Die Goldene Bulle aus dem Jahr 1356 über die Regeln zur Wahl der römisch-deutschen Kaiser enthält auch für Münzsammler und Münzforscher wichtige Angaben über das Geld- und Münzwesen und den Bergbau in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation im Jahr 1806 war das Dokument dessen wichtigste Verfassungsurkunde. Das im Januar sowie im Dezember 1356 auf den Reichstagen in Nürnberg beziehungsweise Metz verabschiedete Reichsgrundgesetz legte in lateinischer Sprache die Modalitäten der Königs- und später der Kaiserwahl sowie der Krönung fest und schrieb vor, was die geistlichen und weltlichen Kurfürsten zu tun haben, welche Hoheitsrechte (Regalien) und Pflichten sie haben, dass weltliche Kurfürstentümer nicht geteilt werden dürfen und dass im Reich der allgemeine Landfriede zu beachten ist. Die Goldene Bulle leistete der Bildung von souveränen Landesfürstentümern und der Kleinstaaterei und letztlich dem heute in Deutschland herrschenden Föderalismus Vorschub. Die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen UNESCO hat 2013 die Goldene Bulle in die Liste des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommen.
Nach dem aus Goldblech gefertigten Siegel hat man das Reichsgrundgesetz von 1356 Goldene Bulle genannt. Hier eine in München aufbewahrte Ausfertigung aus Pergament. Das goldene Siegel zeigt den thronenden Kaiser und auf der Rückseite eine fiktiven Ansicht von Rom. Bildquelle: Caspar.
Vorder- und Rückseite der Goldenen Bulle. Bildquelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Gemeinfrei.
Von der Goldenen Bulle sind sieben originale Ausfertigungen und 174 Abschriften erhalten. Alle Ausfertigungen bestehen aus den vom Nürnberger Reichstag beschlossenen Kapiteln 1 bis 23 und den Kapiteln 24 bis 31 der Metzer Gesetze. Die reich illustrierte, in Wien befindliche Prachtausgabe für König Wenzel IV. von Böhmen wurde kurz nach 1400 geschaffen. Aufgrund ihres Umfanges hat die Verfassungsurkunde nicht das Aussehen üblicher Pergamentrollen, sondern wurde zu Büchern gebunden. Bemerkenswert ist, dass der sächsische und der brandenburgische Kurfürst wohl aus Geldmangel auf eine eigene Ausfertigung verzichtet haben.
Handschriftliche Seite aus der Goldenen Bulle, entstanden um ca. 1400. Über der linken Spalte ist der Kaiser in blauem Gewand zwischen sechs Kurfürsten zu sehen. Über der rechten Spalte ist der Kölner Erzbischof als Kurfürst dargestellt. Bildquelle: wikimedia commons.
Der exklusive Klub der Elektoren, wie die Wahlmänner auf ihren Münzen und Medaillen genannt werden, bestand anfangs aus drei geistlichen Kurfürsten, und zwar den Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln, und ihren vier weltlichen Kollegen, nämlich dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Herzog von Sachsen, dem Markgrafen von Brandenburg und dem König von Böhmen. Die lange Geschichte des Heiligen Römischen Reiches kennt Veränderungen und Erweiterungen innerhalb es Kurfürstenkollegiums, etwa wenn sich einer dieser Landesfürsten dem Kaiser gegenüber unbotmäßig verhielt und/oder den Zorn seiner fürstlichen Mitbrüder erregt hatte. Eine Erweiterung des Kurfürstenkollegiums fand im 17. Jahrhundert statt, als der braunschweigische Herzog Ernst August in diesen Stand erhoben wurde und das Amt des Erzbannerträgers erhielt. Kurfürsten und Könige von Hannover aus dem Haus der Welfen regierten bis 1837 als Könige in England.
Unweit der Karlsbrücke in Prag steht das Denkmal Kaiser Karls IV.,der als Vater der bis 1806 gültigen Goldenen Bulle in die Geschichte einging. Bildquelle: Caspar.
Nach 1800 und damit kurz vor dem Ende des Reichs erhielten die Kurfürsten von Sachsen und Bayern den Rang von Königen, und der Herzog von Württemberg und der Erzbischof von Salzburg wurden mit der Kurwürde belehnt. Auch sonst gab es in dieser Zeit manche Rangerhöhung als Dank für die jeweiligen Herrscher, dass sie die Politik des damals mächtigsten Mannes in Europa, Frankreichs Kaiser Napoleon I., unterstützten. Jedesmal hat man solche Veränderungen zur Freude der Sammler auf Münzen und Medaillen verkündet. Das Kurfürstentum von Hannover wurde 1814 Königreich.
Auf vielen Münzen und Medaillen sind die von den Kurfürsten ausgeübten Zeremonialämter durch Symbole versinnbildlicht. So findet man auf kursächsischen Geldstücken die gekreuzten Schwerter als Zeichen des Erzmarschalls und auf brandenburgischen Münzen zeigt das Zepter, dass der Kurfürst Erzkämmerer war. Die symbolisch hohe Bedeutung der Ämter wurde dadurch deutlich, dass sich die entsprechenden Wappen im Zentrum der Wappenschilder befanden. Hier ein Taler von 1628 und ein Zweidritteltaler (Gulden) von 1679 aus Sachsen und Brandenburg. Bildquelle Taler Sachsen: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18206220&view=rs. Bildquelle Gulden Brandenburg: https://ikmk.smb.museum/object?id=18214596.
Bisweilen konnte einem Kurfürsten auch sein Titel und seine Befugnisse entzogen werden. So erging es unter anderem Friedrich V. von der Pfalz, der wegen seiner kurzen Regierungszeit als Herrscher in Böhmen vom August 1619 bis Ende 1620 auch Winterkönig genannt wurde. Die Kräfte des im Clinch mit der katholischen Liga liegenden Protestanten und seiner Anhänger waren zu gering, um sich am Beginn des Dreißigjährigen Kriegs gegen die Übermacht der Habsburger mit Kaiser Ferdinand II. an der Spitze behaupten zu können. Friedrich musste Böhmen verlassen und starb 1632 im Mainzer Exil, die Kurwürde kam an das Haus Wittelsbach in Bayern. Ähnlich wie bei den Münzen des 1631 ermordeten kaiserlichen Feldherrn und zeitweiligen Herzogs in Mecklenburg Albrecht von Wallenstein hat man die Münzen und Medaillen des Winterkönigs eingesammelt, was erhalten gebliebene Stücke zu begehrten und teuren Raritäten gemacht hat.
Die Goldene Bulle erhob Landesfürsten zu Reichsvikaren für den Fall des Todes des Reichsoberhauptes. Der Kurfürst von Sachsen sollte bis zur Wahl eines neuen Oberhaupts kaiserliche Aufgaben in Ländern sächsischen Rechts ausüben. Diese Rolle kommt auf diesem zehnfachen Vikariatsdukat von 1741 mit sinnbildlich leerem Thron zum Ausdruck. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18203617.
Über den Kurfürsten Max Emanuel von Bayern wurde zeitweilig die Reichsacht verhängt, weil es sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit König Ludwig XIV. gegen Kaiser und Reich verbündet hatte. Der machtbewusste und als Feldherr erfolgreiche „Türkenbezwinger“ konnte seine Träume für Landgewinn und einen Königstitel wie in Kursachsen und Brandenburg-Preußen nicht verwirklichen und musste für einige Jahre ins Exil gehen. Nach seiner Rückkehr nach Bayern machte er sich einen Namen als Bauherr und hinterließ bei seinem Tod 1726 seinen Nachfolgern einen riesigen Schuldenberg, unter dem das Land noch viele Jahrzehnte zu leiden hatte.
Mit dem Tode Kaiser Karls VI. kam es neben Sachsen auch in der Pfalz zur Ausprägung von Vikariatsmünzen, wie dieser Taler von 1740 zeigt. Die Kurfürsten der Pfalz und Bayern teilten sich in dieser Zeit ihr Amt als Reichsvikare. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18206331.
Neben Appellen zur Gottesfurcht und Friedfertigkeit und Strafandrohungen im Falle eines Aufruhrs gegen das Reichsoberhaupt enthält die Goldene Bulle auch Bestimmungen über die Gold-, Silber- und anderen Bergwerke sowie über das einträgliche und eifersüchtig gehütete Privileg zur Prägung von Münzen. Die Goldene Bulle bestätigt dem König von Böhmen, also Karl IV. und seinen Nachfolgern im Prager Hradschin, sowie den übrigen Kurfürsten den Besitz an
„allen Bergwerken auf Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Eisen, Blei und Metalle anderer Art sowie auch auf Salz, die bereits gefunden worden sind oder gefunden werden. [...] Ferner verfügen Wir, dass dem jeweiligen König von Böhmen, unserem Nachfolger, erlaubt ist, Gold- und Silbermünzen an jedem Ort seines Königreichs und aller ihm untertanen und zugehörigen Länder zu schlagen und schlagen zu lassen, wo es der König befielt und es ihm gefällt, nach jeder Weise und Form, die hierbei im Königreich Böhmen bisher beachtet worden ist“.
Dieser Halbtaler von 1805 bildet Friedrich von Württemberg als Kurfürst (Elector) und Reichsbannerträger ab. Bildquelle: CC BY-NC-SA @ Münzsammlung des Sparkassenverbands Baden-Württemberg.
Die Goldene Bulle regelte als erstes die Wahl des römischen Königs und späteren Kaisers, aber auch den Rang und die Sitzordnung der geistlichen und weltlichen Kurfürsten. Es folgten in weiteren Kapiteln die Rechte des Pfalzgrafen bei Rhein und des Herzogs von Sachsen bei Vakanz des Reichs, das heißt in der Zeit vom Tod des Reichsoberhaupts bis zur Wahl eines neuen. Behandelt werden ferner der Rang der Kurfürsten im Vergleich zu übrigen „gemeinen“ Fürsten. Der zehnte Abschnitt der Goldenen Bulle verbriefte den Kurfürsten das Berg- und Münzregal, doch blieb dieses nicht nur auf das exklusive Wahlmännerkollegium beschränkt, sondern wurde auch von zahlreichen anderen Fürstlichkeiten und Herrschaften sowie von Städten wahrgenommen.
Helmut Caspar
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