Nach dem Ersten Weltkrieg geriet Chile in eine schwere Wirtschaftskrise. Für Salpeter, eines der Hauptexportgüter des Landes, waren infolge der Entwicklung von Kunstdünger auf dem Weltmarkt die Preise eingebrochen. Es kam zu Aufständen in den Salpeterminen. Im Februar 1921 kamen beim „Massaker von San Gregorio“ über siebzig Menschen ums Leben. Während der Vorbereitung eines Sanierungsprogramms für die maroden Staatsfinanzen stürmte im September 1924 eine Gruppe von Offizieren lärmend das Parlament und unterbrach säbelrasselnd die Sitzung. Unter Führung einer Militärjunta wurde in den kommenden Monaten eine neue Verfassung erarbeitet. Bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 1925 setzte sich mit dem Emiliano Figueroa Larraín ein Liberaler durch. Inzwischen hatte sich die Wirtschaftslage verbessert. Der Ökonom Derek H. Aldcroft schilderte die damals stattfindenden Umwälzungen:
„Chile hatte eine schwierige Phase zu durchlaufen, als der Salpeterhandel infolge der Entwicklung synthetischer Ersatzprodukte schwere Einbußen erlitt. Glücklicherweise versetzten es die rasche Ausbeutung seiner Kupfervorkommen und stetige industrielle Entwicklung in die Lage, diesen Schlag abzufangen.“ (1)
Emiliano Figueroa Larraín im Palacio de la Moneda (1927) – Bildquelle: Reddit, Bermellon.
Der neue Präsident folgte zur Sanierung der Staatsfinanzen den Empfehlungen einer Kommission von Experten unter dem US-Ökonomen Edwin Walter Kemmerer. Das Steuersystem wurde reformiert und eine Zentralbank gegründet. In einem Fachartikel erläuterte Kemmerer die neuerliche Einführung eines Goldstandards:
„Die Währungseinheit Chiles ist der Peso mit einem Feingehalt von 0,183057 Gramm Gold (900er Feingehalt), was sechs britischen Pence oder 12,1165 Cent in US-Währung entspricht. (…) Zehn Einheiten zu je einem Peso werden als Condor bezeichnet, und um die Öffentlichkeit mit dieser neuen und bequemeren Größenbezeichnung vertraut zu machen und sie schließlich zur Werteinheit zu machen, wenn sie die Zustimmung der Bevölkerung findet, sieht das Gesetz über den Goldstandard vor, dass der Wert in Condors wie auch in Pesos auf alle Banknoten, alle Goldmünzen und auf die Fünf-Peso-Silbermünze gesetzt werden soll.“ (2)
Nach Einführung der zu fünfzig Prozent mit Goldreserven gedeckten Währung warb Kemmerer bei amerikanischen Banken um Kredite für Chile. Daraufhin kam es zu einem Anstieg der Kapitalimporte insbesondere aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, der Schweiz und Deutschland.
100-Pesos-Probe (Chile, 1926, 900er Gold, 20,3 Gramm, 31 mm) – Bildquelle: Museo de Artes Decorativas, Inventar-Nr. 24.89.785.
Die in Wertstufen zu 100, 50 und 20 Pesos geprägten Goldmünzen greifen auf ein weibliches Freiheitsmotiv zurück, das Ende des 19. Jahrhunderts von dem französischen Medailleur Louis-Oscar Roty für die damaligen chilenischen Goldmünzen entworfen wurde. Auf der Rückseite ist das Staatswappen mit dem Andenhirsch und einem Andenkondor als Wappenhalter zu sehen. Im Jahr 1926 wurden 678.286 Exemplare der höchsten Wertstufe zu 100 Pesos, 125.929 Exemplare zu 50 Pesos und 85.151 Exemplare zu 20 Pesos geprägt. Ausgegeben wurden jedoch zunächst nur wenige dieser Münzen. In Artikel 69 des Gesetzes zur Gründung der Zentralbank vom 21. August 1925 hieß es nämlich, dass die Noten der Zentralbank zwar auf Verlangen konvertierbar seien. Die Zahlung erfolge jedoch nach Wahl der Bank entweder in Goldmünzen, in Goldbarren oder in Wechseln auf Sicht. Die zugehörigen, als Scheidemünzen titulierten Silbermünzen zu fünf, zwei und einem Peso kamen im Jahr 1927 heraus. Sie zeigen auf der Vorderseite den Andenkondor auf einem Berggipfel und auf der Rückseite die jeweilige Wertbezeichnung im Kranz. Medailleur war wiederum Louis-Oscar Roty. Diese Münzen gelangten unverzüglich in den Geldumlauf.
100 Pesos (Chile, 1926, 900er Gold, 20,3 Gramm, 31 mm) – Bildquelle: Bertolami Fina Art, Asta 114, Lotto 22.
Unter der 1927 beginnenden Präsidentschaft von Carlos Ibáñez del Campo wurden Kredite für zahlreiche Bauprojekte (Eisenbahnen, Brücken, Häfen etc.) aufgenommen, die im Zuge der Weltwirtschaftskrise aber nicht mehr bedient werden konnten. Der im Jahr 1930 um 90 Prozent zurückgehende Außenhandel ging mit drastischen Ausgabenkürzungen und Deflation einher. Präsident Ibáñez versuchte trotz der Verluste zunächst den Goldstandard beizubehalten:
„Als die Regierung zu der Überzeugung gelangte, dass es nicht mehr möglich war, den Umtausch durch Rückgriff auf die im Ausland gehaltenen Mittel der Zentralbank aufrechtzuerhalten, ordnete sie die Aussetzung des Umtauschs an und führte ein Kontrollsystem ein, das die Aufgabe des Goldstandards beinhaltete. Die Reserven der Zentralbank, die 580 Millionen Pesos erreicht hatten, sanken am 31. Dezember 1931 auf 213 Millionen 300 Tausend Pesos, und zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 1932 waren nur noch 165 Millionen 800 Tausend Pesos vorhanden.“ (3)
100 Pesos (Chile, 1949, 900er Gold, 20,3 Gramm, 31 mm) – Bildquelle: Filnum S.p.A., Parma.
Im April 1932 gab das Land den Goldstandard auf und erklärte seine Zahlungsunfähigkeit. Im Zuge der steigenden Arbeitslosigkeit kam es zu vermehrt Unruhen. Präsident Ibáñez floh nach Argentinien.
100 Pesos (Chile, 1967, 900er Gold, 20,3 Gramm, 31 mm) – Bildquelle: Heritage Auctions, WACS-Auction 3093, Lot 31274.
Die Geschichte der chilenischen Goldmünzen war damit aber noch nicht beendet. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Prägung der drei Wertstufen zu 100, 50 und 20 Pesos wieder aufgenommen, diesmal allerdings zu Anlagezwecken. Den Münztyp gibt es daher mit insgesamt drei unterschiedlich gestalteten Schrifttypen in den Textzeilen. Die Produktion wurde erst im Jahr 1980 eingestellt, als sich goldenen Anlagemünzen mit Unzen-Gewichten durchgesetzt hatten, insbesondere der südafrikanische Krügerrand. Besonders zu erwähnen sind die Gedenkmünzen, die im Jahr 1968 zum 150. Jahrestag der chilenischen Münzprägung erschienen. Sie zeigen auf der Vorderseite das übliche Motiv der Freiheit von Louis-Oscar Roty vor einer Münzprägemaschine:
„Diese sogenannten Barrenmünzen sind nicht für den Umlauf bestimmt und werden von Banken an Sammler verkauft, die einen Aufschlag auf den eigentlichen Metallwert zahlen müssen.“ (4)
Die Regierung der Vereinigten Staaten erkannte sie aber seinerzeit nicht als reguläre Goldmünzen an und verweigerte US-Bürgern einen legalen Erwerb aufgrund des damals geltenden Goldverbotes.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Derek H. Aldcroft: Geschichte der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert – Die zwanziger Jahre; München 1978, S. 332.
Edwin Walter Kemmerer: Chile Returns to the Gold standard; in Journal of Political Economy, Juni 1926, S. 272.
Julio Pérez Canto: El Sistema Monetario de Chile; in: Revista de Economía y Estadística, Primer Época; Vol. 4, No. 4 (1942), S. 491.
Burton Hobson: Historic Gold coins of the world; Garden City 1971, S. 172.
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