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Numismatica Genevensis SA

Die schönsten griechischen Münzen: Die Dekadrachmen des Kimon

Numismatica Genevensis kann in seiner kommenden Auktion zwei Exemplare der schönsten Münzen der griechischen Numismatik, ja aller Zeiten anbieten. Es handelt sich um zwei syrakusanische Dekadrachmen des Kimon, die auf der Rückseite das geradezu porträthafte Bildnis der Arethusa zeigen.


Seit Jahrhunderten rühmen Archäologen, Kunstkenner und Ästheten die Schönheit der syrakusanischen Münzprägung in der Epoche der signierenden Künstler. Sie bezeichnen diese Münzen als den Höhepunkt der gesamten griechischen Numismatik, ja als die schönsten Gepräge, die bis zum heutigen Tag geschaffen wurden. Wenn es darum geht zu entscheiden, welche Münzen dieses kurzen Zeitraums die bedeutendsten sind, fallen immer wieder die Namen der beiden unvergleichlichen Stempelschneider Kimon und Euainetos. Kimons Name wird dabei immer zuerst genannt. Er gilt als der größte aller Künstler, die je eine Münze geschaffen haben. Auf ihn gehen Designs zurück, die mehr als zweieinhalb Jahrtausende lang nachgeahmt wurden. Er schuf mit seiner Arethusa, die das lange, lockige Haar in einem Haarnetz bändigt, einen der Archetypen der Numismatik.


Syrakus. Dekadrachme, signiert von Kimon, um 405 v. Chr. 35 mm.

Erstmals publiziert bei Max Hirmer, Die schönsten Griechenmünzen Siziliens. Insel-Bücherei 559. Leipzig (1940), Nr. 37; ein Jahr später bei J. H. Jongkees, The Kimonian Dekadrachms. Utrecht (1941), Nr. 1 m. Abgebildet bei Franke-Hirmer, Die griechische Münze. München (1964), Tf. 40, Nr. 116, und Kraay-Hirmer, Greek Coins. New York (1966), Tf. 40, Nr. 116. Mit Sicherheit das schönste bekannte Exemplar dieses außergewöhnlichen Münztyps. Gutes vorzüglich. Taxe: 600.000 CHF. Aus Auktion Numismatica Genevensis 16 (2022), Nr. 13.


Syrakus. Dekadrachme, signiert von Kimon, um 405–400 v. Chr. 35mm.

Aus Sammlung Moretti; ausgestellt im Antikenmuseum Basel. Erstmals publiziert bei Jongkees, The Kimonian Dekadrachms. Utrecht (1941), Nr. 3; danach bei Cahn/Mildenberg/Russo/Voegtli, Griechische Münzen aus Grossgriechenland und Sizilien. Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig. Basel (1988), Nr. 479. Das schönste bekannte Exemplar dieses griechischen Meisterwerks mit einer wundervollen Patina. Vorzüglich. Taxe: 500.000 CHF. Aus Auktion Numismatica Genevensis 16 (2022), Nr. 14.


Numismatica Genevensis kann in Auk­tion 16 am 14. November 2022 zwei Dekadrachmen des Kimon anbieten, von denen ein Experte sagt: „Ich habe in meinem Leben schon viele Dekadrachmen in der Hand gehabt, einige davon geprägt aus den Stempeln des Kimon. Nie habe ich schönere Beispiele dieser unvergleichlichen Emission gesehen als die beiden Stücke, die wir Ihnen in unserer Auktion anbieten können. Ihre Provenienz reicht bis ins Jahr 1940 resp. 1941 zurück. Und beide sind das besterhaltene Exemplar, das von diesem Typ existiert. Sie sind voll ausgeprägt, voll zentriert und haben eine wunderschöne Patina. Wir beschäftigen einen der besten Fotografen, die es gibt, und trotzdem können seine Fotos dem Charme, den diese Stücke besitzen, nur annähernd gerecht werden. Wer eine dieser Münzen erwirbt, hält mit ihr ein antikes Kunstwerk in Händen, das unsere Vorstellung von Ästhetik nachhaltig geprägt hat.“


Die Gestalt des Dionysios I. von Syrakus prägte unser Bild vom Tyrannen. Daran erinnert heute noch das „Ohr des Dionysios“ in Syrakus. Die hier herrschende Akustik soll Dionysios genutzt haben, um Gespräche von Gefangenen zu belauschen. Diese Geschichte dürfte erst in der Renaissance entstanden sein. Viele zeitgenössische Gerüchte, die über Dionysios kursierten, wurden von Histo­rikern in der Zwischenzeit als im feindlichen Athen entstandene Propaganda entlarvt [Foto: KW].


Der historische Hintergrund

Vor allem dank der Hortevidenz wissen wir heute, dass die Dekadrachmen nicht als eine Art Gedenkprägung im Rahmen des syrakusanischen Sieges über die Athener im Jahr 413 entstanden, sondern knapp ein Jahrzehnt später. Sie gehören in die Zeit der Machtübernahme des Dionysios I., der seinen Aufstieg der Karthagischen Invasion der Jahre 406 bis 405 verdankte. Die Geschichte seines Aufstiegs beginnt damit, dass nach der Niederlage der Athener der Streit zwischen ihrer Verbündeten, der Stadt Segesta, und dem mit Syrakus alliierten Selinus immer noch schwelte. Wohl im Jahr 410 wandte sich Segesta mit der Bitte um Unterstützung an die Karthager. Die schickten wahrscheinlich im selben Jahr eine beeindruckende Streitmacht nach Sizilien. Sie eroberte entweder 409 oder 408 Selinus, danach Himera.

Das hätte erst einmal das Ende des Konflikts sein können, wäre der syrakusanische Feldherr Hermokrates nicht auf eigene Rechnung, unterstützt von Söldnern und Flüchtlingen aus Himera, nach Selinus gezogen, um sich dort niederzulassen. Mit seinen Raubzügen ins Gebiet von Motya und Panormos verärgerte er die Karthager derart, dass sie sich trotz seines Todes im Jahr 407 entschieden, den Krieg gegen Syrakus wieder aufzunehmen. Dem karthagischen Angriff auf Akragas im Frühjahr 406 stellte sich eine hastig geschmiedete Allianz der Städte Syrakus, Gela, Kamarina und Messana entgegen. Unterstützt wurden sie von kampanischen Söldnern. Die vereinten Streitkräfte siegten einmal mehr beim Fluss Himera, doch als die Söldner für 15 Talente im Herbst 406 die Seite wechselten, musste Akragas den Karthagern überlassen werden.


Diese bittere Niederlage brachte Dionysios die notwendige Unterstützung, um sich im Frühjahr 405 zum Strategos Autokrator wählen zu lassen, also zum alleinigen Oberbefehlshaber von Syrakus. Die Machtübernahme verlief nicht reibungslos: Im Frühsommer des Jahres 405 zerstörten die Karthager Akragas und zwangen Dionysios, Gela zu evakuieren. Dies löste einen Aufstand gegen ihn aus, den er gerade noch niederschlagen konnte, ehe sich die Karthager an die Belagerung von Syrakus machten. Eine Seuche rettete Dionysios. Sie ermöglichte es ihm, mit den Karthagern einen günstigen Frieden zu schließen. Darin wurde Sizilien in die karthagische Eparchie im Westen und die griechischen Gebiete im Osten geteilt. Gleichzeitig erkannten die Karthager Dionysios als Herrscher von Syrakus an. Was folgte, war keine Periode des Friedens: Dionysios konsolidierte seine Macht mit einer Reihe von Feldzügen, während derer Naxos und Katane unter seine Kontrolle kamen. Gleichzeitig bereitete er einen Überfall auf die karthagische Eparchie vor. Sein zweiter Krieg gegen die Karthager begann im Jahr 398.

Die beiden wundervollen Dekadrachmen, die Numismatica Genevensis präsentieren kann, dürften in der Epoche zwischen der Machtübernahme des Dionysios und seinem Überfall auf die karthagische Eparchie entstanden sein. Sie waren kein Produkt des Friedens, sondern dienten dazu, den Krieg vorzubereiten.


Die Motive: Quadriga und Quellnymphe Arethusa

Syrakus hielt Jahrhunderte lang an den gleichen Münzmotiven fest: Auf der Vorderseite der Tetra- und Dekadrachmen ist ein siegreiches Viergespann dargestellt. Die Gamaroi – die reichen Adelsfamilien der Stadt – schickten regelmäßig Gespanne und Sportler zu den Spielen von Olympia. Die enge Verbindung zwischen Syrakus und Olympia ist sehr gut bezeugt. Archäologen haben Reste des vom Architekten Pothaios errichteten Schatzhauses der Syrakusaner in Olympia gefunden. Und die Siegerlisten der Olympischen Spiele belegen, dass viele Olympioniken aus Syrakus stammten.

Vielleicht deshalb ist ein zentraler Bestandteil der Münzdarstellung die Siegesgöttin Nike, die den Wagenlenker – auf anderen Münzen die Pferde – bekrönt. Damit spielten die Stempelschneider auf keinen bestimmten Sieg an. Sie meinten damit die grundsätzliche Sieghaftigkeit der Bewohner von Syrakus als Zeichen der göttlichen Gunst. Die Siege in Olympia bewiesen die Unterstützung von Seiten des Zeus, von der zu erwarten stand, dass sie sich auch in militärischen Siegen manifestieren würde. Ob das der Grund ist, dass auf den Dekadrachmen unter dem siegreichen Gespann die Ausrüstung eines Hopliten mit Panzer, Beinschienen und Helm zu sehen ist?


Die Quelle der Arethusa kann heute auf der Insel Orthygia besichtigt werden, allerdings stark verschmutzt und mit einer Fassung des 19. Jahrhunderts [Foto: KW].


In der Antike dürfte die Quelle anders ausgesehen haben, vielleicht so wie die im Umland von Syrakus gelegene, ebenfalls kultisch verehrte Quelle der Kyane [Foto: KW].


Die Rückseite ist beherrscht von Arethusa, jenem einzigartigen Zeichen göttlicher Gunst, das die Syrakusaner kultisch verehrten. Denn eine Süßwasserquelle auf der vom Meer umgebenen Insel Orthygia war von entscheidender militärischer Bedeutung: Eine Festung, die über einen ausreichenden Süßwasservorrat verfügt, ist nur schwer zu erobern, was sowohl Karthager als auch Römer begreifen mussten. Die sicheren Häfen auf Orthygia spiegeln sich in den Delfinen, die auf der Münze den Kopf der Quellnymphe genauso umgeben, wie in der Realität das Meer die Insel Orthygia mit der Quelle Arethusa umgab.


Rückseite von Numismatica Genevensis 16 (2022), Nr. 13.


Rückseite von Numismatica Genevensis 16 (2022), Nr. 14.


Haarnetz einer sizilischen Dame von Stand, wie es so ähnlich auf den Münzen des Kimon abgebildet ist [Foto: KW].


Sowohl das Viergespann als auch Arethusa selbst wurden im Laufe der syrakusanischen Münzprägung immer wieder dem Schönheitsempfinden der Prägeherrn angepasst. Besonders Arethusa wandelte sich von einem archaisch-klassischen Schönheitsideal zu einer geradezu porträthaften Gestalt. Der Stempelschneider Kimon, über den wir kaum mehr wissen, als dass er von etwa 415 bis 390 tätig war, fand eine perfekte Balance zwischen lebendiger Schönheit und leichter Stilisierung, die seine Bildnisse zur Inkarnation griechischer Kunstfertigkeit macht.

Es ist bezeichnend, dass er seine Stempel signierte (signieren durfte?), und zwar oft mehr als einmal. Wir finden seine Signatur auf der Bodenlinie der Vorderseite, auf dem Band, das das Haarnetz der Arethusa hält, sowie auf einem der vier Delfine.


Signatur des Kimon auf der Standlinie. Ausschnitt aus Numismatica Genevensis 16 (2022), Nr. 13.


Signatur des Kimon auf dem breiten Band, das das Haarnetz hält. Ausschnitt aus Numismatica Genevensis 16 (2022), Nr. 13.


Signatur des Kimon auf dem Delfin unter dem Halsabschnitt der Arethusa. Ausschnitt aus Numismatica Genevensis 16 (2022), Nr. 14.


Das Nachleben der Dekadrachmen des Kimon

Schon in der Antike wurden die Dekadrachmen des Kimon als Meisterwerk verstanden, das unzählige Stempelschneider mit ihren Nachahmungen zu imitieren versuchten. Seit der Renaissance gelten die Dekadrachmen des Kimon als einzigartiges Meisterwerk, als das Schönste, was die griechische Münzprägung zu bieten hat. Der Vater der klassischen Archäologie Johann Joachim Winckelmann bewunderte die „unvergleichliche Schönheit“ der sizilischen Münzen. Der englische Poet Yeats rühmte sie als die „berühmtesten und schönsten“ aller Münzen.

Und der französische Dichter José-Maria de Heredia, der um 1900 in Paris den wohl bekanntesten Salon unterhielt, dichtete über sie:

Le temps passe. Tout meurt. Le marbre même s’use. Agrigente n’est plus qu’un ombre, Syracuse Dort sous le bleu linceul de son ciel indulgent; Et seul le dur métal que l’amour fit docile Garde encore en sa fleur, aux médailles d’argent L’immortelle beauté des vierges de Sicile.
Die Zeit vergeht. Alles stirbt. Selbst Marmor nutzt sich ab. Nichts als ein Schatten ist Akragas, und Syrakus schläft unter dem blauen Leichentuch seines gnädigen Himmels. Und nur das harte Metall, das die Liebe fügsam machte, Behält noch in seiner schönsten Form, den silbernen Medaillen, die unvergängliche Schönheit der Jungfrauen Siziliens.

Literatur

Wolfgang Fischer-Bossert, „Coins, Artists, And Tyrants. Syracuse in the Time of the Peloponnesian War“. ANS Numismatic Studies 33 (2017).

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