Nach der Reichseinigung 1871 wurden die in verwirrender Vielzahl auch in Hamburg kursierenden Sorten eingezogen und nach und nach durch das neue Reichsgeld ersetzt. Im Schmelztiegel landeten massenhaft die guten alten hamburgischen Mark-Stücke, die wegen ihres hohen Silberanteils mit 1,20 (Reichs-)Mark bewertet wurden, sowie andere Münzen, die sich über die Jahre in den Haushalten angesammelt hatten. Der Name der neuen Reichswährung bezog sich nicht auf den norddeutschen Taler oder den süddeutschen Gulden, sondern an der seit dem späten Mittelalter mit großem Erfolg wegen ihrer guten Qualität geprägten Hamburg-Lübecker Mark.
Die Mark, ursprünglich eine Gewichtseinheit, hatte sich im Norden Deutschlands auch als Nominal durchgesetzt. Hier ein 2/3-Mark-Stück aus Hamburg von 1505. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18219837.
In den 1870er Jahren entsann man sich damals in Hamburg, dass man mit der Münzprägung recht gut Geld verdienen kann. In Erinnerung an alte Zeiten ersuchte die Bürgerschaft am 18. Juni 1873 den Senat, „baldtunlichst mit dem Reichskanzleramte über die Errichtung einer Münze in Hamburg in Unterhandlung zu treten“. Der Grund für die Initiative war weniger das sentimentale Gefühl, durch Belebung der schon länger ruhenden Münzprägung etwas für das Prestige der zu den kleinen Bundesstaaten im Deutschen Reich gehörenden Hansestadt zu tun. Viel wichtiger waren die zu erwartenden Gewinne. Da aber das alte Münzhaus am Dornbusch nicht mehr existierte, musste ein neues gebaut werden. Die Bürgerschaft nahm an, dass die hamburgische Münzstätte auf Kosten des Reiches errichtet wird. Doch mussten sie sich belehren lassen, dass Bau und Betrieb der Prägeanstalt auf Kosten der Stadt erfolgt. Die Münze würde vom Reich mit der Herstellung von Hartgeld beauftragt und erhielt dafür als Lohn einen bestimmten Anteil erstattet.
Das Hamburger Wappen auf der Goldmünze von 1873 zu 10 Mark (Jaeger 206) genügte den Hanseaten nicht, weshalb spätere Reichsmünzen mit der Kennung J in Anlehnung an alte Taler mit einem repräsentativen Wappen mit je einem Löwen zu beiden Seiten geschmückt wurden.
Bildquelle: Emporium, Auktion 102, 8. Mai 2023, Los Nr. 2637.
Da von dem Betrieb einiger Gewinn erwartet wurde, beschlossen Bürgerschaft und Senat die Einrichtung einer eigenen Münzanstalt. Dazu wurde eine ehemalige Wagenfabrik an der Norderstraße für 287.201 Courant-Mark (344.641 Goldmark) angekauft und für einen ähnlich großen Betrag in eine Geldfabrik umgebaut. Bereits 1875 konnte der neu eröffnete Betrieb mit der Prägung von Fünf-Mark-Stücken sowie von Pfennigen und Groschen beginnen. Eigentlich sollte die Hamburgische Münze nach der Reichsgründung den neunten Buchstaben des Alphabets, das I, erhalten. Doch da man befürchtete, er könnte mit der römischen 1 verwechselt werden, wurde aus dem I ein J. Seitdem sind alle in dieser Hansestadt geprägten Münzen mit dem J versehen.
10 Mark 1875, Münzstätte Hamburg, Jaeger 209, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18224429&view=rs.
Hamburg übernahm in der Kaiserzeit 8,17 Prozent der deutschen Hartgeldproduktion, woraus die relative Seltenheit Hamburger Gepräge resultiert. Für bestimmte Goldmünzen mit dem Hamburger Wappen werden Liebhaberpreise bezahlt. Das gilt beispielsweise für ein 1881 in nur 500 Exemplaren geprägtes Zwanzig-Mark-Stück. Auf ganze 14 Zwanzig-Mark-Stücke brachte es der für das Reichsbankdirektorium versuchsweise geprägte Jahrgang 1908. Es versteht sich, dass von solchen Top-Raritäten auch Fälschungen und Manipulationen vorkommen, weshalb Angebote genau geprüft werden sollten. Wer auf Goldmünzen mit dem Kopf von Kaiser Wilhelm II. statt des Buchstaben A ein J findet, hat keine Fälschung vor sich, sondern ganz offiziell aufgrund eines kaiserlichen Erlasses in der Hamburgischen Münze geprägte Ausgaben zu 20 Mark. Diese Stücke von 1905, 1906, 1909, 1910 und 1912 werden zwar unter Preußen katalogisiert, gehören aber eigentlich nach Hamburg. Auf Fälschungen und Manipulationen ist auch hier zu achten.
Neben anderen Kolonial-Münzen wurde auch das gelochte 10-Heller-Stück für Deutsch-Ostafrika (Jaeger 719) in Hamburg geprägt; hier auf einer Postkarte unten rechts abgebildet.
Bildquelle: wikimedia commons.
Überliefert ist eine 1875 erlassene Fabrikordnung, die den Betrieb der Hamburgischen Münze streng regelte. In einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, heißt es in den Paragraphen 1 bis 3:
„Jeder Münzarbeiter ist den vorgesetzten Beamten Gehorsam schuldig und muss sich eines bescheidenen und angemessenen Benehmens befleißigen. Auch den Anordnungen der Vorarbeiter ist Folge zu leisten, und muss der Arbeiter, wenn er glaubt, dass ihm dadurch Unrecht geschieht, sich an den vorgesetzten Beamten wenden, damit dieser entscheide. Jeder Arbeiter soll nach Kräften dahin zu wirken suchen, dass die Ordnung in jeder Richtung erhalten bleibe, namentlich aber ist er verpflichtet, Unredlichkeiten nicht zu dulden und solche, wenn sie zu seiner Kenntnis kommen, einem der Beamten sofort mitzutheilen.“
Die Arbeitszeit dauerte einschließlich der Pausen von morgens sechs bis abends sechs Uhr.
„Außer diesen Arbeitszeiten muss auf Anordnung des Münzdirektors zu den für Ueberarbeit festgesetzten Löhnen gearbeitet werden. Kein Arbeiter aber darf ohne Anordnung des vorgesetzten Beamten Ueberarbeit auf eigenen Antrieb machen.“
Weitere Bestimmungen gelten dem Lohnentzug, wenn jemand ein paar Minuten zu spät zur Arbeit erschien oder vorzeitig den Arbeitsplatz verließ.
Die Plakette von 1925 würdigt das fünfzigjährige Bestehen der Hamburgischen Münze und zeigt Arbeiter beim Gießen des Metalls, aus dem in weiteren Produktionsgängen Münzen entstehen. Bildquelle: Caspar.
Selbstverständlich waren alkoholische Getränken beziehungsweise das Tabakrauchen in den Werkstätten mit Ausnahme der Schmelze verboten. Urlaub, der nach damaligem Brauch nicht bezahlt wurde, musste rechtzeitig beantragt werden. Verstöße gegen die Fabrikordnung wurden entweder mit Entlassung oder mit einer Strafe in Höhe eines Tageslohns geahndet. Wichtig war der § 12, der unberechtigten, also betriebsfremden Personen den Eintritt in die Münzwerkstätten untersagte.
Hinter dieser Bestimmung scheint sich die Furcht zu verbergen, jemand könnte Fremden oder Angehörigen etwas von dem gemünzten Geld oder von den Metallplättchen zustecken und damit der Münze Schaden zufügen.
Diese seltene Aufnahme zeigt einen Blick in den Prägesaal der Hamburgischen Münze Anfang
des 20. Jahrhunderts. Bildquelle: Caspar.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Hamburgische Münze wie fast die ganze Innenstadt durch Bombenangriffe zerstört. Nach mühevoller Wiederaufbauarbeit stellte sie 1948 die ersten Pfennige und ab 1949 die ersten Groschen und Fünfziger mit dem J her. Bis zur Wiedervereinigung kamen 26,7 Prozent aller Bundesmünzen aus Hamburg. Nachdem 1990 die Berliner Münze als fünfte deutsche Prägeanstalt gesamtdeutsch tätig wurde, sank der Hamburger Anteil auf 21 Prozent. Da die alten Produktionsräume für die wachsenden Aufgaben nicht mehr ausreichten, bezog die Hamburgische Münze 1982 eine neue Produktionsstätte mit der Adresse Bei der Neuen Münze in Hamburg-Rahlstedt.
Wer die Münz- und Medaillengeschichte der Hansestadt genauer kennenlernen möchte, ist im Museum für Hamburgische Geschichte am Holstenwall 24 an der richtigen Adresse. Hier dokumentiert das Münzkabinett Einzelheiten über die über tausend Jahre alte Hamburger Münz-, Geld- und Bankengeschichte. Gezeigt werden Prägungen, beginnend mit römischen Geldstücken, die in der Region gefunden wurden und wichtige Belege für Handel und die Anwesenheit von römischen Soldaten darstellen, und endet bei prächtigen Goldmedaillen und Silbertalern der Neuzeit. Zu erfahren ist auch, wie schwierig es für Händler und Bankiers war, mit den zahllosen, oft ganz unterschiedlich großen und schweren Geldstücken klarzukommen und warum sich die Hansestädte im späten 14. Jahrhundert im Rahmen des Wendischen Münzvereins zur Förderung von Handel und Wandel auf eine einheitliche Münzprägung verständigten.
Helmut Caspar
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