Nachdem der syrakusanische König Hieron II. (269/265–215 v. Chr.) 215 v. Chr. im Alter von 90 Jahren gestorben war und sein Sohn Gelon II. bereits ein Jahr zuvor das Zeitliche gesegnet hatte, ging die Königsherrschaft auf den erst 15 Jahre alten Sohn Gelons, Hieronymos, über. Nun hatte Hieron II. seinem Enkel zwar einen 15-köpfigen Vormünder-Rat hinterlassen, um diesem das Regieren zu erleichtern, doch war dieser auf Betreiben von Andranodoros, dem machthungrigen Onkel des Hieronymos, bald danach aufgelöst worden. Und so wurde Hieronymos zum willfärigen Werkzeug seines Onkels.
Abb. 1: Syrakus (Sizilien): Hieronymos (315–314 v. Chr.). Viertelstater bzw. Hemidrachme, Gold, 2,13 g, Ø [Höhe Rs.] 11 mm, Münzstätte Syrakus. [Quelle: Classical Numismatic Group, Triton VII (12. Januar 2004), Los 118].
Was das Verhältnis von Syrakus zu Rom angeht, so stand der Großvater des Hieronymos stets auf der Seite Roms und hatte dieses während des 1. Punischen Krieges (261–241 v. Chr.) auch mit Getreide und Soldaten aktiv unterstützt. Da die Römer in der Anfangsphase des 2. Punischen Krieges (218–201 v. Chr.) aber keine gute Figur gemacht hatten – die Schlachten an den Flüssen Ticinus und Trebia sowie am Trasimenischen See hatten sie verloren und bei Cannae 216 v. Chr. ihre schwerste Niederlage (48.000 Tote und 45.000 Gefangene) erlitten – schloss Hieronymos, nach Hinrichtung des prorömisch gesinnten Thrason und dem Erstarken einer prokarthagischen Fraktion in Syrakus, eine Allianz mit den Karthagern, der zufolge ganz Sizilien zwischen Syrakus und Karthago aufgeteilt werden sollte. Die Grenze zwischen beiden Gebieten sollte der Fluss Himera sein. Später beanspruchte Hieronymos allerdings ganz Sizilien, wenn er Karthago denn Militärhilfe leisten sollte. Da die Karthager sich vom syrakusanischen Beistand einen schnelleren Sieg gegen die Römer erhofften, gingen sie schließlich auf die Forderung ein und Hieronymos begann mit der Aufstellung und Ausrüstung eines 17.000 Mann starken Heeres. „Nach Livius (24,26,1) plante er [gemeint ist Hieronymos] sogar ein gemeinsames Vorgehen von Syrakus, Karthago und Ägypten gegen die Römer.“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 5, Sp. 546) Doch bereits im Sommer 214 v. Chr. wurde Hieronymos das Opfer einer Soldaten-Verschwörung, die von seinem Leibwächter Deinomenes angeführt wurde und während eines Besuchs in Leontinoi ermordet.
In den größtenteils prorömischen antiken Quellen werden das Wesen und die Taten des Hieronymos nicht selten übertrieben gewalttätig und exzessiv dargestellt und laut Polybios „sensationell aufgebauscht.“ (Der neue Pauly, wie a.a.O.) So soll er beispielsweise Bürger und auch Familienmitglieder auf bloßen Verdacht hin oder um sich ihr Vermögen anzueignen, exekutiert haben. Ferner soll er zahlreichen Frauen von Syrakus Gewalt angetan haben. Nach Oliver D. Hoover dürften Behauptungen dieser Art zusammen mit den Agitationen der prorömischen Fraktion in der Stadt schließlich zur Entfremdung zwischen dem König und seinen Bürgern geführt und dem erwähnten Mordanschlag Vorschub geleistet haben.
Nach dem Tod des Hieronymus wurden Tyrannei und Königsherrschaft in Syrakus juristisch abgeschafft, die Demokratie wiederhergestellt – es war dies die 5. der Stadt – und die Verwandten und früheren Berater des Königs zum Tode verurteilt. Die antirömische Gesinnung in Syrakus blieb allerdings erhalten – doch das ist eine andere Geschichte.
Abb. 2: Syrakus (Sizilien): Hieronymos (315–314 v. Chr.). 10 Litrai, Silber, 8,50 g, Ø [Höhe Vs.] 23 mm, Münzstätte Syrakus. [Quelle: F. R. Künker, Auktion 397 (14. November 2023), Los 2134].
Die Münzen des Hieronymos
Obwohl der junge König nur 13 Monate regierte, so emittierte er eine Menge Gold-, Silber- und Bronzemünzen. Die Goldmünzen, zu denen sowohl Hemistatere bzw. Drachmen als auch Viertelstatere bzw. Hemidrachmen attischen Münzfußes gehören, sind absolut motivgleich und zeigen vorderseitig den Kopf der Kore-Persephone im Ährenkranz und rückseitig ein geflügeltes Blitzbündel. (Abb. 1)
Kore-Persephone war die Tochter des Zeus und der Getreidegöttin Demeter. Da die Ähre auch ihr Attribut war und nicht bloß das ihrer Mutter, sehen wir sie hier mit Ährenkranz im Haar.
Anders als die Goldstücke wurden die Silbermünzen des Hieronymos im Litra-Standard (10 Litrai = ca. 9,4 g) verausgabt. Die geprägten Silberstücke umfassen die Nominale 24, 10 und 5 Litrai. Da sie alle motivgleich sind, offenbaren sie vorderseitig das nach links gewandte Porträt des Königs im Diadem und rückseitig ein geflügeltes Blitzbündel. (Abb. 2 und 3)
Abb. 3: Syrakus (Sizilien): Hieronymos (315–314 v. Chr.). 5 Litrai, Silber, 4,26 g, Ø [Höhe Vs.] 17,5 mm, Münzstätte Syrakus. [Quelle: Classical Numismatic Group, Triton VII (12. Januar 2004), Los 118].
Aber auch die Bronzemünzen des Hieronymos zeigen dieselben Bildmotive wie die Silbermünzen, d. h. Königsporträt auf der Vorderseite und geflügeltes Blitzbündel auf der Rückseite. (Abb. 4)
Abb. 4: Syrakus (Sizilien): Hieronymos (315–314 v. Chr.). Nominal B, Bronze, 8,60 g, Ø [Höhe Vs.] 22,5 mm, Münzstätte Syrakus. [Quelle: Münzen Gut-Lynt, Auktion 1 (28. März 2021), Los 15].
Interessant und bemerkenswert ist, dass die Rückseiten aller Münzen von Hieronymus motivgleich sind und auch die gleichen Legenden tragen, nämlich "ΒΑΣΙΛΕΟΣ / ΙΕΡΩΝΥΜΟΥ" ([Münze] des Königs Hieronymos).
Aber weshalb zeigen eigentlich alle rückseitig ein geflügeltes Blitzbündel? Nun, schaut man sich die Münzen der ehemaligen syrakusanischen Könige Agathokles und Pyrrhos von Epeiros an, so zeigen auch etliche derer Münzen ein geflügeltes Blitzbündel. Das Motiv war also nicht neu. Folgt man dem Numismatiker Oliver D. Hoover, dann suchte Hieronymos damit allerdings seine Abstammung von Pyrrhos, über dessen Tochter oder Enkelin Nereis zu betonen. „Hieronymos desired to become a great leader of the Greek cities of Sicily against the Romans, just as Pyrrhos had been to Taras and the cities of southern Italy in 280–275 BC.“ (Oliver D. Hoover: The Handbook of Greek Coinage Series, Volume 2, Handbook of Coins of Sicily, S. 404) Denn Hieronymos wollte ein großer Führer der griechischen Städte im Kampf gegen Rom werden, genauso wie es Pyrrhos für Taras und die Städte Süditaliens in den Jahren 280–275 v. Chr. gewesen war. Insofern war das geflügelte Blitzbündel das optisch symbolische Verbindungsglied zwischen Hieronymos und Pyrrhos.
Michael Kurt Sonntag
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