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Michael Kurt Sonntag

Die Gold- und Silbermünzen des Koson

Gingen Numismatiker vor 1980 noch davon aus, dass es sich bei Koson um einen unbekannten skythischen König handle, so meinten einige später, er sei ein thrakischer Herrscher gewesen, der Olbia kontrolliert und als Verbündeter des Caesarmörders M. Iunius Brutus Münzen geprägt habe. Überzeugender ist nach Oliver Hoover allerdings die Ansicht derer, die Koson mit dem geto-dakischen König Kotison gleichsetzen, dem König, der jedesmal wenn der Istros (die Donau) zufror, Raubzüge ins nördliche Thrakien und Skythien unternahm[1].


Laut Hoover soll der römische Triumvir Octavian eine Heiratsallianz mit Kotisons Haus geschlossen haben, um Kotison davon abzuhalten, dem Triumvir Marcus Antonius geto-dakische Militärhilfe zukommen zu lassen. Am Ende entschied sich Kotison aber für die Feinde Octavians. Doch schon bald nachdem Marcus Antonius in der Seeschlacht von Actium (31 v. Chr.) von Octavians Truppen besiegt worden war, fiel auch Kotison beim Versuch, einen römischen Feldzug nach Dakien aufzuhalten. Dieser Tod des Kotison und die anschließende Auflösung seines Stammeskönigreichs erlaubten es Augustus (so wurde Octavian seit 27 v. Chr. tituliert), die sogenannte „Befriedung Dakiens“ für sich in Anspruch zu nehmen.


Bekannt wurde König Kotison allerdings durch seine Goldstatere, die er zwischen 42 und 29 v. Chr. prägen ließ und die den griechischen Namen ΚΟΣΩΝ (Koson) aufweisen.


Abb. 1: Skythien. Geto-Daker. Stater des Kotison bzw. Koson (um 42–29 v. Chr.), Gold, 8,39 g,19 mm, Münzstätte Olbia. [Bildquelle: Münzhandlung Harald Möller, Auktion 79 (13. Juni 2022), Los 5]


Diese im reduzierten attischen Münzfuß (1 Stater = 8,4 g) ausgebrachten Goldstatere wurden in großen Mengen produziert und ahmen in ihren Bildmotiven römische Silberdenare nach. So sehen wir auf der Vorderseite einen nach links schreitenden römischen Konsul zwischen zwei Liktoren, die geschulterte Rutenbündel mit eingeflochtener Axt (fasces) tragen. Dieses Bildmotiv stammt zweifellos von einem römischen Denar des M. Iunius Brutus aus dem Jahr 54 v. Chr.

Die Rückseite des Goldstaters zeigt einen Adler mit ausgebreiteten Flügeln, der nach links auf einem Szepter steht und in einem seiner Fänge einen Kranz trägt – ein Bildmotiv, das einem Denar des Münzmeisters Q. Pomponius Rufus von 73 v. Chr. nachempfunden wurde. Während die Rückseite der Goldstatere anepigraphisch ist, trägt die Vorderseite im Abschnitt die Aufschrift ΚΟΣΩΝ im Nominativ, bezeichnet also den emittierenden König, und im linken unteren Feld ein Monogramm. Letzteres wurde bereits verschiedentlich als BR für Brutus, als ΟΛΒ für die Münzstätte Olbia oder als ΒΑ für den abgekürzten Königstitel (ΒΑΣΙΛΕΩΣ) aufgelöst.


Nun ist in der Vergangenheit angenommen worden, diese Goldstatere seien für den Caesarmörder Brutus geprägt worden. Das Edelmetall dafür stamme aus einem Schatz, den Brutus im Jahr 42 v. Chr. von der Ehefrau des astaisch-thrakischen Königs Sadalas II. erhalten habe. Diese Annahme lehnt die neuere Forschung um Oliver Hoover allerdings ab. Laut Hoover ist jede Verbindung zwischen diesen Münzen und der Sache des Brutus illusorisch, zumal die Verwendung frührer römischer und makedonischer Münztypen, die in absolut keiner Beziehung zu Brutus und dem römischen Bürgerkrieg (44–42 v. Chr.) zwischen Caesars Erben und dessen Mörder standen, dieses nahelege. Stattdessen imitierten die Goldstatere lediglich Münztypen, die in den dakischen Münzumlauf gelangt seien, und hätten keinerlei politische Bedeutung[2].


Zusätzlich zu den goldenen Stateren ließ der geto-dakische König aber auch noch Silberdrachmen prägen. Diese im vollen attischen Münzfuß (1 Tetradrachme = 17,2 g / 1 Drachme = 4,3 g) ausgebrachten Drachmen gab es in zweierlei Ausführung: einmal motivgleich mit den Goldstateren (Abb. 2) und einmal in einem völlig neuen Erscheinungsbild (Abb. 3).


Abb. 2: Skythien. Geto-Daker. Drachme des Kotison bzw. Koson (um 42–29 v. Chr.), Silber, 4,47 g, 19 mm, Münzstätte Olbia. [Bildquelle: Leu Numismatik AG, Web Auction 23 (22. August 2022), Los 3085]


Abb. 3: Skythien. Geto-Daker. Drachme des Kotison bzw. Koson (um 42–29 v. Chr.), Silber, 4,47 g, 19 mm, Münzstätte Olbia (?). [Bildquelle: Leu Numismatik AG, Web Auction 23 (22. August 2022), Los 3086]


Vorderseitig sehen wir einen makedonischen Schild, der in seinem Zentrum mit einer nach rechts gewandten Büste der Artemis Tauropolos verziert ist. Rückseitig findet sich eine Keule innerhalb eines Eichenkranzes und oberhalb und unterhalb der Keule die Legende ΚΟΣΩΝ / ΔΡΟΥΕΙΣ. Während das erste Wort den Namen des Königs wiedergibt, dürfte das zweite eine vermutlich falsche Schreibweise des Begriffs ΠΡΩΤΗΣ (Protes [der Ersten]) sein[3]. Hierzu muss man nämlich wissen, dass dieser Münztyp den Tetradrachmen des römisch-makedonischen Protektorats entlehnt wurde, auf denen das Wort Protes vorkam, das sich auf den ersten makedonischen Bezirk bezog.


Was die motivgleichen Drachmen aus Abb. 2 angeht, so wurde ihre Authentizität laut Hoover bisweilen in Frage gestellt.

Arthur Houghton stuft die Seltenheit der erwähnten Münzen wie folgt ein:

  • Abb. 1: S[carce] = selten, 60–200 Exemplare;

  • Abb. 2: R1 = rar, 25–60 Exemplare;

  • Abb. 3: R1 = rar, 25–60 Exemplare.


Anmerkungen

  1. Oliver D. Hoover, Handbook of Coins of Macedon and its neighbors. Part II: Thrace, Skythia, and Taurike. Sixth to first centuries BC (= The handbook of Greek coinage series, vol. 3). Lancaster/London, S. 308.

  2. Ebd., S. 309.

  3. Gegen diese Annahme spricht sich beispielsweise Wolfgang Fischer-Bossert aus, der in seinem gelungenen Aufsatz „ΚΟΣΩΝ ΔΡΟΥΕΙΣ“ (erschienen in: »Man kann es sich nicht prächtig genug vorstellen!« Festschrift für Dieter Salzmann zum 65. Geburtstag, Bd. 1. Marsberg/Padberg 2016, 87–102) das Wort ΔΡΟΥΕΙΣ – im Übrigen ein hapax legomenon – auch etymologisch untersucht und des Weiteren einen knappen, aber gehaltvollen Überblick über die Hintergründe der ΚΟΣΩΝ-Münzprägung sowie deren Forschungsgeschichte gibt. Die Numismatik ist eben ein lebendiges Fach, in dem es immer Neues (und Altes) zu erforschen gibt! [Anm. der Redaktion]


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