Im Jahre 1934 kam der berühmt-berüchtigte Journalist und Schriftsteller Egon Erwin Kisch zum Weltkongress gegen Krieg und Faschismus nach Melbourne (Australien). Neben seiner Funktion als Delegierter reiste er herum und informierte sich über die Geschichte des Landes. Vor allem die Zustände während des „Viktorianisches Goldrausches“ interessierten ihn. In der Provinzstadt Ballarat wollte er mehr über das Leben der Goldgräber erfahren. Ein Lehrer schloss ihm im Gemeindehaus von East-Ballarat ein Zimmer auf – das noch nicht eröffnete Museum: „Da haben wir alles. Die Goldgräberlizenzen. Die Aufrufe. Die Steckbriefe. Berichte und Bilder aus der Zeit. Statistiken. 23.334.236 Unzen Gold im Wert von 82 Millionen Pfund Sterling waren von 1851 bis 1860 gefunden worden. Der größte Teil am Anfang, als bloß eine Handvoll Diggers da war. Das war das fette Jahr. Dann kamen die lärmenden Jahre, Main Streets große Zeit. Und dann ging’s bergab. Immer weniger Gold und immer mehr Menschen.“ (Egon Erwin Kisch: Landung in Australien, Berlin 1950, S. 241f.)
Erste Funde hatte es bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegeben. Im Frühjahr 1851 berichtete jedoch Edward Hammond Hargraves in der Zeitung Sydney Morning Herald von einem ganzen Goldfeld in der Nähe von Guyong (Kolonie New South Wales). Innerhalb weniger Tage brachen Hunderte von Männern in Richtung des angegebenen Ortes auf. Nach einigen Monaten waren es über 10.000, die in der Nähe des Lewis Pond Creek campierten. Die Regierung vergab nun Schürflizenzen in Höhe von 30 Shilling pro Monat: „Die Obrigkeit heischte ihren Anteil von jedem, von dem Steinreichen genauso viel wie von dem, dessen Auge aus hungerhohler Wange vergeblich nach einem Stäubchen Gold Ausschau hielt. 800.000 Pfund Sterling wurden auf diese Weise jährlich an direkter Steuer aus den Diggers herausgepresst, während die übrige Bevölkerung des neuen Staates Victoria, einschließlich der Merino- und Weizenfürsten, der Grundstückspekulanten und Bankiers, nur 20.000 Pfund zahlte. Wer von den Goldgräbern mit der Lizenzgebühr im Rückstand war, wurde eingekerkert und ausgepeitscht, wer vor solcher Strafe flüchtete, dem brannten Gendarmen die Hütte nieder, sofern er eine besaß.“ (Ebenda, S. 242) Heftiger Widerstand der Digger war die Folge.
Die Goldgräber gründeten mit der Ballarat Reform League eine Interessenvertretung. Sie forderten ein Recht zur politischen Mitbestimmung. Statt der festen Monatsabgabe wollten sie nach der Menge des gefundenen Goldes besteuert werden. Doch der Gesetzgebende Rat von Victoria blieb stur. Eine revolutionäre Erhebung folgte. Die Digger verbrannten ihre Lizenzen. Unter der Führung von Peter Lalor kam es während der Eureka Stockage im Dezember 1854 zu Barrikadenkämpfen. Eine Streitmacht von 300 Soldaten, Polizisten und Söldnern fiel über ein verbarrikadiertes Camp der Goldsucher her: „In der Nacht auf Sonntag, den 3. Dezember 1854, stürmte das Militär die Eureka Stockage, aus der verzweifelter Widerstand geleistet wurde. Bis zum Morgen währte die Schlacht. Sterbende und Tote auf beiden Seiten der Hürde, Sieg auf der Seite der militärischen Übermacht.“ (Ebenda, S. 244) Zweiundzwanzig Aufständische und sechs Angreifer starben.
Als offizielle Zahlungsmittel kursierten damals in Australien nur britische Münzen. Inoffiziell lief aber auch spanisches, portugiesisches, holländisches und indisches Geld um. Wegen der permanenten Kleingeldnot gab es zudem lokal geprägte Token. Die Goldfunde in den Kolonien New South Wales und Victoria veränderten alles: „Ein Jahrzehnt war Goldstaub die Währung.“ (Ebenda, S. 244) Zudem ließ Gouverneur Sir Henry Young durch das Adelaide Assay Office Tausende von Barren aus dem eingelieferten Gold herstellen, was die Ausgabe von Papiergeld legitimierte. Ab November 1852 sind mit Genehmigung des South Australian Legislative Council erstmalig Token mit einem Nennwert von einem Pfund Sterling aus Gold hergestellt worden. Ein einheimischer Handwerker namens Joshua Payne schnitt die Stempel. Mit einem Feingewicht von acht Gramm überstieg der Goldwert dieser „Wertmarken“ aber den Nennwert. Die Token verschwanden daher rasch aus dem Zahlungsverkehr. Häufig wurden sie in Arztpraxen für Zahnfüllungen eingeschmolzen. Ein britischer Geschäftsmann produzierte sogar Token im Gewicht mehrerer Unze. Ab dem Jahr 1855 verarbeitete dann die neue Sydney Mint das eingelieferte Gold zu besonders gestalteten Sovereigns.
Nach dem Rückgang der Erträge in der Kolonie Victoria schien der Goldrausch im Jahr 1854 abzuflauen. Neue Funde im Jahr 1892 bei Coolgardie (Westaustralien) ließen ihn wieder aufleben: „1892, als der Farmer Patrick Hannan ahnungslos durch die Frotting Grounds ritt und auf dem Gestein etwas Rotes schimmern sah, hatten für Westaustralien goldene Zeiten eingesetzt. Mit Spekulation, mit Krediten, mit Anteilscheinen und mit Lots an der Goldenen Meile und den Minen von Coolgardie und Kalgoorlie konnte man weit sicherer Millionär werden, als wenn man selbst nach Gold schürfte. Der Digger litt Hitze und Durst, er musste für Wasser, nicht etwa echtes Trinkwasser, sondern kondensiertes Meerwasser, mit seinem echten Leben bezahlen oder gar mit echtem Gold, er verdurstete oder wanderte ab.“ (Ebenda, S. 167) Der Ingenieur Charles O’Connor plante daraufhin den Bau der 540 Kilometer langen Golden Pipeline, die ab 1903 das Wasser aus Perth heranbrachte. Grundlos wurde der Projektant jedoch der Korruption und des Missmanagements beschuldigt. Wie dem Rattenfänger von Hameln einst der Lohn verweigert wurde, blieben auch die Rechnungen des großen Ingenieurs unbezahlt: „O’Connor beging Selbstmord, aber er bekam nachher ein Denkmal, wie auch in Hameln der Rattenfänger das seine bekam.“ (Ebenda, S. 168)
Unter den Goldsuchern kamen nur wenige zu großen Vermögen. Wesentlich lukrativer war es, als Vermieter oder Zulieferer der Digger tätig zu werden. William Cross Yuille, ein nach den ersten Funden von seinem Land vertriebener Farmer aus Ballarat, wurde sogar mit Pferderennen reich: „Yuille gründete nach seiner Vertreibung ein Wettbüro in Melbourne und später einen Rennstall und nahm den Diggers alles Gold ab, das sie auf seinem ehemaligen Gebiet gefunden hatten.“ (Ebenda, S. 261) Glaubt man dem „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch, konnte er sich mit dem auf diese Weise gesammelten Gold alles leisten: „Lola Montez, die Geliebte des Königs Ludwig von Bayern, die schönste Frau der Welt, kam nach Victoria, weil dort die reichsten Männer der Welt waren, und war fest entschlossen, sich für das größte Nugget der Welt zu verkaufen. Keiner der Goldgräber durfte sich ihrer rühmen. Rühmen durfte sich ihrer nur der eine, der im Goldsucherbezirk nicht nach Gold suchte und es im Rennbetrieb fand, William Cross Yuille.“ (Ebenda, S. 261f.)
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