Als am 14. August 81 Titus Flavius Domitianus vom römischen Senat den Augustus-Titel übertragen bekam, wurde einem Mann die Herrschaft über das römische Imperium übergeben, der im Gegensatz zu seinem Vater Vespasian und zu seinem Bruder Titus, die unbestreitbar beide über reichlichst militärische Erfahrung verfügt hatten, militärisch gesehen ein „no name“ war. Daher war es eines der dringlichsten politischen Ziele des neuen Kaisers, sich auf dem Gebiet der Kriegsführung auszuzeichnen. Und wie es dem Charakter Domitians entsprach, wollte er diesbezüglich nicht nur seinem Vater und seinem Bruder gleichkommen, sondern beide weit übertreffen! Daher kam es Domitian ganz gelegen, dass von den germanischen Chatten, die jenseits des Rheins ungefähr im Gebiet des heutigen Hessen siedelten, eine gewisse Unruhe ausging, die auf einen baldigen Kriegszug der Chatten gegen die römische Rheingrenze schließen ließ. Dies war deshalb besorgniserregend, da die Chatten zu dem Zeitpunkt einer der stärksten germanischen Stammesverbände waren, die zudem über enormes miltärisches Know-how verfügten. Wohl im Frühjahr 83 brach Domitian von Rom auf und begab sich, unter dem Vorwand, in Gallien einen Zensus abzuhalten, nach Norden. Noch im Frühjahr 83 begann der Präventivfeldzug gegen die Germanen, wohl unter dem persönlichen Kommando Domitians. Über den genauen Verlauf und das Ende dieses Feldzuges sind wir nur rudimentär informiert, was hauptsächlich an der schlechten Quellenlage liegt. Da sich die Chatten vor der römischen Armee immer weiter in unzugängliche Waldgebiete zurückzogen, schlugen die Rö-mer breite Schneisen, sogenannte „limites“, durch die Wälder. Diese Taktik führte letztendlich zum Erfolg, d. h. zum Sieg über die Chatten.
Abb. 1 D, 85, Rom, RIC II-12 Nr. 326
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Noch im Jahr 83 feierte Domitian einen Triumph über die Chatten und er nahm den Titel „Germanicus“ (Sieger über die Germanen) an. Diese Titulatur blieb Teil des offiziellen Na-mens Domitians bis zu seiner Ermordung im Jahr 96. Während in der Münzprägung Domitians der Germanensieg im Jahr 84 nur gelegentlich thematisiert wird, beginnt Anfang 85 eine beispiellose Serie von Prägungen, die den Sieg über die Germanen - genau genommen über die Chatten - zum Thema haben. Die Aussageabsicht dieser umfassenden Prägetätigkeit war, Domitian als erfolgreichen Feldherrn hinzustellen, der das geschafft hat, was allen seinen Vorgängern nicht gelungen war, nämlich „Germanien“ zu unterwerfen. Bereits im Jahr 84 findet sich auf stadtrömischen Edelmetallprägungen das Bild der auf einem Schild sitzenden Germania, wie es auch der Denar (Abb. 1) und der Aureus (Abb. 2) zeigen.
Auf der Vorderseite des Denars (Abb. 1) sehen wir den nach rechts gerichteten Kopf Domitians mit Lorbeerkranz. Vorne am Halsansatz ist deutlich das Gorgoneion mit den Schlan-genprotomen der Aigis zu sehen. Beim Domitianporträt fallen das vorspringende Kinn, die Hakennase, die sich durch einen tiefen Knick von der glatten Stirn absetzt, und das tiefliegende Auge auf. Die Averslegende „IMP CAES DOMIT AVG GERM P M TR P IIII“ (Imperator Caesar Domitianus Augustus Germanicus Pontifex Maximus Tribunicia Potestas IIII) nennt auch den Siegertitel Germanicus, den vor Domitian als Kaiser nur noch Vitellius seit seiner Erhebung zum Augustus getragen hat. Durch die Angaben der Reversumschrift „IMP VIIII COS XI CENSORIA POTESTAT P P (Imperator VIIII Consul XI Censoria Potestate Pater Patriae - ..... mit der Amtsgewalt des Censors, Vater des Vaterlandes) wird die Münze ins Jahr 85 datiert. Das Münzbild zeigt die trauernde Germania, die Personifikation Germaniens. Diese ist mit einer langen Hose bekleidet, der Oberkörper ist unbedeckt. Germania sitzt nach rechts gerichtet auf einem sechseckigen Schild, dessen Schildbuckel deutlich sichtbar dargestellt ist. In Ansätzen ist auch eine Verzierung der Schildoberfläche erkennbar. Auf dem Schild liegt ein zerbrochener Speer als Symbol der Niederlage. Germania stützt sich mit ihrer rechten Hand auf dem Schild ab, der Ellbogen des linken Armes liegt auf dem leicht angewinkelten Knie des linken Fußes, um mit der linken Hand dem Kinn eine Stütze zu geben. Durch die Sitzposition wirkt Germania erschöpft, müde und traurig über die Niederlage, die im Bild durch das Schild und den unbrauchbaren Speer ausgedrückt werden.
Abb. 2 AV, 88, Rom, RIC II-12 Nr. 560
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Das gleiche Rückseitenbild wie auf dem eben besprochenen Denar findet sich auch auf dem Aureus (Abb. 2). Jetzt ist die Darstellung der Germania noch deutlicher. Sehr schön zu sehen ist die palmettenartige Verzierung des Schildes. Der zerbrochene Speer liegt nun vor dem Schild, was aber de facto unter dem Schild liegend bedeuten soll. Dieses Bild der trauernden Germania erscheint auf Edelmetallprägungen Domitians bis zu dessen Tod im Jahre 96. Die Reverslegende „GERMANICVS COS XIIII“ datiert zum einen den Aureus in das Jahr 88, zum anderen wird durch den Titel „Germanicus“ der direkte Bezug zum Münzbild hergestellt. Beim Domitianporträt der Vorderseite sind die oben beschriebenen Gesichtszüge noch markanter herausgearbeitet, am Halsansatz wird auf die Aigis verzichtet. Die Legende „DOMITIANVS AVGVSTVS“ ist kurz und prägnant.
Ab dem Jahr 85 werden in der Münzstätte Rom eine Reihe von Sesterzen (Abb. 3) mit der Rückseitenumschrift „GERMANIA CAPTA“ (Germanien ist erobert) geprägt. Diese Legende nimmt direkten Bezug zum Rückseitenbild: Dieses zeigt eine mehrfigurige Darstellung. In der Mitte ist ein Tropaeum, ein Siegesmal, abgebildet. Auf einem Baumstamm mit gedrehtem Stammholz sind Rüstungsteile der Besiegten angebracht. Links und rechts, quasi an den „Armen“ sehen wir jeweils ein germanisches Schild, erkennbar an der sechseckigen Form. Hinter den Schilden befinden sich, zwar nur angedeutet, jeweils zwei gekreuzte Speere. Zwischen den Schilden hängt ein tunikaartiges Obergewand. Bekrönt wird das Siegesmal von einem gehörnten Helm. Auf der linken Seite des Tropaeums sitzt eine Frau nach links gewandt in ähnlicher Pose wie die trauernde Germania auf den vorherigen Münzen. Die Frau stützt ihr Kinn auf ihre rechte Hand, die linke Hand liegt auf dem rechten Knie. Bekleidet ist die Frau mit einem langen Rock, der Oberkörper scheint wiederum unbekleidet zu sein. Unter der Frau liegen zwei gekreuzte germanische Schilde. In der Literatur wird diese Frau entweder als gefangene Germanin oder aber als Germania beschrieben. Rechts neben dem Siegeszeichen steht in leichter Schrittstellung ein nach rechts gewandter, gefangener Germane; denn seine Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Der Gefangene ist mit einem langen, bis zu den Knien herab reichenden Mantel bekleidet, der auf der rechten Schulter des Germanen wohl mit einer Fibel zusammengehalten wird. Seinen Kopf hat der Gefangene in Richtung Tropaeum bzw. in Richtung der am Boden sitzenden Germanin gedreht. Rechts vor dem Germanen liegen sein Helm und sein Schild. Die „GERMANIA CAPTA“-Prägungen Domitians nehmen hinsichtlich Bildmotiv und Legende starken Anklang an die „IVDAEA CAPTA“-Münzen des Vespasian und des Titus. Wir sehen auch hier wieder das Herausstellen der militärischen Fähigkeiten Domitians sowie seiner Sieghaftigkeit.
Abb. 3 S, 85, Rom, RIC II-12 Nr. 391
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Auf dem Avers ist der nach rechts gerichtete Kopf Domitians mit Lorbeerkranz abgebildet. Am rechten unteren Ende des Halses sehen wir wieder die Aigis, die hier wie bei allen anderen Münzbeispielen in Anlehnung an die Aigis Alexanders des Großen auf die militärischen Tugenden Domitians verweisen soll. Die Averslegende „IMP CAES DOMIT AVG GERM COS XI CENS POT P P“ (Imperator Caesar Domitianus Augustus Germanicus Consul XI Censoria Potestate Pater Patriae) ist diesmal sehr ausführlich und datiert den Sesterz ins Jahr 85.
Abb. 4 As, 85, Rom, RIC II-12 Nr. 389
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Die Averslegende des As (Abb. 4) ist mit der des vorherigen Sesterz identisch. Auch das Münzporträt unterscheidet sich von den vorhergehenden kaum. Neu ist jetzt die Anordnung der Haarsträhnen über der Stirn. Die sichelförmigen Locken, die die Stirn wie ein Kranz umgeben, ähneln der Frisur, die wir von Nero während der zweiten Phase seiner Herrschaft kennen und die der römische Historiker Sueton als „coma semper in gradus formata“ (Das Haar ist immer stufenweise angeordnet) bezeichnete. Auf der Münzrückseite ist Victoria, die Siegesgöttin, abgebildet. Die mit einem peplosartigen Gewand bekleidete Victoria steht leicht nach links hin. In ihrem linken Arm hält sie einen Palmzweig als Zeichen des Sieges. Mit ihrer erhobenen rechten Hand schreibt sie auf ein Schild des Tropaeums, das links neben ihr errichtet ist. Das Siegesmal ähnelt dem auf der vorherigen Münze: auf einem knorrigen Baumstamm sind wieder zwei germanische Schilde, das tunikaartige Gewand und der Helm dargestellt. Passend dazu ist die im Dativ gehaltene Legende „VICTORIAE AVGVSTI“ (für die Victoria/Sieghaftigkeit des Kaisers). Links und rechts finden sich die für Aes-Nominale üblichen Buchstaben SC. Man fragt sich jetzt natürlich, was Victoria auf das Schild schreibt. Die Antwort auf diese Frage gibt unsere nächste Münze (Abb. 5), ein Sesterz, ebenfalls aus dem Jahr 85.
Abb. 5 S, 85, Rom, RIC II-12 Nr. 285
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Wieder sehen wir ein Bild der Victoria, die jetzt mit einem dünnen, chitonartigen Gewand bekleidet ist, das im Hüftbereich reiche Falten wirft. Victoria steht nach rechts gerichtet, ihr linker Fuß steht auf einem am Boden liegenden Helm. Die Siegesgöttin beschreibt wiederum ein Schild, jetzt allerdings ein Rundschild. Deutlich sind die Buchstaben zu erkennen: VIC(toria) GER(manis) - der Sieg über die Germanen. Der Rundschild hängt an einem Tropaeum, das aus einer Mischung von Palme und Siegeszeichen besteht. Der Baumstamm ist sicherlich der einer Palme, und auch oben sind Palmwedel zu erkennen. Rechts neben dem Baumstamm sitzt auf einem Schild nach rechts hin eine Figur, deren Haltung der der trauernden Germania so ähnlich ist, dass man hierin die Personifikation Germaniens sehen darf. Zumal auch die Inschrift auf dem Schild in diese Richtung weist. Beiderseits des Münzbildes sind die Buchstaben SC zu lesen. ansonsten gibt es keine weitere Legende. Die ein Schild beschreibende Victoria ist ein auch in der Rundplastik gängiger Victoria-Typus, dessen eindrucksvollster Vertreter die bronzene Victoria von Brescia ist. Es bleibt noch die Frage zu klären, warum hier eine Palme abgebildet ist. Die bereits erwähnten „IVDAEA CAPTA“ - Prägungen des Vespasian und des Titus zeigen in der Mitte des Rückseitenbildes meist eine Palme und daneben die Personifikation von Judäa in einer ähnlichen Haltung wie Germania. Zudem gibt es unter Vespasian einen Sesterz (RIC II-12 Nr. 221) aus dem Jahr 71, der nahezu das gleiche Rückseitenbild hat wie unser Sesterz. Nur hängt bei dem vespasianischen Sesterz das Rundschild an einer wirklichen Palme, und Victoria schreibt auf das Schild „OB CIV SERV“ (ob cives servatos - wegen der Rettung der Bürger). Die Münzvorderseite bietet hinsichtlich Porträt und Umschrift nichts Neues.
Die hier gezeigten Münzbeispiele zeigen eindrucksvoll, wie Domitian bzw. die für die Münzprägung Verantwortlichen den Sieg über die Chatten in vielfältiger Weise auf den Münzen darstellen und damit die militärischen Fähigkeiten des Kaisers und seine Sieghaftigkeit herausstellen.
Horst Herzog
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