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Künker

Die Olympischen Spiele, die keine mehr sein dürfen

Im Jahr 1906 lud das IOC und der griechische Staat zu Olympischen Spielen nach Athen. Diese Spiele haben den Ablauf der Zeremonien rund um das sportliche Kräftemessen nachhaltig geprägt, auch wenn das IOC diese Spiele heute nicht mehr anerkennt. Eine Siegermedaille dieser Spiele wird am 18. Juni 2024 bei Künker versteigert.


Am 18. Juni 2024 versteigert das Osnabrücker Auktionshaus Künker eine von wahrscheinlich nur in 78 Exemplaren geprägte „Gold“-Medaillen der Olympischen Spiele von 1906 in Athen (natürlich nicht aus reinem Gold bestehend, sondern wie damals üblich aus vergoldetem Silber). Nun finden sich diese Olympischen Spiele von 1906 nicht in der Liste des IOC. Wir erzählen Ihnen warum diese Olympischen Spiele heute keine mehr sein dürfen.


Die Gründungsmitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (von l. nach r.) Pierre de Coubertin, Willibald Gebhardt aus Berlin, Jiří Stanislav Guth-Jarkovský aus Böhmen, Dimitrios Vikelas aus Griechenland, Ferenc Kemény, Victor Balck aus Schweden und Aleksey Boutovsky aus Russland.


Ein toller Start und zwei Flops

1896 begann die Olympische Bewegung mit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit in Athen. Sie wurden ein voller Erfolg, vor allem weil der griechische Kronprinz Konstantin sich selbst an die Spitze des Organisationskomitees stellte, nachdem ein erstes Organisationskomitee des IOC die Kosten nicht in den Griff bekam. Konstantin gelang es, die notwendigen Mittel aufzutreiben, um aus den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit ein Ereignis von Weltrang zu machen.


Beflügelt durch den großen Erfolg des Events forderte König Georg I. während eines Banketts für die Athleten, Athen zum einzigen Austragungsort der Olympischen Spiele zu machen. Er fand viele Unterstützer, gerade unter den Sportlern, die die hervorragende Organisation zu würdigen wussten. Doch Pierre de Coubertin stellte sich vehement dagegen. Er war Franzose und hatte nur gezwungenermaßen die ersten Spiele in Griechenland akzeptiert. Er wollte eigentlich die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit im Rahmen der Pariser Weltausstellung von 1900 stattfinden lassen. Danach mochten sie um die ganze Welt wandern. Diese Idee war gescheitert, sollte sich Georg I. durchsetzen. So schlug Coubertin vor, in Zukunft zwei Sorten von Olympischen Spielen zu veranstalten: Die wandernden Olympischen Spiele, die sich mit Olympischen Spielen in Athen abwechseln sollten. Allerdings zerschlug sich diese Idee, weil sich Griechenland bereits 1897 im Türkisch-Griechischen Krieg befand und kein Geld mehr für Olympische Spiele hatte.


So fanden die zweiten Olympischen Spiele also unangefochten in Paris statt, und das obwohl die Franzosen sie eigentlich nicht haben wollten. Die meisten Athleten merkten nicht einmal, dass sie bei Olympischen Spielen antraten. Denn statt des IOC zeichnete die Union de sociétés françaises de sports athlétique veranwortlich, die ihre Veranstaltung die Concours Internationaux d’Exercices Physiques et de Sports nannte.


Auch die dritten Olympischen Spiele von 1904 während der Weltausstellung in St. Louis waren ein Reinfall für das IOC. Dort nannte man die Veranstaltung zwar Olympic Games, aber für die Organisation zeichnete nicht das IOC, sondern die Amateur Athletic Union verantwortlich. Deshalb verhinderte Pierre de Coubertin höchstpersönlich, dass Vertreter des IOC nach St. Louis reisten: Er setzte eine Sitzung des IOC in London nur eine Woche vor Beginn der Spiele an. Damals brauchte das schnellste Schiff – die deutsche Kronprinz Wilhelm – für die Reise über den Atlantik 5 Tage 11 Stunden und 57 Minuten. In einer Woche von London nach St. Louis zu gelangen, war 1904 illusorisch. Die lange und teure Anreise hatte auch viele Athleten gehindert, nach St. Louis zu fahren, so dass 1904 der Anteil von nordamerikanischen Teilnehmern bei 90% lag.


Neustart in Athen

Für 1908 war Rom als Austragungsort vorgesehen, aber im Januar 1906 löste sich das italienische Organisationskomitee einfach auf. Damit stand die Olympische Idee mehr oder minder vor dem Aus, als die griechische Regierung bekannt gab, sie plane für 1906 Olympische Spiele im neuen, von Coubertin vorgeschlagenen Takt. Das IOC begriff, welche Chance sich ihm da bot und sagte Griechenland seine volle Unterstützung zu – mit Ausnahme von Pierre de Coubertin. Ihm lag anscheinend mehr daran, seine Konzepte durchzusetzen als Erfolg für die Olympische Idee zu haben.

Vergoldete Silbermedaille für einen Sieger der Olympischen Spiele von 1906, Stempel von J. C. Chaplain, geprägt in der Monnaie de Paris. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 5.000.- Euro. Aus Auktion Künker 408 (18.-19. Mai 2024), Nr. 122.


Mit den Olympischen Spielen von 1906 plante Griechenland, nahtlos an den Erfolg der ersten Spiele anzuknüpfen. Davon zeugen auch die Medaillen, die man bei der Monnaie de Paris anfertigen ließ. Sie gleichen bis ins Detail denen der ersten Olympischen Spiele. Auf der Vorderseite sehen wir den Kopf des Zeus Olympios, der in seiner rechten Hand eine Nike auf einem Globus hält. Die Rückseite präsentiert den Blick auf die Akropolis, wie sie vom Panathinaiko-Stadion aus zu sehen ist. Einzig das Datum ist auf der Rückseite angepasst, sonst ist die Umschrift identisch mit der von 1896: "Internationale Olympische Spiele in Athen 1906" (in Übersetzung). Für die 78 Wettbewerbe wurden je eine Gold-, Silber- und Bronzemedaille angefertigt. Die Goldmedaillen bestanden – wie das bei Künker angebotene Stück – nicht aus purem Gold, sondern aus vergoldetem Silber.


Erstmals wohnten anlässlich der Olympischen Spiele von 1906 alle Athleten zusammen in einer Art Vorläufer des Olympischen Dorfs, dem Zappeion. Foto: KW.


Neuerungen von 1906, die sich bis heute gehalten haben

Ganz anders als die Spiele in Paris und St. Louis waren die Spiele von Athen ein riesiger Erfolg. Dafür gab es zwei wesentliche Gründe: Zum einen überschattete diesmal keine Weltausstellung ihre Veranstaltung; zum anderen hatte man den Zeitrahmen enger gesteckt. Dauerten die 2. und 3. Olympischen Spiele sechs, resp. fünf Monate, wurden die Wettkämpfe in Athen auf die Zeit vom 22. April bis zum 2. Mai 1906 konzentriert.


Erstmals gab es Delegationen der verschiedenen nationalen Olympischen Komitees, denn die Athleten mussten sich über ihre nationalen Olympischen Komitees anmelden. Das führte zu einem Eklat, als der Ire Peter O’Connor die Silber-Medaille im Weitsprung gewann. Da Irland damals kein Olympisches Komitee besaß, fand er sich – sehr zu seinem Ärger! – als Teil der britischen Delegation wieder. Als nun die britische Fahne bei seiner Siegerehrung gehisst wurde, erkletterte O’Connor die Fahnenstange, um von oben mit der irischen Flagge zu winken, während ein Landsmann die Fahnenstange bewachte, so dass niemand O’Connor herunterholen konnte.


Apropos: Das Hissen der Fahne als Teil der Siegerehrung geht auch auf die Olympischen Spiele von 1906 zurück, genauso wie der Einmarsch der Nationen hinter ihrer Nationalflagge.

Die liebenswürdigste Idee aber, die wir den Olympischen Spielen von 1906 verdanken, ist ein gemeinsames Quartier für alle Athleten. Sie hausten im Zappeion, das so zum Vorläufer des Olympischen Dorfs wurde.


Postkarte von den Olympischen Spielen von 1906: Gewichtheben – der österreichische Gewichtheber Josef Steinbach gewann 1906 eine Gold- und eine Silbermedaille. Aus der Sammlung Nikos D. Karabelas, Preveza / Griechenland. Aktia Nikopolis Foundation.


Ein großer Erfolg

Die Olympischen Spiele von 1906 wurden ein großer Erfolg: 900.000 Zuschauer jubelten 854 Athleten aus 20 Ländern von vier Kontinenten zu. Zum Vergleich: 1896 reisten „nur“ 241 Athleten an.

Die Presse zeigte sich begeistert, so schrieb ein amerikanischer Journalist:

„Die Olympischen Spiele von 1906 werden in die Sportgeschichte als das bemerkenswerteste derartige Ereignis eingehen, das je stattgefunden hat. Sie haben in jeder Hinsicht die erfolgreichen Olympischen Spiele von 1896 übertroffen. [...] Die Bilder und Ereignisse und alles in Verbindung mit den Olympischen Spielen von 1906 hinterließ einen Eindruck, der unvergesslich ist, und es steht zu hoffen, dass zukünftige Olympische Spiele mit denen von 1906 mithalten können.“

Man kann eigentlich sagen, dass die Spiele von 1906 die Olympische Bewegung erst so richtig in Schwung brachten. Denn erst nach diesem großen Erfolg entschied sich die British Olympic Association im Herbst 1906, die Organisation der Olympischen Spiele von 1908 zu übernehmen.


Warum führte Griechenland diese Tradition nicht weiter?

Eine Neuauflage der griechischen Zwischenspiele gab es allerdings nicht. Schuld daran war der Krieg bzw. viele Kriege. Im Juli 1908 stürzten die Jungtürken nämlich die osmanische Herrschaft. Die griechischen Politiker nutzten wie viele andere Balkanstaaten die Schwäche des einstigen Weltreichs, um Gebiete zu annektieren. Der Streit ums Erbe der Osmanen führte erst zu den Balkan-Kriegen, die in den Ersten Weltkrieg mündeten. Der wurde seinerseits abgelöst vom Türkisch-Griechischen Krieg, der mit der Antallagí endete. Was die Historiker verharmlosend als Bevölkerungsaustausch beschreiben, bestand in der Vertreibung von 1,5 Mio. anatolischen Griechen und 400.000 griechischen Muslimen.


Damit wuchs die Bevölkerung Griechenlands quasi über Nacht von 6 auf 7,5 Mio. Einwohner, also um 25%. Die sozialen und politischen Unruhen, die dieser gewaltigen Flüchtlingswelle folgten, ließen für Olympische Hirngespinste keinen Platz.


Das IOC will mit den Spielen von 1906 nichts mehr zu tun haben

Das IOC aberkannte den Spielen von 1906 auf Drängen von Pierre de Coubertin nachträglich ihren Status als Olympische Spiele – und das obwohl die Anmeldung über die nationalen Olympischen Komitees erfolgte und Vertreter des IOC die Spiele vor und während ihrer Durchführung unterstützten. Man einigte sich auf die Sprachregelung, es habe sich bei den Spielen lediglich um ein Zehn-Jahr-Jubiläum der ersten modernen Spiele von 1896 gehandelt. Das hielt das Britische Olympische Komitee natürlich nicht davon ab, alle guten Ideen von 1906 in die eigenen Spiele zu integrieren.


Die Bedeutung der Olympischen Spiele von 1906

Auch wenn sich das IOC nachträglich von diesen Spielen distanzierte, können wir ihre Bedeutung für die Olympische Bewegung nicht überschätzen. Die Olympischen Spiele von 1906, die heute keine Olympischen Spiele mehr sein dürfen, waren richtungweisend und belebten die Olympische Idee zu einem Zeitpunkt als diese schon dem Untergang geweiht schien.


Übrigens ein 1949 an das IOC gestellter Antrag, die Spiele von 1906 als Olympiade IIIB anzuerkennen, wurde zurückgewiesen.

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