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Helmut Caspar

Die Humboldt-Universität in Berlin - Academia in nummis Teil 1

Es ist jetzt 75 Jahre her, dass die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin den Namen ihrer Gründerväter Wilhelm und Alexander von Humboldt erhielt. Die Neubenennung am 8. Februar 1949 war das Ergebnis vielfältiger Mühen, die Universität nach dem Ende der Nazidiktatur und des Zweiten Weltkrieges umzubenennen und sich damit von den dunklen Seiten ihrer Geschichte zu trennen. Umbenennungen und Neuorientierungen lagen damals im Trend. Namen von Kaisern und Königen wurden im deutschen Osten systematisch aus der Öffentlichkeit entfernt, so wie auch nicht ins politische Weltbild der Kommunisten passende Denkmäler gestürzt wurden. „Humboldt-Universität zu sein verpflichtet, die Grundwerte freier Wissenschaft hoch zu halten, Studium und Lehre als Bildungsprozesse zu verstehen und in enger Verbindung zur Forschung zu entwickeln sowie als Institution offen für Reformen zu sein“, sagt Uni-Präsidentin Julia von Blumenthal anlässlich der Namensgebung vor 75 Jahren.


Das seit 1802 leer stehende Prinz-Heinrich-Palais wurde 1810 auf Initiative von Wilhelm von Humboldt zum Sitz der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin bestimmt. Im Straßenpflaster vor dem Hauptgebäude Unter den Linden 8 erinnern Stolpersteine an jüdische Professoren, Dozenten und Studenten, die von den Nationalsozialisten entlassen, verfolgt und ermordet wurden. Bildquellen: Caspar.


Lange vor ihrer offiziellen Gründung am 15. Oktober 1810 wurde in Berlin über die Gründung und den Nutzen einer Universität diskutiert. Gegner des Projekts meinten, die Sittenlosigkeit der Großstadt täte den Studenten nicht gut, doch dann zwangen die politischen Umstände König Friedrich Wilhelm III., schnell und entschlossen zu handeln. Nach dem verlorenen Krieg von 1806/7 gegen Frankreich war Preußen in Tilsit vom siegreichen Kaiser Napoleon I. ein Friedensschluss mit katastrophalen Folgen aufgezwungen worden. Friedrich Wilhelm III. verlor die Hälfte seines Herrschaftsgebietes und seiner Untertanen und musste 140 Millionen Francs an Frankreich zahlen.


Halle an der Saale und die dort seit 1694 ansässige Universität fiel an das von einem Bruder des französischen Kaisers beherrschten Königreich Westphalen, und auch die Universität in Duisburg stand nicht mehr für Preußen zur Verfügung. Blieb noch die Universität in Frankfurt an der Oder, deren Kapazitäten aber zu klein waren. Also musste eine neue Alma mater her, weshalb das Berliner Universitätsprojekt auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Als sich Hallenser Professoren an den König wandten, er möge ihre Universität „über die Elbe nehmen, wo kein Ort dafür schicklicher scheine als Berlin“, antwortete der Monarch positiv. „Das ist recht, das ist brav! Der Staat muss durch geistige Kräfte ersetzen, was er an physischen verloren hat.“


Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Universität Berlin schuf der Medailleur Johann Karl Fischer diese Bronzegussmedaille. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18219290, 28.02.2024.


Das Berliner Universitätsprojekt wurde von namhaften Wissenschaftlern wie Fichte, Hufeland und Schleiermacher unterstützt. Wichtigster Kopf in dieser Gruppe war Wilhelm von Humboldt, der als Direktor für Cultus und Unterricht im preußischen Innenministerium tätig war und sich intensiv für die Verbesserung des Bildungswesens in der Hohenzollernmonarchie und insbesondere für die Einrichtung humanistischer Gymnasien einsetzte. Der Sprachforscher, Politiker und Diplomat musste manche Widerstände überwinden, darunter Bedenken über den angeblich sittenverderblichen Einfluss von Großstädten auf die studierende Jugend. Als im Herbst 1810 der Lehrbetrieb aufgenommen wurde, traten besorgte Sittenwächter auf den Plan und warnten die Studenten davor, sich mit Huren rund um das Universitätsviertel einzulassen und in Kneipen Zeit zu vertrödeln.


Wilhelm von Humboldt schwebte eine „Universitas litterarum“ vor, welche die Einheit von Lehre und Forschung verwirklicht und eine allseitige Bildung der Studierenden ermöglicht. Dieses Konzept erwies sich als erfolgreich, verbreitete sich weltweit und ließ in den folgenden anderthalb Jahrhunderten ähnlich ausgerichtete Universitäten entstehen. Wilhelm von Humboldt trug seine Vorstellungen dem König am 24. Juli 1809 in einer Denkschrift vor und bat ihn, die Errichtung einer Universität in Berlin und die Verbindung der dort schon existierenden wissenschaftlichen Institute und Sammlungen mit derselben förmlich beschließen zu wollen. Die neue Universität sollte nach Vorstellungen des Gelehrten und Diplomaten so viele Domänen als nötig und ein sicheres Einkommen von 150 000 Reichstalern bekommen und seinen Sitz im Palais des Prinzen Heinrich von Preußen, eines jüngeren Bruders König Friedrichs II., des Großen, Unter den Linden 8 nehmen. Der König wurde gebeten, diese Güter und Gebäude „auf ewige Zeiten hinaus“ in das Eigentum der Universität zu geben. Friedrich Wilhelm III. ging auf Humboldts Vorschläge ein.


Das Jubiläum der Universitäten in Berlin 1910 war dem Deutschen Kaiserreich eine Gedenkmünze zu drei Mark wert. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18217287, 28.02.2024.


Die in großen Teilen während des Zweiten Weltkriegs zerstörte Universität nahm ihren Lehrbetrieb 1946 zunächst als Berliner Universität wieder auf. Doch schon bald wurden Wilhelm und Alexander von Humboldt als neue Namensgeber ins Gespräch gebracht. So erfolgte zwei Monate nach Gründung der Freien Universität im westlichen Teil der Viermächtestadt die offizielle Umbenennung in Humboldt-Universität zu Berlin. Zur Hundertjahrfeier 1910 wurde in der Königlichen Münze zu Berlin ein besonderes Drei-Mark-Stück mit den Köpfen des Universitätsstifters, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, und von Kaiser Wilhelm II. geprägt, ein Jahr später folgte der gleiche Wert anlässlich der Hundertjahrfeier der Breslauer Universität. Beide Gedenkmünzen heben sich im Stil wohltuend von den üblichen Gedenkmünzen der Kaiserzeit ab und sind ein Beweis, dass man damals nach neuen gestalterischen Möglichkeiten suchte.



Die Bundesrepublik Deutschland ehrte 1967 Wilhelm und Alexander von Humboldt mit einer Gedenkmünze zu fünf Deutschen Mark. Im gleichen Jahr widmete die DDR Wilhelm von Humboldt ein Zwanzig-Mark-Stück. Bildquelle "BRD": https://ikmk.smb.museum/object?id=18216589, 28.02.2024. Bildquelle "DDR": https://ikmk.smb.museum/object?id=18217275, 28.02.2024.


Diese und andere Gedenkmünzen sowie Medaillen gehören in das umfangreiche Sammelgebiet „Academia in nummis“. Es umfasst nicht nur Akademien, Universitäten und Hochschulen, sondern auch alles, was zu Ehren von Gelehrten oder anlässlich von wissenschaftlichen Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen herausgegeben wurde. Eingeschlossen sind auch Preismedaillen mit den Bildnissen berühmter Wissenschaftler und anderer auf diesem Gebiet tätiger Persönlichkeiten. Der Münzhandel bietet regelmäßig interessante und auch recht preiswerte Belegstücke aus diesem Bereich an. Manchmal kommen sogar komplette Sammlungen unter den Hammer.

Dieser Entwurf für das Jubiläum 1910 kam nicht Ausführung. Die abgebildete Probe ist ein Neuabschlag (siehe "N.A.") von 1932, der sich heute im Berliner Münzkabinett befindet. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18219281, 28.02.2024.


Die Berliner Probeprägung von 1910, die statt der „Monarchen im Doppelpack“ das Universitätsgebäude zeigt und damit von der Norm abweicht, kam nicht zur Ausgabe. Sie wäre die erste in der Kaiserzeit gewesen, auf der man ein gekröntes Haupt durch ein Gebäude ersetzt hätte. Beide Münzen unterstreichen das Interesse Wilhelms II. und der damaligen Eliten an den Wissenschaften. Nicht von ungefähr war das Deutsche Reich und speziell seine Hauptstadt Berlin in der Kaiserzeit ein besonderer  Hort der Wissenschaften, was auch durch eine Vielzahl von Nobelpreisen, die an deutsche Gelehrte gingen, und einer Fülle von bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie Erfindungen und Patenten deutlich wird.



Als die Humboldt-Universität 1985 ihre 175-Jahrfeier beging, brachte die DDR Zehn-Mark-Stücke in zwei Versionen heraus. Bildquelle "Probe": Caspar. Bildquelle "Ausführung": https://ikmk.smb.museum/object?id=18218964, 28.02.2024.


Zur 175-Jahrfeier der Humboldt-Universität brachte die DDR-Regierung ein Zehn-Mark-Stück mit dem im Zweiten Weltkrieg zerbombten und danach äußerlich wieder original aufgebauten, im Inneren aber modern veränderten Hauptgebäude Unter den Linden 8 heraus. Die im VEB Münze der DDR hergestellte Normalausgabe erreichte eine Auflage von 39 000 in Stempelglanz und 4000 in Polierter Platte und zeigt die 1883 enthüllten Denkmäler der Namensgeber der Universität und im Hintergrund das aus der Zeit Friedrichs II., des Großen, stammende Palais des Prinzen Heinrich. Eine Motivprobe mit dem das ganze Rund der Münze einnehmenden Palais ohne die Marmordenkmäler aus dem Jahr 1883 wurde in nur 112 nummerierten Exemplaren geprägt, doch soll es auch Stücke ohne Nummerierung geben.

Das Doppelporträt der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, hier auf einer Medaille anlässlich des Wiederaufbaus von 1946, ist auch das Logo der nach ihnen benannten Universität. Bildquelle: Caspar.


Als die Humboldt-Universität 2010 ihren 200. Geburtstag mit Festakten, Konferenzen, Ausstellungen und Publikationen beging, kam keine reguläre Gedenkmünze zustande, weil angeblich eine Anmeldefrist verstrichen war. Sie hätte auf spezifische Weise für den Wissenschaftsstandort Berlin beziehungsweise Deutschland geworben. Schade eigentlich, dass es dazu nicht gekommen ist.


Helmut Caspar

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