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Michael Kurt Sonntag

Die Silbermünzen von Korkyra

In der Antike nannte man die 62 km lange und zwischen 3,5 und 28 km breite sichelförmig gekrümmte nördlichste ionische Insel Korkyra und bisweilen auch Kérkyra. „Der seit dem 10. Jahrhundert gebräuchliche Name Korfu entstand aus dem griechischen Wort Koryphé (<Gipfel>) nach der die mittelalterliche und moderne Stadt überragenden Festung.“ (Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Bd. 6, Sp. 752) Geografisch betrachtet, befindet sich Korkyra auf der gegenüberliegenden Seite des Absatzes des „italienischen Stiefels“, im Norden 2 km von Albanien und im Süden 8 km von Griechenland entfernt. Der antiken griechischen Mythologie zufolge war Kórkyra bzw. Kérkyra die Tochter des Flussgottes Asopos und der Arkaderin Metope. Poseidon entführte die junge Kórkyra auf die nach ihr benannte Insel und zeugte mit ihr den Phaiax, der dann der Stammvater der Phaiaken wurde.


Die ersten griechischen Siedler Korkyras kamen wohl im 8. Jahrhundert v. Chr. aus Eretria. Sie vertrieben die dort wohnenden Libyrner um 750 v. Chr. Um 734 v. Chr. gründeten dann die Korinther unter Chersikrates die korinthische Kolonie Korkyra im Osten der Insel und vertrieben die Eretrier. Später gründete Korkyra allein oder mit Korinth zusammen die Kolonien Leukas, Anaktorion, Apollonia und Epidamnos bzw. Dryrrhachion in Nordwest-Griechenland. Im 7. und 6. Jh. v. Chr. beherrschte Korkyra das Ionische Meer und den Adria-Handel dank der stärksten griechischen Flotte. Mit dieser besiegte es 664 v. Chr. sogar seine Mutterstadt Korinth in der übrigens ersten Seeschlacht der griechischen Geschichte.

Die befestigte Stadt Korkyra besaß eine Akropolis, zwei Häfen – einen Handels- und einen Kriegshafen –, einen Marktplatz (Agora), ein Rathaus (Bouleuterion) und eine Stadthalle (Prytaneion). Darüber hinaus beherbergte sie Tempel für Hera Akraia, Apollon Korkyraios, Artemis, Dionysos, die Dioskuren, Zeus und Dione sowie ein Heiligtum für den sagenhaften obersten König der Phaiaken Alkinoos. Da die klimatischen Bedingungen auf Korkyra sehr günstig waren – die Insel hat auch heute noch ein ausgeglichenes mediterranes Klima, die größten Regenmengen in Griechenland und ganzjährige Flüsse –, gedieh auch der Oliven- und Weinanbau prächtig. Vor allem die edlen Weine aus Korkyra erfreuten sich großer Beliebtheit, weit über die Inselgrenzen hinaus, und waren eines der bedeutendsten Handelsgüter. Insgesamt betrachtet, war Korkyra, dies belegen auch die Funde neuerer Ausgrabungen, eine reiche und wirtschaftlich bedeutende Insel.


In Korkyra begann die Münzprägung, genauer gesagt die Silbermünzprägung, ab dem letzten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. Der Münzfuß, auf dessen Grundlage geprägt wurde, war der korkyräische (ca. 11,6 g/Stater bzw. Didrachmon). Zu den Nominalen, die ab 525 v. Chr. verausgabt wurden, gehörten: Stater, Drachme, Hemidrachme (½ Drachme), Trihemiobol (1,5 Obole), Obol und Hemiobol (½ Obol). Die Bildmotive des Didrachmons blieben vom Anfang bis zum Ende der Emission, d. h. von 525-350 v. Chr., von ein paar minimalen Veränderungen abgesehen, immer gleich. So zeigen sie auf ihren Vorderseiten stets eine Kuh, die ihr Kälbchen säugt und sich dabei zum Kälbchen hin umblickt und auf ihren Rückseiten stets zwei sternartige Muster.

Stater (um 525-500 v. Chr.), Silber, 10,89 g, Ø (Höhe Vs.) 18 mm, Münzstätte Korkyra. [Bildquelle: Champonière & Hess Divo, Auktion 3 (21. Mai 2012), Los 132]
Stater (um 450-400 v. Chr.), Silber, 10,98 g, Ø (Höhe Rs.) 21 mm, Münzstätte Korkyra. [Bildquelle: Dr. Busso Peus Nachfolger, Auktion 369 (31. Oktober 2001), Los 120]
Stater (um 400-350 v. Chr.), Silber, 10,18 g, Ø (Höhe Rs.) 21 mm, Münzstätte Korkyra. [Bildquelle: Numismatik Naumann, Auktion 46 (11. September 2016), Los 152]

Auf den frühesten Ausgaben finden sich die sternartigen Muster innerhalb eines vertieften Quadrats und sind zudem durch einen Balken voneinander getrennt. Auch sind diese ersten Münzen noch völlig anepigrafisch (1. Abb.). Später verschwindet der trennende Balken und das vertiefte Quadrat und um die sternartigen Muster liest man die Kürzel „K“ oder „KOP“ für ΚΟΡΚΥΡΑΙΩΝ ([Münze] der Korkyräer - 2. und 3. Abb.). Gut möglich, dass das Bildmotiv der säugenden Kuh jedoch nicht einfach nur der Natur abgeguckt war.

Kuh säugt Kälbchen. [Bildquelle: Michael Kurt Sonntag]

Möglicherweise sollte dieser Darstellung eine tatsächlich existierende Viehzucht oder Milchwirtschaft auf Korkyra symbolisieren, zumal ein frontaler Kuhkopf auch auf den frühen Drachmen, Hemidrachmen, Trihemiobolen und Hemiobolen zu finden ist und die Drachmen darüber hinaus auch noch eine Kuhprotome als weiteres Bildmotiv tragen – eine nach links oder rechts eilende oder eine nach rechts stehende Protome.

Drachme (um 338-250 v. Chr.). Silber, 5,01 g, Ø (Höhe Vs.) 17 mm, Münzstätte Korkyra. [Bildquelle: Gorny & Mosch, Auktion 200 (10. Oktober 2011), Los 1556]

Ferner sind die bis 500 v. Chr. emittierten Drachmen anepigrafisch und rückseitig mit einem sternartigen Muster in einem vertieften Quadrat ausgestattet, wohingegen die Drachmen, die ab 338 v. Chr. geprägt wurden, die Umschrift ΚΟΡΚΥΡΑΙΩΝ nennen und auf ihren Rückseiten ein doppeltes sternartiges Muster aufweisen, das nicht mehr in ein Quadratum incusum eingebettet ist (3. Abb.). Beschränkten sich die vorderseitigen Darstellungen der Statere und Drachmen aber immer auf das Bildmotiv Kuh und Kalb bzw. Kuh, so ist das Repertoire der Vorderseiten bei den kleineren Nominalen als der Drachme deutlich vielfältiger. So erscheinen beispielsweise auf den Hemidrachmen auch noch das Bildmotiv einer Amphore oder der Porträtkopf der Korkyra oder der Dione.

Hemidrachme mit Amphorenmotiv (um 338-250 v. Chr.). Silber, 2,48 g, Ø (Höhe Vs.) 15 mm, Münzstätte Korkyra. [Bildquelle: Dorotheum, Auktion (18. November 2015), Los 692]

Auf den Vorderseiten der Diobole, die ab 450 v. Chr. ebenfalls geprägt wurden, sieht man gar die Köpfe der Korkyra, der Dione, den der Gorgo oder eine Amphore. Rückseitig tragen die Diobole allesamt kein sternartiges Muster mehr, sondern einen Kantharos. Einen Widderkopf auf der Vorderseite und eine Traube auf der Rückseite sehen wir dagegen auf den Trihemiobolen ab 450 v. Chr. Doch so wie Kuh und Kalb vermutlich auf Vieh- oder Milchwirtschaft verweisen, so spielen der Widderkopf vielleicht auf die Schafzucht und Amphore, Kantharos und Traube vermutlich auf den profitablen Weinbau und auf den Weingott Dionysos an. Die Obole wiederum zeigen auf ihren Vorderseiten eine Kamm-Muschel oder den Kopf der Korkyra oder der Dione.

Obol mit Kamm-Muschelmotiv (um 525-500 v. Chr.), Silber, 0,93 g, Ø (Höhe Rs.) 9 mm, Münzstätte Korkyra. [Bildquelle: Numismatik Lanz, Auktion 159 (8. Dezember 2014), Los 167]

Zwischen 338 und 250 v. Chr. verausgabte Korkyra allerdings auch Statere im korinthischen Münzfuß (ca. 8,6 g/Tridrachmon).

Stater korinthischen Fußes (um 338 bis 250 v. Chr.). Silber, 8,39 g, Ø (Höhe Vs.) 20 mm, Münzstätte Korkyra. [Bildquelle: Classical Numismatic Group, Auktion Triton XVII, Session 1 & 2 (7. Januar 2014), Los 194]

Diese unterscheiden sich von den „originalen“ Stateren aus Korinth in erster Reihe dadurch, dass sich unter dem Bauch des Pegasos kein Koppa-Buchstabe (ϙ) befindet, sondern ein K, wenn überhaupt. Ferner erscheint um den Kopf der Athena das Kürzel ΚΟ, ΚΟΡ oder die Umschrift ΚΟΡΚΥΡΑΙΩΝ oder auch gar nichts. Darüber hinaus fliegt der Pegasos auf den Münzen aus Korkyra stets nach rechts, während er auf den Stateren aus Korinth nach links oder nach rechts fliegt oder steht.


Raritätsangaben nach Oliver D. Hoover:

Abb. 1.1 = R1 (25–60 Ex.)

Abb. 1.2 = S[carce] (60–200 Ex.)

Abb. 1.3 = S[carce] (60–200 Ex.)

Abb. 3 = R2 (2–25 Ex.)

Abb. 4 = R1 (25–60 Ex.)

Abb. 5 = R2 (2–25 Ex.)

Abb. 6 = R2 (2–25 Ex.)

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