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Michael Kurt Sonntag

Die Ikonografie der Doppelporträtmünzen von Kleopatra Thea

Bereits ein Vierteljahrhundert bevor sich Kleopatra Thea (Abb. 1.1) in Ake-Ptolemaïs (in Süd-Phönikien) das Diadem umband und die Alleinherrschaft im Seleukidenreich antrat (125 v. Chr.), war sie ein Mitglied der seleukidischen Königsfamilie gewesen. Nachdem nämlich Alexander I. Balas den rechtmäßigen Seleukidenkönig Demetrios I. Soter mit Hilfe ptolemäischer Truppen besiegt und anschließend die Herrschaft im Reich übernommen hatte, gab ihm Ptolemaios VI. Philometor (Abb. 1.2) seine erst 15 Jahre alte Tochter Kleopatra Thea zur Frau (150 v. Chr.).

Abb. 1.1: Bronzekopf der Kleopatra Thea aus Herculaneum. Standort: Muzeo Nazionale, Neapel. Quelle: German Hafner: Bildlexikon antiker Personen, S. 163. Artemis & Winkler Verlag, Zürich 1993.


Abb. 1.2: Ptolemaios VI. Philometor (180–145 v. Chr.) als ägyptischer Pharao auf einer Ringplatte (34 mm x 25 mm) eines hellenistisch-ptolemäischen Goldrings (2. Jh. v. Chr.). Standort: Louvre-Museum. Quelle: PHGCOM, Wikimedia Commons.


Anlässlich der Hochzeit von Kleopatra Thea mit Alexander I. Balas (150 v. Chr.) wurden goldene Statere mit dem Bildnis der Kleopatra und silberne Tetradrachmen sowie einige Bronzemünzen emittiert, die ein hintereinander gestaffeltes Doppelporträt des Brautpaars zeigen. Auf der Vorderseite der Goldstatere erscheint die nach rechts gewandte Büste der Kleopatra mit Stephane, Diadem und Hinterhauptschleier und auf der Rückseite das mit einer Königsbinde geschmückte doppelte Füllhorn und dazu die Legende "ΒΑΣΙΛΙΣΣΗΣ ΚΛΕΟΠΑΤΡΑΣ" ([Münze] der Königin Kleopatra) (Abb. 2).

Abb. 2: Goldstater (150 v. Chr.), 8,54 g, Ø 18,5 mm, Münzstätte Ake-Ptolemaïs. Rarität nach A. Houghton: R3. Quelle: Classical Numismatic Group – Triton XIX, Auktion (5. Januar 2016), Los 2072.


Diese Goldstatere, die heute extrem selten sind, weisen eine unübersehbare ptolemäische Ikonografie auf. So zeigt nicht allein die Büste der Königin große Ähnlichkeit mit den Darstellungen ptolemaischer Königinnen, sondern ist auch das doppelte Füllhorn der Rückseite ganz offensichtlich von den Goldmünzen ptolemäischer Königinnen entlehnt. Und auch die Legende ist wie auf ptolemäischen Münzen bogig und nicht senkrecht angeordnet.


Sehr viel seleukidischer in ihrer Ikonografie, zumindest was das Rückseitenmotiv und die Anordnung der Münzlegende betrifft, waren dann allerdings die silbernen Hochzeitsmünzen. Diese zeigen vorderseitig die hintereinander gestaffelten Büsten der Kleopatra als Tyche mit Diadem, Schleier und Kalathos und des Alexander Balas mit Diadem und rückseitig den nach links thronenden Zeus mit geflügelter Nike auf seiner Rechten und Langzepter in der Linken. (Abb. 3)


Abb. 3: Tetradrachmon auf die Hochzeit von Alexander I. Balas und Kleopatra Thea mit Doppelporträtbüsten (150 v. Chr.), 15,53 g, Ø (Höhe Vs.) 29 mm, Münzstätte Ake-Ptolemaïs. Rarität nach A. Houghton: R2. Quelle: Numismatik Lanz, Auktion 160 (15. Juni 2015), Los 287.


Die senkrecht verlaufende Münzumschrift bezieht sich bei den Tetradrachmen jedoch bloß auf Alexander und lautet: "ΒΑΣΙΛΕΩΣ ΑΛΕΞΑΝΔΡΟΥ − ΘΕΟΠΑΤΟΡΟΣ ΕΥΕΡΓΕΤΟΥ" ([Münze] des Königs Alexander, des Wohltäters, dessen Vater Gott ist). Doch wenngleich Alexander in der „hochtrabenden“ Münzlegende auch alleine genannt und Kleopatra gar nicht erwähnt wird, so spricht die Ikonografie der Vorderseite eine andere Sprache. Betrachtet man nämlich das gestaffelte Doppelporträt etwas eindringlicher, so fällt schnell auf, dass die Münzbüste der Kleopatra vor der des Alexander erscheint, sie also die weitaus höhere Würde genießt als ihr Ehemann und König. Außerdem verweisen der Kalathos, den sie auf dem Kopf trägt und das kleine Füllhorn hinter ihrer Schulter auf ihre Funktion als Wohlstandsgarantin.

„Vorbild [für diese Darstellung Kleopatras] wird ... die Göttin Tyche gewesen sein. Kalathos und Füllhorn sind als Hinweis auf den Wohlstand zu verstehen, den die Königin ihren Untertanen gewährt.“ (Kay Ehling: Untersuchungen zur Geschichte der späteren Seleukiden (164–63 v. Chr.). Vom Tod des Antiochos IV. bis zur Einrichtung der Provinz Syria unter Pompeius, Stuttgart 2008, S. 156)

Für Historiker und Numismatiker wie Kay Ehling veranschaulichen diese Gold- und Silbermünzen letztlich nur, wer damals im Seleukidenreich das Sagen hatte.

„Daß Alexander I. nicht viel mehr als ein Vasall seines Schwiegervaters Ptolemaios VI. war, dessen Funktionäre im Palast regierten, zeigen die sehr wahrscheinlich anläßlich der Hochzeit geprägten Goldstatere und Tetradrachmen mit dem hintereinander gestaffelten Doppelbildnis des Brautpaars.“ (Kay Ehling: ebenda, S. 155)

Etwa 25 Jahre später, genauer gesagt 126/25 v. Chr., band sich Kleopatra Thea in Ake-Ptolemaïs das Diadem um und schwang sich zur Alleinherrscherin des Seleukidenreichs auf. Ob ihre Königsherrschaft jedoch außerhalb von Ake-Ptolemaïs anerkannt wurde, wissen wir nicht. Sicher ist nur, dass sie bereits gegen Ende des Jahres 125 v. Chr. ihren damals etwa 16-jährigen Sohn Antiochos VIII. zum Mitregenten erhob und ab da mit ihm gemeinsam regierte. Vermutlich entschloss sie sich zu diesem Schritt, weil ihre Alleinherrschaft auf wenig Gegenliebe stieß und vom Heer nicht akzeptiert worden wäre. Interessant und erwähnenswert ist diesem Zusammenhang, dass Kleopatra den neuen Tetradrachmentyp, der sie zunächst als Alleinherrscherin mit Stephane, Diadem und Hinterhauptschleier zeigte (Abb. 4), schon bald aufgab und ab 125/24 v. Chr. goldene Oktodrachmen sowie silberne Tetradrachmen, Didrachmen und Hemidrachmen im Namen beider Könige mit vorderseitig gestaffelten Porträts verausgabte.  (Abb. 5.1 und 5.2)


Abb. 4: Tetradrachmon der Kleopatra Thea als Alleinherrscherin (126/25 v. Chr.), 16,74 g, Ø 30 mm, Münzstätte Ake-Ptolemaïs. Diese Münzen tragen alle die Jahreszahl 187 (ΖΠΡ) seleukidischer Ära = 126/25 v.u.Z. Bei der hier abgebildeten Münze findet sich die Jahreszahl allerdings nicht, da sie außerhalb des Schrötlings liegt. Rarität nach A. Houghton: R3. Quelle: Roma Numismatics Ltd., Auktion XIII (23. März 2017), Los 448.


Abb. 5.1: Tetradrachmon attischen Standards von Kleopatra Thea und Antiochos VIII. (122–121 v.u.Z.), 16,02 g, Ø 30 mm, Münzstätte Antiocheia am Orontes. Rarität nach A. Houghton: S. Quelle: Roma Numismatics Ltd, Auktion XXX (21. März 2024), Los 300.


Abb. 5.2: Tetradrachmon phönikischen Standards von Kleopatra Thea und Antiochos VIII. (122–21 v.u.Z.), 13,89 g, Ø 29 mm, Münzstätte Sidon. Rarität nach A. Houghton: R2. Quelle: Roma Numismatics Ltd, Auktion 4 (30. September 2012), Los 421.


Schaut man sich die Tetradramen aus Abb. 5.1 und 5.2 im Detail an, so fällt auf, dass die vorderseitige Ikonografie des Doppelporträts auch in diesem Fall die realen Machtverhältnisse exakt wiedergibt. Das Bildnis der Kleopatra Thea mit Stephane, Diadem und Hinterhauptschleier befindet sich nämlich vor dem ihres diademierten Sohnes Antiochos´ VIII., da sie die Königin und er nur der Mitregent war. Und auch die Münzlegenden nennen erst ihre Titulatur und dann seine. "ΒΑΣΙΛΙΣΣΗΣ ΚΛΕΟΠΑΤΡΑΣ / ΚΑΙ ΒΑΣΙΛΕΩΣ ΑΝΤΙΟΧΟΥ" ([Münze] der Königin Kleopatra und des Königs Antiochos). Auf den Tetradrachmen aus Ake-Ptolemaïs erscheint zusätzlich das Wort "ΘΕΑΣ" (der Göttin) nach "ΒΑΣΙΛΙΣΣΗΣ ΚΛΕΟΠΑΤΡΑΣ". Und auf den Münzen phönikischen Standards fehlt das Wörtchen (ΚΑΙ = und), doch geht auch hier die Titulatur der Königin vor. Anders als die motivgleichen Vorderseiten unterscheiden sich die Rückseiten grundlegend voneinander. Zeigt doch das Tetradrachmon aus Abb. 5.1 den thronenden Zeus mit Langzepter und Nike, während das Tetradrachmon aus Abb. 5.2 den phönikischen Adler abbildet, der ursprünglich vom ptolemäischen Adler entlehnt wurde. Allerdings steht der phönikische Adler auf dem Rammsporn eines Schiffes und der ptolemäische auf dem Blitzbündel des Zeus. Zudem hält der phönikische Adler unter seinem rechten Flügel stets einen Palmzweig.


Fazit: Die vorderseitige Ikonografie der Doppelporträtmünzen aus Abb. 3, 5.1 und 5.2 ist besonders aufschlussreich, zumal sie die Macht- und Rangfolge der dargestellten Herrscherpaare untrüglich offenlegt.


Michael Kurt Sonntag


Raritätsangaben nach A. Houghton:

C = Common (häufig) = 200 Ex. bis ein paar Tausend Ex.

S = Scarce (selten) = 60–200 Ex. bei Gold und Silber und 30–100 Ex. bei Bronze

R1 = Rare (rar) = 25–60 Ex. bei Gold und Silber und 10–30 Ex. bei Bronze

R2 = very Rare (sehr rar) = 2–25 Ex. bei Gold und Silber und 2–10 Ex. bei Bronze

R3 = extremely Rare (extrem rar) = 1–2 Ex. bei Gold, Silber und Bronze

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