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Horst Herzog

Domitia Longina-Augusta von Domitian bis Hadrian

Als der noch nicht zwanzigjährige Domitian die nahezu gleichaltrige Domitia Longina (Abb. 1) erblickte, war er von ihr so hingerissen, dass er ihren Ehemann zwang, sich scheiden zu lassen, und sie kurz nach der Scheidung im Jahr 70 heiratete. Wer war diese Frau, die in ihrem langen Leben viele Kaiser kommen und „gehen“ sah, und wie wird sie in der zeitgenössischen Münzprägung präsentiert?


Abb. 1 Kopf der Domitia Longina, Marmor, H: 30,5 cm, National Museum Warschau

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rome_Domitia_Longina_01.jpg


Domitia Longina wurde an einem 11. Februar zwischen dem Jahr 50 und 55 geboren. IhrVater, Cn. Domitius Corbulo, war ein erfolgreicher General unter Nero. Allerdings war sein Erfolg und seine daraus resultierende Berühmtheit so groß, dass er Anfang 67 von Nero zum Selbstmord gezwungen wurde.

Die Mutter von Domitia Longina war Cassia Longina. Mütterlicherseits war Domitia Longina eine direkte Nachkommin des Augustus, eine Halbschwester ihres Vaters, Milona Caesonia, war zudem die vierte und letzte Ehefrau des Kaisers Caligula. Domitia Longina entstammte also nicht nur einem altehrwürdigen

römischen Adelsgeschlecht, sondern sie war auch eine der letzten Vertreterinnen der iulisch-claudischen Dynastie.


Während der letzten Regierungsjahre Neros fielen mindestens zehn Mitglieder aus dem engeren Familienkreis Domitias dem Wüten dieses Kaisers zum Opfer. Als Vierzehnjährige wurde Domitia mit Lucius Aelius Plautius Lamia Aelianus verlobt, den sie dann auch kurz vor dem Jahr 70 heiratete.

Dann kam es zu der eingangs geschilderten Episode. Domitian war zu dem Zeitpunkt Caesar und „princeps iuventutis“. Der amtierende Kaiser Vespasian sah die Verbindung Domitians mit Domitia mit Wohlwollen, konnte man doch durch diese Verbindung zum einen an die iulisch-claudische Dynastie anknüpfen, zum anderen gewann man auch die noch immer zahlreiche Klientel des Corbulo für sich.


Abb. 2 A, 82/83, Rom, RIC II-12 Nr. 148

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18200608


Der Aureus Abb. 2 wurde in den Anfangsjahren der Regierung Domitians, wohl um 82/83, in Rom geprägt. Er zeigt auf seiner Vorderseite den nach rechts gerichteten Kopf des Domitian mit Lorbeerkranz. Domitian ist an den Gesichtszügen des Münzporträts und insbesondere der Lockenbildung über der Stirn zu erkennen. Die Umschrift "IMP CAES DOMITIANVS AVG PM" (Imperator Caesar Domitianus Augustus Pontifex Maximus), die im Gegenuhrzeigersinn verläuft, bietet kein genaues Datierungsmerkmal. Auf der Rückseite sehen wir die nach rechts gerichtete, drapierte Büste der Domitia. Ihr Münzporträt wie auch ihre rundplastischen Bildnisse (Abb. 1) werden dominiert von der „flavischen“ Frisur mit ihrem übermächtigen Lockenkranz, der wie eine Krone das gesamte Gesicht umgibt. Die Bildung dieses Lockenkranzes ist nicht ganz klar, möglicherweise handelte es sich hierbei um ein Perückenteil.

Die „restlichen“ Haare verlaufen, zu Zöpfen zusammengefasst, in Richtung Nacken, wo sie eine große Schlaufe bilden. Betrachtet man das Gesicht der Domitia, so fällt auf, dass der Stempelschneider sich bei ihrer Gesichtsbildung derjenigen des Domitian angepasst hat. Die Form des Kinns, des Mundes mit der vorragenden Oberlippe, die „Adlernase“ und die Wölbung der Stirn sind sich bei beiden Münzporträts

sehr ähnlich. Diese Ähnlichkeit wird naturgemäß durch den nahezu identischen Namen noch verstärkt. Auffallend ist bei dem Rückseitenbild der Domitia zudem, dass am Hals deutlich ein Adamsapfel dargestellt ist. Die Reverslegende "DOMITIA AVGVSTA IMP DOMIT" (Domitia Augusta Imperatoris Domitiani - die Kaiserin Domitia [Gattin] des Imperators Domitian) zeigt, dass Domitia bereits den Augusta-Titel trägt. Dieser wurde ihr bereits im September 81 verliehen, und sie sollte diesen Titel über vierzig Jahre bis zu ihrem Tod im ersten Jahrzehnt der hadrianischen Herrschaft tragen! Wie auf dem Avers, so verläuft die Reversumschrift von links nach rechts.


Abb. 3 A, 82/83, Rom, RIC II-12 Nr. 152

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18201656


Bereits im Jahr 73 wurde dem jungen Paar ein Sohn geboren, dessen Name uns nicht überliefert ist. Dieser ist noch vor dem 28. August 83 verstorben und wurde zum Divus erhoben. Auf diese Deifikation bezieht sich eine Münzserie von Aurei und Denare aus den Jahren 82 und 83, aus der unser Aureus

Abb. 3 stammt. Auf der Vorderseite sehen wir wieder die nach rechts gerichtete, drapierte Büste der Domitia. Die Anlage der Frisur und die Gesichtskontur entsprechen weitgehend derjenigen auf dem vorhergehenden Aureus. Auffallend sind nach wie vor das vorspringende Kinn, der kleine Mund und die „Adlernase“. Im Vergleich zum vorhergehenden Münzporträt ist jetzt das Gesicht insgesamt wesentlich fülliger. Die Aversumschrift entspricht der Reverslegende des Aureus Abb. 2. Das Reversbild unseres Aureus ist völlig neu in der römischen Münzprägung. Dargestellt in Bildmitte ist ein nackter Knabe, der auf einer Kugel sitzt. Diese ist von zwei breiten Bändern umgeben. Der Knabe hat seine Arme weit ausgebreitet. Das zentrale Bild wird von sieben Sternen umgeben. Wie die Umschrift "DIVVS CAESAR IMP DOMITIANI F" (Divus Caesar Imperatoris Domitiani Filius - der vergöttlichte Caesar, Sohn des Imperators Domitian) deutlich belegt, handelt es sich bei dem nackten Knaben um den divinisierten Sohn

von Domitia und Domitian. Dieser sitzt auf einem Globus, in dem viele eine Darstellung der Erde sehen möchten. In den sieben Sternen kann man allgemein den Sternenhimmel sehen, zu dem der göttliche Caesar erhoben wurde, es gibt aber auch die Meinung, dass diese sieben Sterne das Sternbild des „Großen Bären“ darstellen und der Knabe sinnbildlich für Arcturus, den hell leuchtenden Hauptstern im „Bärenhüter“ steht. Somit wären, wenn man die Deifikation ernst nimmt, Domitia die Mutter und Domitian der Vater eines „Gottes“.


Abb. 4 D, 82/83, Rom, RIC II-12 Nr. 156

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18233250


Auch das Rückseitenbild des Denars Abb. 4 bezieht sich, wenn auch indirekt, auf den verstorbenen Sohn von Domitia und Domitian. Abgebildet ist eine nach links hin thronende weibliche Figur. Diese sitzt auf einem reich verzierten Thron, über dessen Sitzfläche eine Decke oder ein Tierfell liegt. Im linken Arm der Figur liegt ein langes Zepter. Die rechte Hand ist nach vorne ausgestreckt und berührt einen vor dem Thron stehenden Knaben, kenntlich an der Toga, an der Schulter. Der Knabe hat seine Rechte weit - vielleicht zum Gruß - erhoben. Durch die Umschrift "PIETAS AVGVST" (Pietas Augusta - die kaiserliche

Pflichterfüllung), die hier im Uhrzeigersinn verläuft, wird die Figur als Pietas, die Personifkation des pflichtgerechten Handelns gegenüber den Göttern und den Menschen, bezeichnet. Man könnte in dem Münzbild aber auch anstatt der Personifikation die Kaiserin Domitia sehen, die ihrem vergöttlichtem Sohn die Hand reicht.


Noch in der Anfangsphase von Domitians Herrschaft dürfte auch der Denar Abb. 5 geprägt worden sein. Wie auf unserem ersten Münzbeispiel sind der Kaiser und die Kaiserin auf Vorder- und Rückseite abgebildet. Auf dem Avers ist der nach rechts gerichtete Kopf des Domitian mit Lorbeerkranz zu sehen. Domitian, dessen Haarkappe hier sehr schematisch aufgebaut ist, trägt einen Kinnbart, bestehend aus „gepunkteten“ Locken. Die Umschrift bietet nichts Neues. Die Rückseite zeigt die nach rechts gerichtete, drapierte Büste der Domitia. Bemerkenswert ist bei diesem Münzporträt die andersartige Frisur. Zwar ist

auch hier der Lockenkranz über der Stirn vorhanden, doch ist die Gestaltung der restlichen Haare komplett anders. Diese scheinen zu einem massiven Zopf zusammengefasst zu sein, der am Hinterkopf ein großes Nest bildet. Ansonsten entsprechen die Gesichtszüge denen des Denars Abb. 4.


Abb. 5 D, 82/83, Rom, RIC II-12 Nr. 149

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18206707


Wie auch bei den vorhergehenden Münzporträts trägt Domitia eine Perlenkette um den Hals. Die im Gegenuhrzeigersinn verlaufende Legende bleibt im üblichen Rahmen.


Im Verlauf des Jahres 83 trennte sich Domitian von seiner Frau. Als Gründe hierfür werden von den römischen Historikern ein außereheliches Verhältnis der Domitia mit einem Schauspieler oder aber eine Beziehung Domitians zu Iulia, der Tochter seines Bruders Titus, angegeben. Diese Ursachen werden allerdings von der modernen Forschung stark angezweifelt, da sie einem üblichen Topos der antiken Literatur entsprechen, um einen Kaiser als „schlecht“ dastehen zu lassen. Wie dem auch sei, noch vor Ende 83 wird Domitia von ihrem Gatten wieder zurückgeholt.


Abb. 6 A, 88/89 ?, Rom, RIC II-12 Nr. 681

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18217889


Gegen Ende der achtziger Jahre wird der Aureus Abb. 6 in Rom geprägt. Auf seiner Vorderseite sehen wir die nach rechtsgerichtete drapierte Büste der Domitia. Das Porträt der Kaiserin ist gegenüber dem eingangs beschriebenen unverändert. Der Lockenkranz der Frisur und die „Adlernase“ dominieren nach wie vor. Anders als bei den früheren Münzporträts der Domitia fehlt hier die Perlenkette. Die Legende "DOMITIA AVGVSTA IMP DOMITIAN AVG GERM" (Domitia Augusta Imperatoris Domitiani Augusti Germanici - die Kaiserin Domitia [Gattin] des …..) nennt hier zusätzlich noch den Titel „Germanicus“ für

Domitian, den dieser wohl gegen Ende 83 annahm. Auf dem Revers sehen wir einen nach rechts hin schreitenden Pfau. Ein Pfau erscheint oft auf Münzen, die anlässlich der Apotheose einer Kaiserin herausgegeben werden. Dies trifft in unserem Fall jedoch nicht zu. Ein Pfau kann auch ein Attribut der Iuno sein. Iuno ist unter anderem die Beschützerin der Ehe und der Familie. In Verbindung mit der Rückseitenumschrift "CONCORDIA AVGVSTI" (die Eintracht des Kaisers) kann man das Reversbild des Pfaus als Symbol der ehelichen Eintracht interpretieren. Damit wird dem Betrachter des Münzbildes die Eintracht zwischen Domitian und Domitia explizit verdeutlicht.


Am 18. September 96 wird Domitian Opfer einer Verschwörung. Bei dieser scheint Domitia zumindest Mitwisserin gewesen zu sein. Entgegen der sonst üblichen Praxis bei solchen Ereignissen, überlebte Domitia den Umsturz unbeschadet. Unter Domitians Nachfolgern Nerva, Traian und Hadrian behielt Domitia den Titel „Augusta“. Sie lebte in gutem Einvernehmen mit der traianischen Familie in Rom und auf ihren Gütern. Ihren Lebensunterhalt bezog sie aus den Erträgen ihrer ausgedehnten Ländereien. Zudem besaß sie auch Ziegelwerke. Noch in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre des 2. Jahrhunderts bezeichnete sich Domitia auf den Ziegelstempeln als „Domitia, [Gattin] Domitians“, und dies trotz

der damnatio memoriae ihres Gatten. Zwischen 126 und 128 ist Domitia in der Regierungszeit Hadrians verstorben. Erstaunlich ist die Tatsache, dass Domitia Longina soviele Kaiser unbeschadet überlebte und mindestens 45 Jahre unter vier Kaisern den „Augusta-Titel“ getragen hat.


Horst Herzog

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