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Die Korrespondenz des Berliner Münzkabinetts von 1933 bis 1945 wird aufgearbeitet

Dietmar Kreutzer

Zur Geschichte des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin ist mehrfach publiziert worden, zuletzt umfangreich in dem Band Münzkabinett: Menschen, Münzen, Medaillen (Berlin 2020) und Münzsammlungen in Deutschland zwischen 1933 und 1945 (in: Geldgeschichtliche Nachrichten, September 2022). Nun wird die Korrespondenz des Münzkabinetts von 1933 bis 1945 aufgearbeitet. Nach Abschluss der Arbeiten soll sie in geeigneter Form, wohl digital, veröffentlicht werden.


Während des genannten Zeitraumes war zunächst Kurt Regling der Direktor des Münzkabinett. Nach dessen Tod wurde Arthur Suhle kommissarischer Direktor. Als Mitarbeiter war Josef Liegle beschäftigt, zeitweise noch Walther Hellige. Der politisch unbelastete Arthur Suhle leitete das Münzkabinett bis zum Kriegsende und darüber hinaus. Josef Liegle wurde Ende 1944 zum Kriegsdienst einberufen und starb wahrscheinlich in den letzten Tages des Krieges bei Halbe. Walther Hellige ging in die Bundesrepublik Deutschland und brachte es dort bis zum Mitglied des Bundestages: "Die Korrespondenz im Münzkabinett, die noch nicht systematisch ausgewertet ist, bietet Zeugnisse der Solidarität Reglings mit dem jüdischen Münzenhandel und des persönlichen Ensatzes für seinen ehemaligen Studenten und Antiken-Numismatiker Willy Schwabacher (1897-1972), der ein Enkel des Münzhändlers Adolph E. Cahn (1839-1918) und ein Neffe von Julius Cahn war. Infolge von Reglings Erkrankungen übernahm Arthur Suhle immer mehr Verantwortung, ab 1935 war dieser dann bis zum Ende des Krieges kommissarischer Direktor." (1) Die Aufarbeitung der Archivalien des Münzkabinetts ist ein Langzeitvorhaben, zu dem das Scannen der Korrespondenz und deren Tiefenerschließung gehören, derer sich eine Mitarbeiterin aus dem Studiensaal des Kabinetts seit einiger Zeit angenommen hat: "Natalie Osowski ordnet derzeit die Briefkorrespondenz des Münzkabinetts und erleichtert deren Nutzbarkeit." (2) Über 10.000 Dokumente, im Regal vielleicht ein laufender Meter, sind zu sichten und zu erschließen. Überwiegend handelt es sich dabei um Korrespondenz. Hinzu kommen Abbildungen, Münzabriebe, Zeichnungen, Fotografien. Münzen-Online, hat nachgefragt, worauf sie dabei gestoßen ist.


Numismatiker Willy Schwabacher (1897-1972)

Bildquelle: Wikimedia, Lindros

Kabinettsdirektor Kurt Regling (1876-1935)

Bildquelle: Wikimedia, Lishleb

Publikation von Josef Liegle (1893-1945)

Bildquelle: Amazon, Schwabe


Auf den ersten Blick sind es viele Schichten Papier, bedruckt oder beschrieben. Das zu lesen, bedarf es Übung. Die Kurrentschrift, insbesondere Sütterlin, hat sich Natalie Osowski dabei eigenständig angeeignet. Wenn sie bestimmte Kritzeleien nicht entziffern konnte, verglich sie die Stellen mit dem entsprechenden Alphabet. Auf diese Weise verblieben nur noch wenige Abschnitte, die als „unleserlich“ ausgewiesen werden müssen. Dann wurde geordnet, nach Datum, Absender, Adressat. Hinzu kamen kurze Inhaltsangaben. Oft geht es um einen Münz- oder Medaillenverkauf, eine Schenkung, eine Leihgabe. Manchmal spielen persönliche Geschichten eine Rolle, ganze Lebensschicksale. Gleich zu Beginn fand Osowski etwas von Willy Schwabacher, jenen jüdischen Numismatiker, der in der NS-Zeit keine Arbeit fand. Direktor Regling bemühte sich, eine Anstellung für ihn zu finden, in Amerika, bei der American Numismatik Society. Er fragte dort an: Hätten Sie etwas für Willy Schwabacher? Auch in Istanbul erkundigte er sich bei einem Kollegen. Er wollte Schwabacher in Sicherheit bringen. Das war persönlicher Einsatz, fast schon eine Freundschaft. Aus Amerika bekam Regling eine Absage. Dort hieß es, man habe gerade keine freien Stellen. Schwabacher konnte sich dennoch retten, ist ausgereist, arbeitete schließlich in Schweden und hat die NS-Zeit überlebt.




Erfassung der Dokumente im Münzkabinett

Foto: Dietmar Kreutzer


Josef Liegle, der oben erwähnte wissenschaftliche Mitarbeiter, über dessen Nachlass das Münzkabinett übrigens verfügt, ist im Krieg gefallen. Seine Spur verliert sich in der Schlacht von Halbe. Von seinem Einsatzort schrieb Liegle an das Münzkabinett. Es war ihm offensichtlich wichtig, seinen Kollegen mitzuteilen, wie es ihm geht und ihnen Grüße auszurichten. Obwohl er noch heute als vermisst gilt, hat Liegle den Krieg ganz offensichtlich nicht überlebt. Neben derart tragischen Schicksalen gibt auch anderweitig anrührende Geschichten zu entdecken. Ein Kollegen aus der American Numismatik Society beispielsweise fragte nach Gipsen. Solche Anfragen gab es oft. Dann wurden die fraglichen Münzen im Kabinett abgeformt und die Gipse per Post nach Amerika geschickt. Es gab oft Korrespondenz dazu, beispielsweise wegen fehlenden Materials. Im Krieg war vieles Knapp, zum Beispiel Stanniolfolie. Die Ausfertigung zog sich dann länger Zeit hin. Irgendwann kamen die Gipse aber an. Der Kollege bedankte sich herzlich. Im nächsten Brief stand dann aber: Entschuldigung, dass ich Sie wieder belästigen muss. Meine Kinder haben mit den Gipsen gespielt. Dabei sind sie zerbrochen bzw. abhanden gekommen. Sie mussten dann noch einmal angefertigt und losgeschickt werden.


Dietmar Kreutzer



Quellenangaben:


(1) Bernhard Weisser: Digitale Provenienzforschung am Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin; in: Geldgeschichtliche Nachrichten, September 2022, Sonderheft, S. 262

(2) Ebenda, S. 265

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