diese jetzt aber immer von einer Miniaturrobbe (dem sprechenden Wappen der Stadt) begleiten ließ. Dabei fand sich die Robbe entweder vor, hinter, über oder unter dem Bildmotiv. In einigen Fällen ist sie nicht zu sehen, da sie wegen einer zu knappen Münzronde außerhalb des Schrötlings lag.

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