Vergegenwärtigt man sich, dass Sizilien in der Antike in zwei Einflussbereiche unterteilt war, in einen östlichen griechischen und einen westlichen karthagischen bzw. punischen (siehe Karte), dann ist es logisch, dass sowohl Griechen als auch Karthager/Sikulo-Punier in ihren Bereichen eine eigenständige Münzprägung unterhielten.
Die reichhaltige Tetradrachmenprägung der Sikulo-Punier beispielsweise, die diese zwischen 415/410 und 300/289 v. Chr. verausgabten, enstammte nach Ansicht der Fachwelt zum größten Teil aus den westsizilischen Münzstätten der Städte Entella, Panormos und Lilybaion. Allerdings waren diese Tetradrachmen bei weitem nicht die größten Silbernominale, die die Punier auf Sizilien prägten. Zu den größten Silbernominalen, die je im karthagischen Einflussbereich emittiert wurden, gehörten Dodekadrachmen (= 12 Drachmen) und Dekadrachmen (= 10 Drachmen). Da man bis heute aber nicht genau sagen kann aus welchen Poleis Westsiziliens diese stammen, verorten sie Numismatiker wie Oliver Hoover unter „uncertain Siculo-Punic mints“ (nicht gesicherte sikulo-punische Münzstätten).
Das Dodekadrachmon, das von Sikulo-Puniern auf Sizilien geprägt wurde, ist genaugenommen ein silbernes 6-Schekel-Stück im punischen Münzfuß.
Dem Numismatiker Leo Mildenberg zufolge wurden diese anepigraphischen Großsilbermünzen, die auf ihren Vorderseiten einen weiblichen Kopf mit zwei Ähren und einem Kornblatt tragen und auf ihren Rückseiten einen mächtigen, nach links galoppierenden Hengst ohne Zaumzeug zeigen, kurz vor Beginn des 1. Punischen Krieges (also um 265 v. Chr.) geprägt. Andere Fachleute, wie Oliver Hoover beispielsweise, setzen ihre Prägung in die Anfangsphase des 1. Punischen Krieges (um 264-260 v. Chr.) und erklären ihren Prägeanlass mit den hohen finanziellen Anforderungen der militärischen Konfrontation zwischen Puniern und Römern. Was das Frauenporträt der Vorderseite angeht, so sah Leo Mildenberg darin die Kore-Persephone, Kenneth Jenkins bloß einen nicht näher bestimmten weiblichen Kopf und Oliver Hoover den Kopf der phönikischen Göttin Tanit. Tanit als punische Entsprechung für Kore-Persephone lehnte Mildenberg allerdings mit folgender Begründung ab: „Es ist jedoch schwierig, wenn überhaupt möglich, ihre Entsprechung zu benennen. Tanit ist es nicht; denn sie steht im 4. und 3. Jh. v. Chr. für Artemis [...] Auch die phönizische Astarte ist auszuschließen; denn ihr Kult war im späten Karthago schon von Tanit verdrängt worden [...] Gewiss war Kore-Persephone auch im westlichen, karthagischen Gebiet der Insel populär. Die Betonung der Attribute einer punischen Gottheit war deshalb nicht notwendig.“ (Herbert A. Cahn, Leo Mildenberg et al.: Griechische Münzen aus Großgriechenland und Sizilien, Basel 1988, S. 154) Aber warum dominierte ausgerechnet ein mächtiger, frei galoppierender Hengst das rückseitige Münzbild, wo die Punier doch kaum für eine überragende Reiterei bekannt waren? Laut Mildenberg war „das vollblütige nordafrikanische Pferd das Wahrzeichen des mächtigen karthagischen Reiches [und] seine Dominanz in der Münzprägung [von daher] verständlich“. (H. A. Cahn, Leo Mildenberg et al., ebenda, S. 156)
Um den hohen Militärausgaben in der Anfangsphase des 1. Punischen Krieges gerecht zu werden, verausgabten die Sikulo-Punier zusätzlich zu den Dodekadrachmen/6-Schekel-Stücken noch Dekadrachmen bzw. 5-Schekel-Münzen punischen Standards. Zwar werden auch diese vorderseitig von einem weiblichen Porträtkopf mit zwei Ähren und einem Kornblatt geschmückt, doch zeigen sie rückseitig nicht mehr einen nach links galoppierenden Hengst ohne Zaumzeug, wie die Dodekadrachmen, sondern einen nach rechts fliegenden Pegasos.
Außerdem tragen sie im Gegensatz zu ihren anepigrafischen, schwereren „Verwandten“ eine Legende im Feld unter dem Pegasos. Diese ist punisch, verläuft also von rechts nach links und lautet: „b’rs.t“ [Bearzat] (deutsch: in den Ländern). Was mit der Legende „in den Ländern“ genau gemeint ist, erklärt Leo Mildenberg wie folgt: „Da die b’rs.t-Münzen ausschließlich auf Sizilien gefunden wurden und wegen ihrer Fabrik nur dort geprägt sein können, geht es jedoch nicht an, dass man den Plural ,in den Ländern‘ überinterpretiert und etwa eine Prägung oder einen Vermerk der Umlaufgültigkeit auch für Sardinien oder das punische Spanien annimmt. Es dürften eher Regionen gemeint gewesen sein, in die das karthagische Sizilien aufgeteilt war.“ (Leo Mildenberg: Vestigia Leonis, Göttingen/Freiburg (Schweiz) 1998, S. 156) Das weibliche Porträt der Münzvorderseite interpretiert Mildenberg, wie schon bei dem Dodekadrachmon/6-Schekel-Stück, als das der Kore-Persephone. Anders hingegen Hoover, der in der Porträtierten erneut Tanit sieht. Während Hoover die Prägung dieser Dekadrachmen in die Jahre 264-260 v. Chr. legt, setzt Mildenberg ihre Emission ins Jahr 260 v. Chr. Folgt man Hoover, dann sind diese Dekadrachmen deutlich häufiger als die Dodekadrachmen. Die Seltenheit der Dodekadrachmen gibt Hoover mit R2 (2-25 Exemplare) und die der Dekadrachmen mit S[scarce] (60-200 Exemplare) an.
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