Vom 13. bis zum 15. Mai 2024 veranstaltet SINCONA seine Frühjahrsauktion. Angeboten werden unter anderem zwei äußerst seltene Gnadenpfennige Ferdinands I. in Gold. Diese schweren Prägungen im Gewicht von 10 resp. 15 Goldgulden gehören zu den großen Kostbarkeiten der Habsburger Numismatik. Wir erzählen ihre Geschichte.
Am 29. August des Jahres 1526 brach über Ungarn die Katastrophe herein. Die Elite des Landes – allen voran König Ludwig II. – wurde in einer einzigen Schlacht bei Mohacs vernichtet. Neben dem König fielen 28 Magnaten und sieben hohe kirchliche Würdenträger. Darüber hinaus tötete das osmanische Heer 4.000 Reiter, 10.000 Fußsoldaten und führte rund 200.000 Einwohner in die Sklaverei. Mit anderen Worten: Ungarn verlor durch diese Niederlage rund 5% seiner Bevölkerung.
Symbolische Darstellung der Wiener Doppelhochzeit am 22. Juli 1515 am Grab Maximilians I. in der Innsbrucker Hofkirche. Foto: KW.
Die Böhmische Krone
Ungarn brauchte also einen neuen König. Und nicht nur Ungarn. Ludwig II. war gleichzeitig Herrscher von Böhmen und Kroatien. Auf alle drei Kronen erhob der Habsburger Ferdinand Anspruch. Er berief sich auf den Erbvertrag, den sein Großvater Kaiser Maximilian I. anlässlich der Wiener Doppelhochzeit mit Wladislaw II. geschlossen hatte. Damals verabredeten die Herrscher, dass ihre Nachkommen heiraten sollten: Ludwig II. von Ungarn ehelichte Maria von Habsburg; Ferdinand I. wurde mit Anna von Ungarn vermählt. Sollte eines der beiden Geschlechter aussterben, würde man sich gegenseitig beerben.
Ein dynastisch vielversprechender Plan! Allerdings hatten die Herrscher ignoriert, dass es sich bei allen drei von Wladislaw regierten Königreichen um Wahlmonarchien handelte. Als also Ferdinand am 9. September 1526 vom Tod seines Schwagers erfuhr, musste er sich in allen drei Ländern die Gunst der Stände sichern. Da galt es zu entscheiden, welches Königreich Priorität hatte. Böhmen war reicher als Ungarn, also wandte sich Ferdinand zuerst dorthin. Es gelang ihm, sich gegen zwei Gegenkandidaten durchzusetzen. Am 23. Oktober 1526 wählten ihn die böhmischen Stände zum König. Am 24. Februar wurde er gekrönt, die Krönung seiner Gattin erfolgte einen Tag später.
Die Ungarische Krone
Während sich Ferdinand in Böhmen durchsetzen konnte, machten die ungarischen Magnaten im November 1526 einen der ihren zum Herrscher: Johann Szapolyai war Woiwode von Siebenbürgen, Schwager des polnischen Königs, einer der reichsten Magnaten des Landes und nun auch König von Ungarn. Als Ferdinand im Dezember seine eigene Ständeversammlung einberief, fanden sich nur eine Handvoll Delegierte ein. Nichtsdestotrotz ließ er sich von denen zum König von Ungarn wählen. Im folgenden Sommer überfiel er sein eigenes Land mit seinem Heer. Szapolyai büßte alle militärische Macht und damit die Unterstützung der Stände ein. Sie krönten Ferdinand am 3. November 1527 mit der Stephanskrone.
Zeitgenössische Darstellungen der ersten Belagerung von Wien von 1529 auf dem Grabmal seines Verteidigers Niklas II. Graf Salm. Foto: KW.
Die Habsburger werden zu Erzfeinden der Türken
Um König zu bleiben, wandte sich Szapolyai mit der Bitte um Unterstützung an den osmanischen Sultan. Er schwor ihm im Sommer 1529 auf dem Schlachtfeld von Mohacs den Vasalleneid. Und Süleyman der Prächtige erfüllte seinen Teil des Handels: Er vertrieb die Habsburger aus Ungarn. Erst vor Wien kam seine 150.000 Mann starke Streitmacht zum Stehen. Nach der gescheiterten Belagerung zog das osmanische Heer wieder ab. So konnten die Habsburger Teile von Ungarn wieder in Besitz nehmen.
1532 versuchten es die Türken erneut. Wieder erlitten sie eine Niederlage. Das brachte Szapolyai dazu, erneut die Fronten zu wechseln. Er schloss einen Geheimvertrag mit Ferdinand, in dem sie vereinbarten, dass sie de facto das Land zwischen sich aufteilen würden. Nach dem Tode Szapolyais solle die Herrschaft an die Habsburger zurückfallen, die Familie Szapolyais dafür entschädigt werden.
Doch der französische König verfolgte eigene Pläne: Ihm kam der Krieg gelegen. Er band nämlich Ressourcen, die die Habsburger nicht gegen ihn in Italien einsetzen konnten. Deshalb schickte Franz I. im Sommer 1536 erstmals eine offizielle Gesandtschaft nach Konstantinopel. Ob sie tatsächlich einen Allianz- und Handelsvertrag mit Süleyman aushandelte, wie Habsburger Quellen berichten? Die Möglichkeit wurde in Wien jedenfalls ernst genommen. Man fürchtete einen neuen türkischen Angriff. Darauf musste Ferdinand sich vorbereiten. Und der erste Schritt war, Mittel flüssig zu machen, um Söldner für den drohenden Krieg anheuern zu können.
Ferdinand I. Schaumünze zu 15 Goldgulden 1537, Joachimsthal. Auf sein Regierungsjubiläum 10 Jahre König von Böhmen und Ungarn. Einziges bekanntes Exemplar in Gold. Wie zu dieser Zeit üblich, leicht bearbeitet. NGC AU Details. Startpreis: 150.000 CHF. Aus Auktion SINCONA 90 (13.-15. Mai 2024), Nr. 1561.
Ein Gnadenpfennig zu 15 Gulden
Wahrscheinlich steht eine bei SINCONA angebotene Schaumünze – oder wie man zu jener Zeit sagte: ein Gnadenpfennig – mit dieser historischen Situation in Verbindung. Er zeigt auf der Vorderseite das Porträt von Ferdinand I., auf der Rückseite das seiner Gattin Anna. Die Umschriften lauten – in Übersetzung – Ferdinand, König der Römer, der Ungarn und der Böhmen 1537 bzw. Anna, Gemahlin Ferdinands, Königin der Ungarn 1537.
Bemerkenswert sind die Porträts, denn sie beziehen sich in Kleidung, Schmuck und Ausgestaltung auf Gnadenpfennige, die 1522/23 – kurz nach der Hochzeit – wahrscheinlich von Hans Daucher angefertigt wurden. Nun kann man sich durchaus fragen, warum Wolf Milicz kein aktuelleres Porträt des Herrscherpaares als Vorlage nutzte. Das könnte praktische Gründe gehabt haben – nicht immer und überall standen neue Porträts zur Verfügung. Die Darstellung könnte aber auch bewusst gewählt worden sein, um die Empfänger des Gnadenpfennigs an die Zeit der Thronbesteigung Ferdinands zu erinnern. Jeder erinnerte sich, dass Ferdinand nur deshalb hatte König werden können, weil Ludwig II. die finanziellen Mittel gefehlt hatten, die Osmanen angemessen zu bekämpfen. Ja, die Fugger hatten seinerzeit das Gerücht in die Welt gesetzt, es sei die mangelnde Kreditwürdigkeit des Königs gewesen, die seinen Tod verursacht habe. So erinnerte diese Darstellung daran, welche entscheidende Rolle die Finanzen bei der Bekämpfung der Türken spielten.
Dieser Ritter trägt stolz einen farblich hervorgehobenen goldenen Gnadenpfennig an einer üppigen Goldkette. Grabmal des Echter von Mespelbrunn in Hessenthal. Foto: KW.
Der Generallandtag in Böhmen
Diese Botschaft zu vermitteln, war 1537 von eminenter Bedeutung für Ferdinand I. Er hatte nämlich die Böhmischen Stände im März 1537 nach Prag zu einem Generallandtag einberufen. Bei dieser Versammlung forderte der Herrscher von den Ständen die Erlaubnis, eine Kriegssteuer in Höhe von 100.000 Schock Meißner Groschen erheben zu dürfen, um damit ein Heer von 10.000 Mann aufzustellen. Das Schock war eine sächsisch-böhmische Rechnungseinheit und entsprach 60 Stück. Ferdinand beantragte also eine Kontribution in Höhe von 6.000.000 Meißner Groschen.
Wie müssen wir uns nun die diplomatische Arbeit während so eines Generallandtags vorstellen? Da fanden neben den eigentlichen Sitzungen viele persönliche Treffen statt, bei denen königliche Gesandte, ja gelegentlich der Herrscher selbst einen Delegierten für seine Position zu gewinnen suchte. Gnadenpfennige spielten dabei eine große Rolle. Ursprünglich dazu geschaffen, um die zu belohnen, die dem darauf Dargestellten einen Dienst geleistet hatten, wurden sie oft in der Hoffnung verliehen, den so Geehrten zu bewegen, diesen Dienst in der Zukunft zu leisten. Wir können also davon ausgehen, dass Ferdinand I. und seine Gesandten im Jahr 1537 Gnadenpfennige verteilten, um die Versammlung auf Kurs zu bringen. Immerhin bewilligten die Delegierten 25.000 Schock Meißner Groschen, zwar nur ein Viertel der ursprünglich geforderten Summe, aber trotzdem viel Geld.
Ferdinand I. Schaumünze zu 10 Goldgulden aus Stempeln, die in Hall für zwei verschiedene Prägungen – datiert 1531 resp. 1550 – angefertigt wurden. Einziges bekanntes Exemplar in Gold. Rand wie zeitüblich etwas bearbeitet. Vorzüglich. Taxe: 150.000 CHF. Aus Auktion SINCONA 90 (13.-15. Mai 2024), Nr. 1560.
Zur Schau getragene Gunst und ein begabter, aber glückloser Stempelschneider
Gnadenpfennige waren im 16. Jahrhundert ein zentrales Statussymbol: Wer solch einen Gnadenpfennig besaß, trug ihn an einer langen goldenen Kette oder am Hut, um allen Menschen zu zeigen, dass ein hoher Herr ihm seine Gunst gewährt hatte. Dass Gnadenpfennige leichte Bearbeitungsspuren aufweisen, um ihre Aufgabe als Trachtbestandteile zu erfüllen, ist zeittypisch und ein hervorragendes Zeugnis für die Echtheit eines Stückes.
Auch die zweite Schaumünze, die SINCONA in der Auktion anbieten kann, weist diese Spuren auf. Es handelt sich um ein ganz besonders attraktives Stück: Auf der Vorderseite sind die gerüsteten und gekrönten Büsten von Kaiser Karl V. und Ferdinand I. einander gegenüber dargestellt. Oben finden wir das Motto von Karl – Plus Ultra (= darüber hinaus) –, zwischen den Herrschern liegt der bekrönte Reichsapfel. Die untere Hälfte der Prägung wird von einer langen Inschrift dominiert, in der die Titel aufgeführt werden. Die letzte Zeile enthält die Jahreszahl 1531, also das Jahr, in dem Ferdinand I. auf Initiative seines Bruders Karl zum römischen König gewählt und gekrönt wurde. Die Rückseite dagegen trägt die Jahreszahl 1550 und zeigt den Habsburger Doppeladler mit einem prachtvollen Wappen.
Verantwortlich für diese ästhetisch ansprechende, aber historisch unpassende Zusammenstellung ist Christof Loch junior, ein begabter Goldschmied und Medailleur, der in der Münzstätte Hall eine undankbare Stellung bekleidete: Er war nämlich kein Beamter der Münzstätte, sondern wurde im Bedarfsfall von Münzmeister Ulrich Ursentaler beauftragt und bezahlt. Der litt unter einer Augenschwäche und überließ die delikateren Arbeiten anderen, nämlich seinen Verwandten: Christof Loch senior und seinem gleichnamigen Sohn, der für diese Schaumünze verantwortlich ist.
Man kann sich vorstellen, dass Loch junior darauf hoffte, Ursentaler einmal als Münzmeister nachzufolgen. Doch dazu kam es nie. Und das, obwohl ihm ein Zeugnis von 24. Februar 1551 versprach, ihn im Bedarfsfall als Eisenschneider anzustellen. Als es nämlich 1560 so weit war, setzte Ursentaler durch, dass sein eigener Sohn die Stelle erhielt. Das dürfte eine herbe Enttäuschung für Loch gewesen sein.
Auf dem Markt sind goldene Schaumünzen resp. Gnadenpfennige aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts extrem selten anzutreffen. Die meisten von ihnen wurden irgendwann in einer finanziellen Notlage eingeschmolzen oder haben ihren Weg in ein Museum gefunden. Dass SINCONA gleich zwei davon in Auktion 90 anbieten kann, muss als ein großer Glücksfall betrachtet werden. Er gab uns die Gelegenheit, dieses interessante numismatische Phänomen näher zu beleuchten.
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