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Michael Kurt Sonntag

Die Gold- und Silbermünzen des Sophytes

Als Alexander der Große mit seinem Indienfeldzug beschäftigt war, erhoben sich die griechischen Söldner aus Alexandreia am Oxos in Baktrien sowie aus Alexandreia Eschate in Sogdien und versuchten nach Hause nach Griechenland zu marschieren. Dieser Aufstand konnte 325 v. Chr. aber friedlich beigelegt werden und die Söldner blieben in den erwähnten Siedlungsgebieten.

Nach Alexanders Tod 323 v. Chr. flammte der Aufstand allerdings erneut auf, doch diesmal wurde er von einer makedonischen Armee unter der Führung von General Peithon so brutal und erbarmungslos niedergeschlagen, dass am Ende zu wenig Griechen in Baktrien übriggeblieben waren, um noch erfolgreich über die einheimische Bevölkerung zu herrschen. Und so kam es,

dass Seleukos I. Nikator, der Begründer des Seleukidenreiches, Baktrien in einem östlichen Feldzug zwischen 308 und 305 v. Chr. erneut erobern musste.

Bis 316 v. Chr. soll Baktrien vom Satrapen Stasanor regiert worden sein. Wer die Satrapie danach beherrschte, lässt sich bis heute nicht genau sagen, da es für die Jahre 316/15-305 v. Chr. so gut wie keine verlässlichen Quellen gibt. Alles was wir mit Sicherheit wissen ist, dass Seleukos I. Baktrien um 305 v. Chr. dem Seleukidenreich als Satrapie wiedereingliederte. Der Historiker und Numismatiker Osmund Bopearachchi stellte 2005 die These auf, dass Baktrien zwischen 315 und 305 v. Chr. von einem mächtigen Dynasten namens Sophytes beherrscht worden sei, der zudem eigene Münzen emittiert habe. Ferner äußerte er die Vermutung, dass Seleukos seinen östlichen Feldzug zur Rückeroberung Baktriens u. a. auch deshalb begonnen habe, um solch rebellische Emporkömmlinge wie Sophytes zu entmachten und auszuschalten.


Von Sophytes kennen wir in der Tat goldene Statere und silberne Tetradrachmen, Didrachmen, Drachmen, Hemidrachmen sowie Obole, die vorderseitig alle motivgleich sind. Und zwar zeigen alle den nach rechts gewandten bartlosen Kopf eines Mannes, der einen attischen Helm trägt, dessen Kessel mit einem Lorbeerkranz und dessen Wangenschutz mit einem Flügel geschmückt ist.

Sophytes (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.). Stater (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294

v. Chr.), Gold, 8,58 g, Ø 19 mm, ungesicherte Münzstätte in Baktrien. [Bildquelle: Roma Numismatics Ltd., Auktion 2 (2. Oktober 2011), Los 366].

Baktrien. Sophytes (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.). Tetradrachmon (um 315-305

v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.), Silber, 16,76 g, Ø 27 mm, ungesicherte Münzstätte in Baktrien. [Bildquelle: Gorny & Mosch, Auktion 280 (11. Oktober 2021), Los 433].

Baktrien. Sophytes (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.). Didrachmon (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.), Silber, 7,95 g, Ø 20 mm, ungesicherte Münzstätte in Baktrien. [Bildquelle: Roma Numismatics Ltd., Auktion XXII (7. Oktober 2021), Los 455].

Baktrien. Sophytes (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.). Drachme (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.), Silber, 3,65 g, Ø 15 mm, ungesicherte Münzstätte in Baktrien. [Bildquelle: Gorny & Mosch, Auktion 276 (19. April 2021), Los 261].

Baktrien. Satrap Sophytes (um 315-305 v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.). Hemidrachme (um 315-305

v. Chr. oder um 305-294 v. Chr.), Silber, 1,84 g, Ø 12 mm, ungesicherte Münzstätte in Baktrien. [Bildquelle: Roma Numismatics Ltd., E-Sale 69 (16. April 2020), Los 626].


Während die Vorderseiten alle motivgleich sind, sind es die Rückseiten nur bei den Silbermünzen. Zeigen diese doch einen nach rechts gewandten Hahn, der links von einem Kerykeion und rechts von einer Inschrift (zu dt. [Münze] des Sophites) flankiert wird (zweite und fünfte Abb.).

Der Goldstater zeigt rückseitig allerdings keinen Hahn, sondern nur ein Kerykeion (den Heroldstab des Gottes Hermes) sowie eine Inschrift. Da sich der Heroldstab aber auch auf den Silbermünzen als ständiges Beizeichen findet, gibt es so etwas wie eine ikonografische Verbindung zwischen allen Münzrückseiten. Zudem sind die Münzen durch die Künstlersignatur MNA am Halsabschnitt des Porträtierten, die sich besonders gut beim Goldstater und beim Didrachmon erkennen lässt, miteinander verbunden. Statt MNA erscheint bisweilen aber auch nur MN oder M.


Doch nicht alle Historiker und Numismatiker interpretieren Sophytes als Dynasten, der Baktrien

vor Seleukos I. beherrschte. Einige, wie Oliver Hoover beispielsweise, halten ihn sogar für einen möglichen Satrapen des Seleukos´. „Nothing is known about this individual, […] it has been suggested that he may have been a Baktrian satrap or local ruler under Seleukos I in the period

c. 305-295 BC.“ (Oliver Hoover: Handbook of Coins of Baktra and Ancient India, Fifth Century BC

to First Century AD, Lancaster/London 2013, S. 3f.). (Nichts ist über dieses Individuum [gemeint ist Sophytes] bekannt, […] es ist vorgeschlagen worden, dass er baktrischer Satrap oder Lokalherrscher unter Seleukos I. gewesen sein könnte, während der Periode um 305-295 v. Chr. – Übersetzung: Michael Kurt Sonntag).


Doch wer ist nun der siegreich porträtierte Feldherr? Für Bopearachchi ist es eindeutig Sophytes selbst. Hoover wiederum legt sich nicht endgültig fest, da er die Vorderseite wie folgt beschreibt: „Male head (Sophytes?) in Attic helmet r.“ (Männlicher Kopf (Sophytes?) im attischen Helm nach rechts – Übersetzung: Michael Kurt Sonntag). Andere Fachleute dagegen sehen in diesem Kopf nicht den des Sophytes, sondern den des Seleukos und verweisen dabei auf die ikonografische Ähnlichkeit mit den idealisierten Porträts Seleukos´ I. Nikator. Zwischen 305/04 und 295 v. Chr. wurden nämlich in Susa sogenannte Siegesmünzen des Seleukos geprägt (Tetradrachmen, Drachmen, Hemidrachmen und Obole), die vorderseitig Seleukos mit Helm sowie Stierhörnern und rückseitig die ein Tropaion bekränzende Nike zeigen. Dadurch dass Sophytes auf seinen Münzen ebenfalls ein idealisiertes behelmtes Seleukosporträt benutzt hat, habe er seine Loyalität mit dem seleukidischen Königshaus anschaulich unter Beweis gestellt und sich gleichzeitig aus der Oberhoheit auch ein Stück weit gelöst, indem er die Münzen im eigenen Namen prägte. Wieder andere Numismatiker interpretieren diesen Sophytes gar nicht als Zeitgenossen von Seleukos I., sondern als einen lokalen baktrischen Machthaber, der erst um 246/45-235 v. Chr. geherrscht und Münzen geprägt habe, halten den Porträtierten mit hoher Wahrscheinlichkeit aber ebenfalls für Seleukos I. Nikator. Aber warum hätte Sophytes zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Porträt des

281 v. Chr. verstorbenen Seleukos I. prägen sollen? Schließlich wurde das Seleukidenreich während dieser Periode von Seleukos II. Kallinikos (246-225 v. Chr.) regiert. Außerdem hatte sich der griechische Satrap Baktriens Diodotos (I.) bereits um 256 v. Chr. vom Seleukidenreich gelöst und das Graeco-Baktrische Königreich begründet, das sowohl Baktrien als auch die Sogdiane umfasste, und dieses dann bis zu seinem Tode 235 v. Chr. regiert. Wäre es von Sophytes, wenn er denn tatsächlich von 246/45-235 v. Chr. geherrscht haben sollte, in dem Fall nicht sehr unklug gewesen, die politischen Veränderungen in Baktrien und der Sogdiane völlig zu ignorieren und numismatisch auf die Seleukiden zu setzen?


Michael Kurt Sonntag


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