Nun war die Münzprägung der antiken sizilischen Stadt Leontinoi zwar von Anfang an reich und kündete somit vom Wohlstand der Polis, zeigt aber gleichzeitig an Hand der Vorderseitengestaltung, wie sehr diese in syrakusanischer Abhängigkeit stand; fand sich doch schon auf den Vorderseiten der ersten leontinischen Münzemissionen stets der Quadrigentyp aus Gela und Syrakus.
Dies war zum einen sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Quadriga in der syrakusanischen Münzprägung bereits seit 520 v. Chr. einen festen Platz hatte, zum anderen vielleicht auch darauf, dass Gelon, der Tyrann von Gela, der 485 v. Chr. auch Tyrann von Syrakus wurde, einige Jahre zuvor selbst Sieger beim Wagenrennen in Olympia gewesen war und nun die Gelegenheit nutzte, seinen olympischen Sieg mit Hilfe seiner Münzen jedem in Syrakus und Sizilien im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen zu führen. Zumal das vierspännige Wagenrennen damals als die kostspieligste, aristokratischste und ruhmreichste aller olympischen Disziplinen galt. „488 [v. Chr.] gewann er [die Rede ist von Gelon] das Wagenrennen in Olympia und weihte dem Heiligtum den Wagen und eine Statue seiner selbst. Die Weihinschrift heißt: <Gelon, Sohn des Deimones, aus Gela, hat [mich] dem Zeus geweiht. Glaukias aus Aigina hat [mich] gemacht>.“ (Finley, Das antike Sizilien, 1979, S. 76) Und was Gelon recht gewesen, das sollte seinem Bruder Hieron, der nach dem Tode Gelons in Syrakus herrschte (478-467/466 v. Chr.) und der ebenfalls im olympischen Wagenrennen gesiegt hatte, nur billig sein. Behielt er doch das propagandistisch ausdrucksstarke Symbol der „siegreichen Quadriga“ auf seinen Münzen bei. Und dies umsomehr, als „die einzige Legitimation der sizilischen Tyrannen ... ihr Reichtum, ihre siegreichen Gespanne und ihre großzügigen Stiftungen und Weihgaben an die großen Heiligtümer [waren].“ (Finley, ebenda, S. 82).
Doch so herausragend die Stellung Leontinois innerhalb der von Syrakus beherrschten Poleis auch war, die syrakusanische Quadriga scheint als Münzsymbol bei der leontinischen Bevölkerung nicht sonderlich beliebt gewesen zu sein, denn als 466 v. Chr., nach dem Sturz des syrakusanischen Tyrannen Thrasybulos, die Herrschaft der Deinomeniden zusammenbrach, ersetzte man in Leontinoi die syrakusanische Quadriga schon sehr bald durch den Kopf Apollons. Wie in der benachbarten Stadt Katane war nämlich auch hier Apollon Hauptgott. Wenn also fortan sein Kopf die Vorderseiten der meisten Silbermünzen zierte, so war dies nur folgerichtig – schließlich brachten die Leontiner damit zum Ausdruck, wen sie als oberste Herrschaftsinstanz anerkannten und wem sie ihr Schicksal und das ihrer Stadt anvertrauten.
Da der Löwe dem Apollon heilig war und zudem das „redende Wappen“ der Polis, blieb sein Kopf mit weit geöffnetem Rachen und heraushängender Zunge auch nach dem Sturz dieses ersten syrakusanischen Tyrannengeschlechts auf den Rückseiten der Münzen erhalten. Ebenso die im Münzfeld ringsherum angeordneten 3 oder 4 Gerstenkörner, die den Getreidereichtum und die Fruchtbarkeit der umliegenden Symaithos-Landschaft symbolisierten. Diese sind übrigens ähnlich angeordnet wie die Delphine, die den Kopf der Arethusa auf den Münzen von Syrakus umgeben. Was das Lorbeerblatt angeht, das manchmal auf der Vorder- und bisweilen auf der Rückseite zu finden ist, so symbolisierte es den Lorbeerbaum – die heilige Pflanze Apollons.
Auf einigen 1-Litren-Münzen der Periode 455-430 v. Chr. erscheint vorderseitig aber nicht der Kopf des Apollon, sondern der Löwenkopf und rückseitig der nackte Apollon mit Phiale und Lorbeerzweig beim Opfer über einem kleinen Altar.
Weil Syrakus 422 v. Chr. Leontinoi unter seine Kontrolle gebracht und die Stadt dabei teilweise zerstört hatte, nahmen Numismatiker früher an, Leontinoi habe danach bis in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. keine Silbermünzen mehr geprägt. Tatsächlich aber emittierte die Stadt zwischen 405 und 402 v. Chr. silberne Tetradrachmen, Litren und Hemilitren.
Laut Oliver Hoover kam die Silberprägung Leontinois erst 402 v. Chr. infolge der Deportation der Leontiner durch Dionysios I. von Syrakus zum Erliegen. Zwar verausgabte Leontinoi unter der Herrschaft des Timoleon von Korinth, gut 60 Jahre später (339/38-337 v. Chr.), noch einmal silberne Statere korintischen Fußes, doch boten diese nichts „leontinisches“ mehr, sondern unterschieden sich nur durch die Umschrift und das Beizeichen eines Gerstenkorns von den originalen korinthischen „Athena/Pegasos“-Stateren.
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