Die internationale Erfolgsgeschichte des Talers
- Andreas Raffeiner
- vor 1 Tag
- 4 Min. Lesezeit
Dieser Aufsatz beschreibt die Entwicklung des Talers, einer Münze, die zunächst im Heiligen Römischen Reich geprägt wurde und später international an Bedeutung gewann. Durch den Zustrom von Silber aus Südamerika, die Anpassungen der Münzordnungen unter den Habsburgern und den internationalen Handel entstand der Dollar als direkter Nachfolger des Talers. Der Dollar erlangte schließlich weltweite Verbreitung und wird heute von mehr als 30 Staaten als Währung genutzt.
Ein wachsender Geldverkehr und die Notwendigkeit einer neuen Münzordnung
Im 16. Jahrhundert wuchs der Geldverkehr rasant, was eine präzise Regelung der Münzprägung notwendig machte – vor allem für die Habsburger, die sowohl das Spanische Weltreich als auch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation regierten. Diese Machtstellung ermöglichte es Karl V., seine Vision einer neuen Reichsmünzordnung umzusetzen, die sowohl das spanische als auch das österreichische Münzsystem miteinander verband. Ein erster Versuch auf diesem Weg war die Münzordnung von Esslingen aus dem Jahr 1524, auf dem unter anderem die feine Kölner Mark zu 233,8123 Gramm als Grundgewicht für die Münzprägung festgelegt wurde.

Kaiser Karl V. (1500-1558).
Bildquelle: Wikimedia, Dguendel
Die Bedeutung des Schmalkaldischen Krieges und der Augsburg Interim
Im Jahr 1551 hatte sich die Situation verändert: Karl V. hatte die protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg besiegt und ihnen im Augsburger Interim seine katholische Lösung des Religionskonflikts aufgezwungen. Als die Verhandlungen für eine neue Reichsmünzordnung begannen, war der Kaiser eindeutig im Vorteil. Die Notwendigkeit einer neuen Ordnung war drängend: Zum einen war die Verordnung von Esslingen gescheitert, zum anderen hatte der Zustrom von spanischem Silber den internationalen Handel angekurbelt. Nach der nun getroffenen Regelung ergaben acht spanische Reales 72 österreichische Kreuzer, die wiederum einen Reichstaler bildeten.

Ferdinand I., 1521−1564, Reichstaler zu 72 Kreuzer 1557, Hall.
Foto: Auktion Rauch E-Auction 29 (2019), Nr. 1011.
Augsburg 1559: Ein neuer Versuch unter Ferdinand I.
Nur acht Jahre später wurde eine weitere Reichsmünzordnung verabschiedet – diesmal unter der Verantwortung von Ferdinand I., dem neuen Kaiser, der Karl V. nach dessen Rücktritt ablöste. Ferdinand setzte einen Taler zu 60 österreichischen Kreuzern durch, doch auch diese Ordnung wurde kaum beachtet. Der Kaiser und seine Berater sahen sich einer Vielzahl von Interessen gegenüber, und jeder Fürst verteidigte seine eigenen Wünsche energisch. Der erste Versuch, eine einheitliche Reichsmünze zu schaffen, blieb ein fauler Kompromiss, der niemanden zufriedenstellte.

Spanisches Weltreich. Philipp II., 1555−1598, 8 Reales 1597, Segovia.
Foto: Jesús Vico, Subasta Presencial 163, Lot 297
Eine neue Ära der Münzprägung
In der Folgezeit änderte sich der Schwerpunkt der Silbergewinnung. Während im Heiligen Römischen Reich weiterhin um das richtige Gewicht und den Feingehalt des Talers gestritten wurde, entdeckte Spanien immense Silbervorkommen in Südamerika. Im Jahr 1519 eroberte Hernán Cortés die Aztekenhauptstadt Tenochtitlan, und dies markierte den Beginn der spanischen Ausbeutung der Neuen Welt. In Südamerika gab es enorme Silbervorkommen, insbesondere in den legendären Silberstädten des Vizekönigreichs Neuspanien, wie Guanajuato, Taxco und Potosí.
Maximilian II. und der endgültige Kompromiss
Im Jahr 1564 starb Ferdinand I. und Maximilian II. trat die Nachfolge an. Trotz seiner streng katholischen Erziehung sympathisierte er mit dem Protestantismus, was zu Spannungen innerhalb der Habsburgerfamilie führte. Doch erst unter seiner Herrschaft konnte ein echter Kompromiss erzielt werden: Der neue Reichstaler zu 68 Kreuzer mit einem neuen Münzfuß wurde als Reichsspeciestaler bekannt. Sein Feingewicht von 25,984 Gramm blieb fast 200 Jahre bestehen. Im Streit über das Tauschverhältnis von Gold zu Silber zerfiel in der Folgezeit jedoch das Heilige Römische Reich in Talerländer im Norden und Osten sowie Guldenländer im Süden und Westen.
Spanisches Weltreich. Karl II., 1665-1700, Cob zu 8 Reales 1666-73.
Bildquelle: Coinscatalog.NET
Die spanische Silberflotte und die „Cobs“
Ein entscheidender Faktor für den internationalen Erfolg des Talers war die spanische Silberflotte, die regelmäßig Südamerika mit Spanien verband. Durch den neu entwickelten Amalgamationsprozess, bei dem Silber mit Quecksilber vermischt wurde, konnte die Silbergewinnung effizienter gestaltet werden. Silber aus den reichen Minen von Potosí und anderen Städten wurde in Form von „Schiffsmünzen“ (heute als „Cobs“ bekannt) nach Europa verschifft. Diese Münzen waren nicht präzise geprägt, sondern eher unförmige Silberbarren, die später in den Münzstätten Europas umgeprägt wurden, insbesondere in Segovia.
Die Geburtsstunde des Dollars
Die größten Silbermünzen Spaniens, bekannt als „peso de ocho“, waren nicht direkt als Taler bezeichnet, beeinflussten jedoch die Entwicklung des Dollars. In den britischen Kolonien in Nordamerika hatte man im 17. Jahrhundert mit einem ernsten Mangel an Münzen zu kämpfen. 1695 verbot die englische Regierung den Export von Edelmetallen in die Kolonien, um die wirtschaftliche Bindung an Großbritannien zu stärken. Doch der Mangel an Geld führte zu einem internationalen Konflikt: In den nordamerikanischen Kolonien wurden zunehmend spanische Silbermünzen verwendet, die dort als „Daaler“ bekannt wurden – ein Begriff, der phonetisch dem späteren „Dollar“ nahekam.

USA. 1976, Half Dollar, 200 Jahre Unabhängigkeit, John F. Kennedy
Foto: Sammlung Andreas Raffeiner
Der Dollar: Eine globale Währung
Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) etablierte sich der „Dollar“ als die Handelswährung schlechthin. Wer internationalen Handel treiben wollte, benötigte diese spanischen Münzen, die nach und nach den internationalen Markt eroberten. Die Münzen im Wert von acht Reales, auch Peso genannt, verbreiteten sich in Nord- und Südamerika sowie in Asien und dem Pazifik. Im Jahr 1792 schließlich legten sich die noch jungen Vereinigten Staaten auf den Dollar auf der Basis dieser Münze fest. Heute nutzen mehr als 30 Länder die Bezeichnung „Dollar“ für ihre Währung – ein enormer Erfolg für eine Münze, die ihren Ursprung vor mehr als einem halben Jahrtausend in den Alpen hat.
Fazit: Der Taler und seine globale Bedeutung
Der Taler, der ursprünglich als regionale Währung im Heiligen Römischen Reich eingeführt wurde, entwickelte sich über die Jahrhunderte zu einer der wichtigsten Währungen der Welt. Seine Geschichte zeigt, wie er durch politische und wirtschaftliche Umstände, Kriege, die Entdeckung neuer Kontinente und technische Innovationen seinen Weg über den Globus fand. Der Dollar, als direkte Nachfolger des Talers, ist heute ein weltweit anerkanntes Symbol für wirtschaftliche Macht und Handel.
Andreas Raffeiner
Comments