Im September 1813 war der Altertumsforscher Otto Magnus von Stackelberg aus Athen abgereist. Kurz danach geriet er in die Hand von Piraten. Frühmorgens kam der Kapitän seines Schiffes ängstlich in seine Kajüte geschlichen und flüsterte ihm zu: „Wir sind in der Gewalt der Albaner!“ (Otto Magnus von Stackelberg: In der Gefangenschaft der Piraten, In: Entdeckungen in Hellas, Berlin 1979, S. 153). Die verzerrten Gesichter der Räuber, ihre durch Rauch geschwärzten und mit Fett und Blut beschmierten Kleider jagten dem Freiherrn einen gehörigen Schreck ein. Fünfzehn Piraten, alles Albaner mohammedanischen Glaubens, nahmen Stackelberg gefangen. In einem Brief teilte ihr Hauptmann dem Konsul in Athen mit, dass der Körper des Gefangenen in Stücke zerrissen werde, wenn nicht innerhalb von zehn Tagen das geforderte Lösegeld einträfe: „Achtzehntausend Piaster war die Schätzung meiner Person. Sie zwangen mich, auch an meine Freunde zu schreiben, um ihnen diese Forderung mitzuteilen.“ (Ebenda, S. 155). Sollte die Summe nicht rechtzeitig eintreffen, so forderten einige Heißsporne, solle der Freiherr unverzüglich aufgeknüpft werden. Sie öffneten die Koffer des Reisenden, in welchen sich auch eine Sammlung antiker Münzen befand, und verteilten den Inhalt. Das Beutegut verbarg die wilde Horde in einem Felsenversteck vor der thessalischen Küste: „Mit lächelnder Gier zeigte der Hauptmann einen verschimmelten Kessel voller spanischer Taler, welche mit Öl eingeschmiert waren, um sie vor Rost zu sichern. Indem er die mir geraubten Münzen, auch gut eingeölt, hinzufügte, überzählte er seine Schätze nochmals mit großer Genugtuung.“ (Ebenda, S. 159). Während der nächsten Tage klagte der Räuberhauptmann über sein hartes Gewerbe. Reich werde man davon keineswegs. Dem Landesherrn Ali Pascha habe er bedeutende, vorherbestimmte Summen auszuzahlen.
Albanien war damals eine Provinz des Osmanischen Reiches. Statthalter war Ali Pascha, ein einstiger Räuberhauptmann, der es vom südalbanischen Tepelena bis an die Spitze der griechisch-albanischen Provinzen geschafft hatte. Währungseinheit war der Piaster. Die verlustreichen Kriege der Osmanen hatten den Wert der Hauptsilbermünze jedoch drastisch fallen lassen: „Der Piaster, die wichtigste einheimische Sorte, hatte 1687 ein Raugewicht von 19,24 Gramm, wurde 1719 auf rund 26 Gramm erhöht (und sollte offenbar den europäischen Talern gleichgestellt werden), sank dann aber ab 1769 wieder auf 19 Gramm und verschlechterte sich dann so, dass er 1810 noch ein Raugewicht von 4,65 Gramm bei einer Feinheit von 486/1000 hatte. Der Piaster war in 40 Para geteilt, deren Nominale sich im gleichen Maß verringerten und im 19. Jahrhundert zu Kupfermünzen wurden.“ (Herbert Rittmann: Moderne Münzen, München 1974, S. 287). Der Verfall der Währung setzte sich fort, so dass eine Gesamtbilanz bis zum Jahr 1833 geradezu niederschmetternd ausfällt: „Der Silbergehalt des osmanischen Piasters sank dramatisch von 17,67 Gramm im frühen 18. Jahrhundert auf ganze 0,54 Gramm, was einem Wertverlust von fast 97 Prozent in etwas mehr al einem Jahrhundert entsprach. Der größte Teil der Entwertung fand in der Regierungszeit von Mahmud II. statt. Zwischen 1808 und 1833 sank der Silbergehalt des Piasters von 5,9 auf 0,54 Gramm.“ (Edhem Eldem: Chaos and Half Measures, Athen 2011, S. 258). Insgesamt 72mal war in der Regierungszeit von Mahmud II. die Währung abgewertet worden. Zur Zeit der geschilderten Ereignisse wurde das Gewicht eines in Hammerprägung hergestellten Piasters gerade drastisch reduziert. Der Silbergehalt lag bereits unter 500/1000. Der Durchmesser unterschritt die 36 Millimeter.
Als ein Bote der Räuber die Antwort des Konsuls aus Athen überbrachte, gerieten die Piraten in Wut. Nur 4.000 Piaster war dem Diplomaten das Leben ihres Opfers wert! Da tauchte überraschend Freiherr von Haller auf, ein Freund des Gefangenen. Mit großem Geschick verhandelte der mit dem Räuberhauptmann: „Ich bin nur gekommen, einen Diener zu befreien, der meinem Freunde gehört. Da ich ihn aber in einem so traurigen Zustande wiederfinde, kann von Lösegeld kaum noch die Rege sein. 10.000 Piaster will ich indes daran wenden, um einem Christen das Leben zu retten. Seid ihr es zufrieden, so bringe ich euch das Geld, wo nicht, so mögt ihr euren Gefangenen behalten und mit ihm machen, was ihr wollt.“ (Ebenda, S. 165). Nach langwierigem Streit gingen die Piraten auf das Angebot ein. Nun musste nur noch die Übergabe des Lösegeldes organisiert werden: „Keiner Gefahr achtend, nur des Freundes gedenkend, packte Haller die Geldsäcke auf ein Maultier und folgte den unheimlichen Gesellen.“ (Ebenda, S. 168). Auf dem steilen Pass zum Quartier der Banditen kam das Tier jedoch bald nicht mehr voran: „Der hochherzige Haller musste die Geldsäcke selbst tragen und mit der schweren Last zu Höhle hinabklimmen.“ (Ebenda). Als das Lösegeld übergeben war, kam Stackelberg frei. Nach einer Extrazahlung gelang es ihm sogar, seine Sammlung antiker Münzen zurück zu bekommen. Der junge Freiherr war ausgezehrt und von Krankheiten geschwächt. Von Haller gestützt, versuchte er mit unsicheren Schritten die „goldene Freiheit“ zu erreichen. Mit letzter Kraft nach Athen gekommen, folgte ein langes Krankenlager. Im Mai 1814 konnte Otto Magnus von Stackelberg endlich die Heimreise nach Deutschland antreten.
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