Deutsch-Ostafrika war nicht bloß irgendeine deutsche Kolonie – amtlich „deutsch-ostafrikanisches Schutzgebiet“ genannt –, nein, es war die größte und reichste Kolonie des Deutschen Reichs. Es erstreckte sich auf einer Fläche von 993.500 km², umfasste das Tanganjika-Territorium und die Gebiete Ruanda und Urundi (Burundi) und hatte ca. 7.646.000 Einwohner (1913). Hauptstadt war Dar-es-Salam. Angefangen hatte alles 1884 mit dem Kolonialpolitiker Carl Peters (1856-1918). „Ende 1884 erwarb Carl Peters für die Vorgängerin der Deutsch Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG) von afrikanischen Häuptlingen Küstengebiete. Am 27.2.1885 gewährte das Reich einen Schutzbrief.“ (Kurt Jaeger: Die deutschen Münzen seit 1871. Regenstauf 2021, 27. Aufl., S. 925) Für den Erwerb Helgolands verzichtete das Deutsche Reich am 1. Juli 1890 im „Helgoland-Sansibar-Vertrag“ auf Uganda und Witu zugunsten Großbritanniens und erkannte auch die Oberhoheit der Briten über Sansibar an. Ebenfalls 1890 räumte das Reich der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft das Recht ein, für Deutsch-Ostafrika Münzen prägen zu lassen. Am 1. April 1903 ging das Prägerecht allerdings von der DOAG auf das Deutsche Reich über, das ab 1904 in Berlin und Hamburg für das Auswärtige Amt Münzen prägen ließ. Durch die „Verordnung des Reichskanzlers, betreffend das Münzwesen des deutschostafrikanischen Schutzgebiets“ (28. Februar 1904) wurde die Rupie nun in 100 Heller unterteilt und ihr Kurs zur Mark des Deutschen Reichs festgesetzt. Hiernach galten: 100 Heller = 1 Rupie; 15 Rupien = 20 Mark. Die deutschen 10- und 20-Markstücke in Gold entsprachen 7 ½ bzw. 15 Rupien. Doch auch der britische Goldsovereign (1 Pfund) und die 1-Pfund-Goldmünze der Burenrepublik Südafrika waren gesetzliche Zahlungsmittel in Deutsch-Ostafrika und galten je 15 Rupien.
Die goldenen 15-Rupien-Münzen mit dem Elefant, die 1916 in Deutsch-Ostafrika geprägt wurden, waren allerdings keine regulären Zahlungsmittel. Denn genau genommen endete die Münzprägung für die Kolonie Deutsch-Ostafrika 1914 nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Mit anderen Worten, bei der 15-Rupien-Goldmünze von 1916 handelt es sich um eine Notmünze, deren Existenz den kriegerischen Verhältnissen geschuldet ist. Da die Verbindung zum Deutschen Reich durch den Krieg unterbrochen war, in Deutsch-Ostafrika aber ein erhöhter Bedarf an Zahlungsmitteln bestand, sollte in Tabora – der zweitgrößten Stadt der Kolonie, etwa 800 km nordwestlich von Dar-es-Salam – eine Münzstätte eingerichtet werden. „Im Dezember 1915 wurden der Geologe Dr. A. Krenkel und später der Bergingenieur und Vorstand der Kironda-Minengesellschaft, Dr. Schumacher, beauftragt, in Tabora eine Münzstätte einzurichten und den Betrieb zu überwachen. Die technische Oberleitung der ,Münzstätte‘ erhielt ein Werkmeister der Eisenbahngesellschaft, in deren Werkstatt der technische Betrieb der Münze eingerichtet worden war.“ (Kurt Jaeger: ebenda, S. 937) Dass man die Münzstätte in Tabora und nicht in der Hauptstadt Dar-es-Salam einrichten wollte, hatte damit zu tun, dass die Gouvernementsverwaltung wegen der Gefährdung von Dar-es-Salam bereits nach Tabora verlegt worden war. Warum aber Notmünzen aus Gold, wären silberne nicht ebenso gut gewesen? Die Antwort hierauf lieferte der Gouverneur Deutsch-Ostafrikas während einer Unterredung mit Dr. Schumacher: „Wir brauchen Goldmünzen zum Bezahlen unserer Leute. Silber haben wir keines, aber Gold haben wir genug.“ (Kur Jaeger: ebenda, S. 937) Bedenkt man ferner, dass es 1916 keine Möglichkeit gab, das geförderte Gold nach Deutschland zu verbringen, dass eine Besetzung der Kolonie durch Briten und Belgier bevorstand und dass im Falle einer solchen alles Gold, das sich im Besitz der Gouvernementsverwaltung befunden hätte, beschlagnahmt worden wäre und dass nur das im Privateigentum befindliche Gold unangetastet geblieben wäre, dann wird die Entscheidung des Gouverneurs, goldene Notmünzen prägen zu lassen, noch einleuchtender. Das Gold für die Herstellung dieser Münzen stammte aus Sekenke, dem Gebiet mit den bedeutendsten Goldminen Deutsch-Ostafrikas (170 km nordöstlich von Tabora gelegen). „In einer zehntägigen Safari haben 200 Afrikaner und 20 Deutsche die Goldbarren im Wert von fast einer Million Mark nach Tabora gebracht.“ (Kurt Jaeger: ebenda, S. 938) Weil dieses aus den Sekenke Minen stammende Rohgold aber viel Silber enthielt und „an ein Scheiden in Gold und Silber bei den primitiven Verhältnissen in Tabora nicht zu denken war“ (Kurt Jaeger: ebenda, S. 938), enthalten auch die hieraus geprägten „Elefanten-Münzen“ einen nicht unerheblichen Silber-Anteil. Schließlich setzte sich die Legierung der 15-Rupien Notgoldmünzen wie folgt zusammen: Gold 750/1000, Silber 132-188/1000, Kupfer 62-118/1000. Eine solche Goldmünze enthielt also 5,3250 g Feingold und 1,065 g bis 1,42 g Feinsilber. Zum Vergleich: Die goldenen 20-Markstücke des Kaiserreichs bestanden aus Gold 900/1000, enthielten 7,168 g Feingold und überhaupt kein Silber, nur Kupfer.
Schaut man sich die 15-Rupien-Notgoldmünze einmal im Detail an, so sieht man auf ihrer Bildseite einen nach rechts hin stehenden afrikanischen Elefanten (lat. Loxodonta africana) mit erhobenem Rüssel vor dem imposanten Bergmassiv des Kilimandscharo im Hintergrund und liest im Abschnitt 1916 / T [für Tabora]. Die Wertseite zeigt den Reichsadler und nennt die Legende DEUTSCH OSTAFRIKA / 15 RUPIEN.
Von diesem Goldstück waren über 100 Jahre lang nur zwei Varianten bekannt, eine erste mit einer kleinen und eine zweite mit einer großen Arabeske auf der Adlerseite. Bei der ersten Variante (J. N728a) endet die Arabeske unter dem ersten A der Legende OSTAFRIKA und bei der zweiten Variante (J. N728b) endet die Arabeske unter dem T der Legende OSTAFRIKA.
Im Mai 2018 tauchte dann in der SINCONA Auktion 46 unter der Los-Nr. 290 völlig überraschend eine neue „dritte“ Variante dieser 15-Rupien-Münze auf. Und zwar eine, bei der die Arabeske unter dem Wort OSTAFRIKA zwischen den Buchstaben T und A endet. Sie geht also weiter als auf der ersten aber nicht so weit wie auf der zweiten Variante. Außerdem weist diese dritte Variante im Bereich der oberen Umschrift einen Stempelbruch auf und hat weniger Perlen entlang des Randes. Sie wird in der nächsten Ausgabe des Jaegerkatalogs unter J. N728c publiziert werden.
Von der ersten und zweiten Variante dieser Münze wurden insgesamt 16.198 Stück geprägt, wovon 6.395 Exemplare auf die erste und 9.803 Exemplare auf die zweite Variante entfielen. Von der dritten Variante dagegen ist die genaue Prägezahl nicht bekannt. Auch sind bis heute nur zwei Exemplare hiervon aufgetaucht, das eine bereits erwähnte aus der SINCONA Auktion und ein zweites aus der Frühjahrsauktion von Jean Elsen vom März 2019.
Dass R. Vogt für den Entwurf dieser attraktiven Goldmünze den afrikanischen Elefanten und den Kilimandscharo heranzog, war wohl darauf zurückzuführen, dass beide Motive gleichermaßen beeindruckend und sehr repräsentativ für die Kolonie waren. Schließlich war der bis zu 4 m hohe und bis zu 7,5 t schwere afrikanische Elefant in Deutsch-Ostafrika zu Hause und der Kilimandscharo – der übrigens aus drei Vulkanen (dem 4.000 m hohen Schira, dem 5.895 m hohen Kibo und dem 5.270 m hohen Mawensi) gebildet wird – das höchste Bergmassiv des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiets und auch der höchste Berg Afrikas. Die Münzstempel nach dem Entwurf von Vogt stellte dann ein singhalesischer Goldarbeiter aus Sansibar her, „der [laut Prof. Dr. Schumacher] besonders sorgfältig arbeitete, wenn er unter Alkohol stand“. (Kurt Jaeger: ebenda, S. 937) Doch so sorgfältig die Stempel auch geschnitten wurden, die Prägung war letztlich primitiv, so „daß kaum tadellose Ränder existieren“. (Kurt Jaeger: ebenda, S. 938) Um die Ränder optisch besser aussehen zu lassen, wurden diese in vielen Fällen nachträglich bearbeitet („geschönt“). Inwieweit dies bereits in Tabora geschah oder erst durch spätere Händler und Verkäufer vorgenommen wurde, bleibt unklar. Fest steht, dass sich Münzen mit unbearbeiteten, originalen Rändern heute einer größeren Beliebtheit erfreuen und deshalb auch höhere Preise erzielen.
Vergegenwärtigt man sich abschließend, dass Notmünzen im 20. Jh. im allgemeinen aus unedlen Metallen, vor allem Eisen oder Zink, bestanden – auch Deutsch-Ostafrika hatte 1916 für den Kleingeldverkehr noch Notmünzen zu 5 und 20 Heller aus Kupfer, Bronze und Messing prägen lassen –, dann bilden die goldenen „Elefanten“ aus Tabora eine der ganz großen Ausnahmen. Außer diesem 15-Rupien-Stück gab es im 20. Jh. nämlich nur noch eine weitere goldene Notmünze – gemeint ist das sogenannte „Veld Pond“ (Afrikaans für FeldPfund) von 1902 der Südafrikanischen Republik (Transvaal) – doch das ist eine andere Geschichte.
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