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Horst Herzog

Die Vorbereitung des Markomannenkriegs 169/170 im Spiegel der Münzprägung

Den Großteil des Jahres 169 verbrachte Marcus Aurelius in Rom oder dessen näherer Umgebung.

Und dies nicht ganz freiwillig. Denn Ende Januar 169 erlag sein Adoptivbruder und Mitkaiser Lucius Verus nur 38-jährig den Folgen eines Schlaganfalls. Dann wütete weiterhin die sogenannte „Antoninische Pest“ in weiten Teilen des Imperiums, deren Folgen mit hohem finanziellen Aufwand durch Marcus Aurelius abgemildert wurden. Sowohl die Trauerfeierlichkeiten wie auch die Maßnahmen gegen die Pest verlangten die Anwesenheit des Kaisers in Rom. Nachdem die Nachrichten von der mittleren Donau, einem der militärischen Hauptbrennpunkte des zweiten Jahrhunderts, immer schlechter wurden, reiste Marcus Aurelius im Herbst 169 wieder an die Donaufront, um militärisch gegen die vordringenden Germanenstämme vorzugehen. Die Vorbereitung eines Feldzuges gegen diese Stämme, der in der Literatur meist als der zweite Markomannenkrieg bezeichnet wird, spiegelt sich sehr schön in der Münzprägung des Marcus Aurelius der Jahre 169 und 170 wider.


Abb. 1 S, 169 - 170, Rom, RIC III 974.

Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID4531.


Beginnen wir mit der Ansprache des Kaisers an das Heer, der „adlocutio Augusti“. Diese ist auf

dem Sesterz Abb. 1 sehr deutlich abgebildet: Auf einem niederen Podest stehen drei nach links gerichtete Personen, von denen die vorderste deutlich größer dargestellt ist als die beiden anderen. Unschwer ist in der großen Figur der Kaiser, sprich Marcus Aurelius, zu erkennen. Dies bestätigt auch

die Inschrift im Abschnitt: "ADLOCVT(io) AVG(usti)" - die Ansprache des Kaisers (an das Heer). Der Kaiser hat seine Rechte im „adlocutio-Gestus“ erhoben. Mit der linken Hand hält er einen Speer. Bei den beiden Männern auf dem Podest hinter dem Kaiser handelt es sich um zwei Offiziere. Vor der Plattform stehen schön aufgereiht drei „signiferi“ (Feldzeichenträger) mit ihren Standarten. Diese werden jeweils von einem Adler bekrönt, d.h. es handelt sich hierbei um den „aquila“, den Legionsadler. Die Träger

des „aquila“ waren die ranghöchsten Feldzeichenträger der Legion. Die drei „signiferi“ tragen keine gewöhnlichen Helme, sondern, wie es ihrem militärischem Rang und ihrer Funktion zukommt,

einen helmartigen, präparierten Raubtierkopf. Während die Inschrift im Abschnitt gut zu lesen ist, ist die restliche Legende "[COS] III SC" nur zu erahnen. Marcus Aurelius bekleidete sein drittes Konsulat im Jahre 161. Für die Datierung des Sesterz ist daher die Vorderseitenlegende "M ANTONINVS AVG TR P XXIIII" mit der Angabe der 24. „tribunicia potestas“ ausschlaggebend, die am 10. Dezember 169 beginnt

und am 9. Dezember 170 endet. Somit ist unser Sesterz Ende 169 bzw. während des Jahres 170 geprägt worden. Bei dem Kaisernamen in der Legende ist „Aurelius“ zu ergänzen. Auf dem Avers abgebildet

ist der nach rechts gerichtete Kopf des Marcus Aurelius mit Lorbeerkranz.


Abb. 2 S, 169 - 170, Rom, RIC III 977.

Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID4532.


Nach der aufmunternden Ansprache des Kaisers an das Heer, der „adlocutio“, erfolgt der Abmarsch des vom Kaiser geführten Heeres in den geplanten Feldzug, die „profectio“. Wie auf dem vorher besprochenen Sesterz erscheint auch auf dem Revers des nächsten Sesterz (Abb. 2) die Erklärung

der dargestellten Szene durch die im Abschnitt wiedergegebene Inschrift "PROFECTIO AVG(usti)" -

der Aufbruch des Kaisers. Die Profectio-Darstellung auf unserem Sesterz wird dominiert von einem nach rechts trabenden Reiter. Dieser ist mit Rüstung und Paludamentum bekleidet und mit einer langen Lanze bewaffnet. Zweifellos ist auch hier wieder Marcus Aurelius abgebildet; unterstrichen wird dies zudem durch die Kopfform des Reiters, die mit der des Marcus Aurelius übereinstimmt, und durch den langen Vollbart. Vor dem Kaiser schreitet ein Soldat in voller Montur mit Schild und Speer. Der Soldat wendet seinen Kopf zurück, sein Blick gilt dem Kaiser. Hinter dem Kaiser, teilweise vom Hinterleib des Pferdes verdeckt, stehen drei Soldaten mit Standarten. Der Erhaltungszustand anderer Exemplare dieser Prägung lässt es nicht zu, die Standarten genauer zu differenzieren; gleiches gilt für die Kopfbedeckung der drei Soldaten. Dagegen ist die Form des Panzers deutlich zu erkennen, es handelt sich um die „lorica

segmentata“, den Schienen- oder Spangenpanzer. Auch Marcus Aurelius trägt diesen Panzer unter dem Feldherrenmantel. Die restliche Reverslegende sowie die komplette Münzvorderseite gleichen denen des Sesterz Abb. 1.


Abb. 3 D, 169 - 170, Rom, RIC III 225.

Bildquelle: https://numid.uni-koeln.de/object?id=ID796.


Zur Vorbereitung einer militärischen Expedition gehören nicht nur „adlocutio“ und „profectio“, sondern selbstverständlich auch die Beschwörung des glücklichen Ausgangs dieses Feldzuges. Hierfür standen den für die Münzprägung Verantwortlichen eine Fülle von Personifikationen zur Verfügung,

die den Erfolg eines Kriegszuges symbolisierten. Hier seien nur einige exemplarisch angeführt. Gegenüber den beiden besprochenen Sesterzen ändert sich auf dem Avers des Denars Abb. 3 hinsichtlich Legende und Münzbild nichts. Auf der Rückseite ist eine nach links ausschreitende Victoria abgebildet. Diese hält in ihrer vorgestreckten rechten Hand einen Kranz, den Siegeskranz, und im linken Arm trägt sie ein Siegesmal, ein Tropaeum. Durch die Legende "VICT(oria) AVG(usti)" (die Siegesgöttin

bzw. die Sieghaftigkeit des Kaisers) wird Victoria noch näher charakterisiert. Das Münzbild propagiert demnach schon zu Beginn des Feldzugs den Sieg über den Gegner. Die Datierung des Denars ergibt sich wieder aus der 24. „tribunicia potestas“ des Marcus Aurelius.


Abb. 4 D, 169 - 170, Rom, RIC III 221.

Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID718.


Um sich die Gunst des römischen Volkes zu sichern, verteilte Marcus Aurelius vor seinem Abmarsch auch noch ein Abschiedsgeschenk an dieses, wohl in Form von Geld. Die fünfte Liberalitas bzw. Geldspende des Marcus Aurelius erfolgte noch im Herbst 169. Der Denar Abb. 4 hat diese Liberalitas zum Thema. Auch bei diesem Denar bietet die Vorderseite nichts Neues, auch sie verweist wieder auf die 24. „tribunicia potestas“, also auf den Prägezeitraum Ende 169 bzw. 170. Auf dem Revers sehen wir Liberalitas, die Personifikation der Freigebigkeit, der Großzügigkeit und der Wohltätigkeit allgemein und insbesondere der des Kaisers. Liberalitas ist hier in dem seit Hadrian üblichen Darstellungsmuster abgebildet: Sie steht nach links gewandt, in ihrer vorgestreckten rechten Hand hält sie ein Zählbrett, einen „abacus“, und in der Armbeuge des linken Armes ein Füllhorn. Die Reverslegende "LIBERAL(itas) AVG(usti) V COS III" belegt klar und deutlich, dass es sich bei dieser Spende bereits um die fünfte Liberalitas des Kaisers handelt.


Abb. 5 S, 169 - 170, Rom, RIC III 979.

Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID4533.


Der Sesterz Abb. 5 hat das Wohlergehen des Kaisers zum Thema. Auf dem Revers ist Salus,

die Personifikation des Wohlergehens, des Wohlbefindens und der Gesundheit, in ihrem gewohnten Darstellungsmodus abgebildet. Salus steht nach links gerichtet. Aus einer Schale, die sie in ihrer vorgestreckten rechten Hand hält, füttert sie eine Schlange, die sich um einen Rundaltar nach oben windet. Mit ihrer Linken stützt sich Salus auf ein langes Zepter, wobei von der Armbeuge des linken Armes zwei lange Gewandenden herabhängen. Die Legende "SALVTI AVG(usti) COS III" (für das Wohlergehen des Kaisers ….) nennt Salus im Dativ, so dass der Eindruck entsteht, man würde für das Wohlergehen und die Gesundheit des Kaisers beten. Wie bei unseren anderen hier angeführten Beispielen bleibt die Münzvorderseite unverändert.


Abb. 6 D, 169, Rom, RIC III 205.

Bildquelle: https://www.univie.ac.at/ikmk/object?id=ID1007.


Sicher ins Jahr 169 lässt sich der Denar Abb. 6 datieren. Die Vorderseitenlegende "M(arcus) ANTONINVS AVG(ustus) ARM(eniacus) PARTH(icus) MAX(imus)" nennt noch die Titel des Kaisers als Bezwinger Armeniens und des Partherreiches, spielt also auf die großen militärischen Erfolge an, die aber eigentlich Lucius Verus, der Mitkaiser des Marcus Aurelius, bzw. dessen Generäle errungen hatten.

Das Münzporträt zeigt den nach rechts gerichteten Kopf des Marcus Aurelius mit Lorbeerkranz.

Auf der Rückseite sehen wir Fortuna Redux abgebildet, die Personifikation für eine glückliche Rückkehr, entweder von einer langen Reise oder von einem gefährlichen kriegerischen Unternehmen. Fortuna sitzt nach links gerichtet auf einem thronartigen Stuhl. Mit ihrer ausgestreckten Rechten hält sie ein Ruder, welches vor Fortuna am Boden steht. In der Armbeuge des linken Armes hält Fortuna Redux wie bei ihren Darstellungen üblich ein Füllhorn. Die Umschrift "FORT(unae) RED(uci) TR(ibunicia) P(otestas) XXIII IMP(erator) V COS III" nennt Fortuna Redux wohl wieder im Dativ, möglich wäre allerdings auch

eine Auflösung im Nominativ, und verweist auf die 23. „tribunicia potestas“ des Marcus Aurelius, die am 10. Dezember 168 begann und am 9. Dezember 169 endete. Die fünfte Akklamation zum Imperator erhielt Marcus Aurelius wohl im Jahr 167.


Wir sehen, dass in der stadtrömischen Münzprägung der Jahre 169 und 170 der Germanenfeldzug des Marcus Aurelius „perfekt“ vorbereitet wurde. Die Ansprache des Kaisers an das Heer und sein Aufbruch an die „Front“ werden in den gewohnten Darstellungsmustern, wie wir sie auch von römischen historischen Reliefs kennen, abgebildet. Gleichzeitig wird der Sieg über den Gegner beschworen bzw. vorweggenommen, es wird an das Wohlbefinden des Kaisers und seine glückliche Heimkehr erinnert, und es wird auch nicht das „Abschiedsgeschenk“ des Kaisers an das römische Volk vergessen.


Horst Herzog

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