Unter Harun al-Raschid, dem legendären Kalifen, begann die große Zeit des islamischen Reiches der Abbasiden. Den Geschichten aus „Tausendundeiner Nacht“ zufolge, streifte der Herrscher gemeinsam mit seinem Großwesir verkleidet durch die nächtlichen Gassen von Bagdad, um die Sorgen und Nöte seines Volkes kennenzulernen. In der Realität war der Nachfolger des Propheten weitaus weniger menschenfreundlich. Durch einen Brudermord kam er auf den Thron: „Harun al-Raschid war ein tyrannischer, egoistischer Herrscher wie die meisten orientalischen Despoten des Mittelalters, misstrauisch gegen seine Umgebung, voller Ränke und von hinterlistiger Grausamkeit. Die Familie der Barmekiden, die ihm und seinem Hause getreu als Minister gedient hatte, ließ er aus Furcht, dass sie zu mächtig werden könnte, vernichten.“ (Weltgeschichte – eine Chronik, München 1988, S. 105).
Im Volk verhasst, warf er den Imam der Schiiten in den Kerker. Seinen treuen Großwesir der Barmakiden ließ er im Jahr 803 verhaften, die Familie enteignen. Dessen Sohn, dem eine Affäre mit Haruns Schwester angedichtet wurde, richtete man hin. Viele dieser Begebenheiten finden sich in den Geschichten von „Tausendundeiner Nacht“ wieder.
In den märchenhaften Geschichten mischt sich bekanntlich Legende und Wirklichkeit. Die reale Geschichte von Bagdad ist allerdings kaum weniger aufregend. Nach dem Sturz der Omaijaden hatte die Herrscherdynastie der Abbasiden im Jahre 750 das hiesige Kalifat übernommen. Die Kalifen waren die Nachkommen von Abbas, des Onkels des Propheten Mohammed. Im Zuge ihrer Eroberungen beherrschten sie zeitweise ein Weltreich. Im Jahr 762 erhoben sie Bagdad zu ihrer Residenz.
Ursprünglich verfügte die Stadt über einen kreisrunden Grundriss und drei Stadtmauern. Die innere Mauer umschloss den Palast des Kalifen, die mittlere Mauer die Verteidigungsanlagen und die äußere Mauer die Wohngebiete. Das Händlerviertel mit den Basaren lag außerhalb der Stadtmauern. Unter der Herrschaft des Kalifen Harun al-Rashid erlebte die Stadt im frühen 9. Jahrhundert eine Blütezeit. Bagdad war für seine Seiden, Seiden-Bauwollstoffe und Goldbrokate berühmt.“ (Karin Rührdanz, Bagdad – Hauptstadt der Kalifen, Leipzig 1979, S. 56). Tausende von Textilarbeitern arbeiteten für einen Dirham als Tageslohn in der Branche. Die Oberschicht zahlte bis zu 10.000 Dirham für die kostbaren Kleidungsstücke.
Unter dem Omaijaden-Kalif Abd al-Malik (646-705 u.Z.) hatten die Araber ein eigenes Münzwesen nach byzantinischem Vorbild eingeführt. An die Stelle des goldenen Solidus setzten sie den Dinar: „Das Gewicht des Dinars war in einer Münzreform der Omaijadenzeit auf 4,25 Gramm festgesetzt worden. Der Goldanteil betrug 96 bis 98 Prozent. Das Gold musste importiert werden, und nachdem sich in Chorasan und Mittelasien eigenständige Staaten gebildet hatten, war der Bagdader Kalif auch auf Silbereinfuhren angewiesen.“ (Ebenda, S. 62). Das Zahlungsmittel für den Alltag war der Dirham aus Silber mit einem Gewicht von anfangs drei Gramm: „Allerdings lässt sich kein fester Wechselkurs zum Dinar festlegen. Für die frühe Zeit rechnete man zehn bis zwölf Dirham auf einen Dinar, später wird von einem Verhältnis 15:1, sogar 30:1 berichtet.“ (Ebenda, S. 63). Kleinestes Nominal war der Fulus aus Kupfer. Als Inschriften sind das islamische Glaubensbekenntnis „Kalima“ und andere religiöse Texte zu finden. Außerdem lassen sie die Prägestätte und das Jahr der Ausgabe in der arabischen Zeitrechnung nach Hedschra erkennen.
Die größte Einnahmequelle der Bagdader Oberschicht war der Grundbesitz. Durch dessen landwirtschaftliche Verpachtung waren bis zu 100.000 Dirham pro Tag zu verdienen. Das Geld ließ sich dann gewinnbringend in den Handel investieren. Als im Lauf der Zeit zahlreiche Provinzen vom Reich abfielen, kündigte sich der Niedergang des Reiches an. Die anfängliche Steuer auf Waren und Dienstleistungen von 2,5 Prozent für Muslime und 5 Prozent für Nicht-Muslime stieg mit den wachsenden Finanzierungsproblemen an. Sogar ein Fluss- und ein Brückenzoll wurden erhoben. Es nützte nichts: „So betrug der jährliche Steuereingang in den Staatsschatz 915/916 nur noch 24 Millionen Dirham, während ein Jahrhundert zuvor, 819/820, noch etwa 370 Millionen Dirham erhoben worden waren.“ (Ebenda, S. 71).
Als 985 noch eine zehnprozentige Sondersteuer auf Seiden-und Baumwollprodukte hinzukommen sollte, erhob sich das Volk. Die Verordnung musste zurückgenommen werden. Die feudalen Herrscher griffen ersatzweise zum Mittel der Enteignung der städtischen Oberschichten. Damit provozierten sie die Aufstellung privater Schutztruppen, die alsbald auf eigene Faust zu Plünderungen und Raubzügen antraten. Unter dem Ansturm der Mongolen brach das Reich im Jahre 1258 zusammen.
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Anmerkung der Redaktion:
Übrigens, liebe Leserinnen und Leser, wenn Sie mehr über die faszinierende Welt der islamischen Münzen erfahren wollen, hören Sie hier u.a. den gleichnamigen dreiteiligen Podcast der World Money Fair mit Sylvia Karges und Prof. Dr. Heidemann von der Universität Hamburg.
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