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Dietmar Kreutzer

Die Geburtswehen des Franc belge

Auf dem Wiener Kongress waren im Jahr 1815 die vereinigten Niederlande geschaffen worden. Doch die katholischen Belgier wollten nicht unter dem protestantischen König Wilhelm I. leben. Das neue Grundgesetz benachteiligte überdies die Bürger in den ehemals habsburgischen Landesteilen. So kam es am 25. August 1830 zum Aufstand. Im Brüsseler Théâtre de la Monnaie stand die Oper Die Stumme von Portici auf dem Spielplan, in der es um die neapolitanische Revolte gegen die spanische Herrschaft geht. Während der Arie Heilige Vaterlandsliebe brandete frenetischer Beifall auf, die Zuschauer sprangen von ihren Sitzen und stürmten ins Freie:

„Draußen wartete bereits eine riesige Menschenmenge. Zusammen zog man durch die Straßen, an jeder Ecke strömten Bürger hinzu und verstärkten den Protestzug. Die ersten Fensterscheiben klirrten, noch in derselben Nacht war die ganze Stadt in der Hand ihrer revoltierenden Einwohner. Die sofort gebildete Bürgerwehr zählte schon in den nächsten Tagen an die zehntausend Köpfe. Wie ein Lauffeuer breitete sich die Unabhängigkeitsbewegung über das ganze Land aus.“ (1)

Die vom niederländischen König Wilhelm I. entsandten Truppen scheiterten an den Brüsseler Barrikaden. Im Oktober 1830 proklamierten die Aufständischen das unabhängige Belgien. Die Großmächte akzeptierten den neuen Staat. Leopold, der jüngste Sohn des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld wurde zum König gewählt.


Prinz Leopold von Sachsen-Coburg (1790-1865) – Bildquelle: Wikimedia, Dawe.


In Bezug auf die Währung herrschte Chaos in der jungen Nation. Neben dem niederländischen Geld waren auch französische Münzen sowie Münzen aus dem Fürstentum Lüttich und den österreichischen Niederlanden im Umlauf. Das Währungsgesetz vom 5. Juli 1832 sollte diesem Durcheinander ein Ende setzen. Es sah die Einführung die Schaffung des Franc belge mit seinen Vielfachen und Unterteilungen nach dem Vorbild des französischen Systems vor. Die Entscheidung war keineswegs unumstritten:

„Im Gegenteil versuchte der belgische Finanzminister, J.A. Coghen, in seiner Vorlage an das Parlament vom 17. Februar 1832 zunächst eine neue nationale Währung, den Livre belge, einzuführen. Auf diese Weise sollte die Unabhängigkeit von Frankreich dokumentiert werden. Andere Vorschläge plädierten für einen belgischen Gulden oder ein Pentagramme (fünf Gramm Silber) als Währungseinheit.“ (2)

Aus praktischen Erwägungen setzte sich jedoch das System des großen Nachbarn durch. Eine erste Serie von Silber- und Kupfermünzen vom einfachen Centime bis zu fünf Francs wurde geprägt. Das verwendete Bild des Königs mit einem Eichenlaubkranz von Joseph-Pierre Braemt, einem Graveur an der Brüsseler Münze, ähnelt frappierend dem des französischen Königs Louis-Philippe, des Schwiegervaters von Leopold I. Die geplanten Goldmünzen in zwei Wertstufen wurden wegen des hohen Goldpreises nicht in Umlauf gebracht.


5 Francs (Frankreich, 1832, 900er Silber, 25 Gramm, 37 mm) - Bildquelle: Heritage Auctions, WACS Auction 232238, Lot 64462.


5 Francs (Belgien, 1832, 900er Silber, 25 Gramm, 37 mm) - Bildquelle: Numista, Sincona AG.


Die einheimische Münzprägung war jedoch unzureichend. Um den Mangel an Münzen zu beheben, behielt eine Reihe ausländischer Währungen wie der französische Franc oder der niederländische Gulden gesetzlichen Kurs. Am 31. März 1847 beschloss das belgische Parlament wegen des Mangels an Goldmünzen die Einführung eines 25-Francs-Stückes und eines 10-Francs-Stückes. Ein Wettbewerb für eine komplett neue Münzserie wurde ausgeschrieben:

„Den Wettbewerb gewann Leopold Wiener, der Nachkomme einer berühmten Familie von Medailleuren. Sofort verbreitete sich das Gerücht, dass er den Siegerentwurf nicht selbst umgesetzt hatte. Wiener wurde gezwungen, eine Fünf-Franc-Münze in den Räumen der Münzstätte und unter ständiger Aufsicht nachzubilden. Innerhalb weniger Tage stellte er Matrizen her, die besser aussahen als sein erster Entwurf.“ (3)

Die ersten Goldmünzen der neuen Serie erschienen im Jahr 1848. Abweichend vom französischen System mit einem Wertverhältnis von 1 : 15 1/2 zwischen Gold und Silber wurde ihnen jedoch offiziell ein geringfügig höheres Wertverhältnis zum Silber beigelegt. Zu den daraus entstehenden Problemen  gesellte sich eine ungenaue Bewertung des britischen Goldpfundes mit 25,50 Francs und des holländischen Silbergulden zu 2,10 Francs. Jede der in- und ausländischen Münzen repräsentierte damit nun ein geringfügig voneinander abweichendes Gold-Silber-Verhältnis.    


25 Francs (Belgien, 1848, 900er Gold, 7,9 Gramm, 22 mm) - Bildquelle: Sincona AG, Auktion 76, Los 1009.


Das Gesetz vom 4. März 1848 zur Neuordnung des Währungssystems hatte daher nur ein kurzes Leben. Es wurde am 28. September des folgenden Jahres wieder außer Kraft gesetzt. Die Maßnahmen fielen ohnehin in eine schwierige Zeit. Die Revolution vom Februar 1848, die zum Sturz des französischen Königs Luis Philippe führte, verursachte in Frankreich eine Finanzkrise. Auch in Belgien war Bargeld knapp. Der im Jahr 1849 einsetzende Goldrausch in Kalifornien ließ zudem den Goldpreis massiv fallen. Das belgische Parlament, das den Wert des Goldes im Verhältnis zum Silber gerade erst angehoben hatte, sah sich erneut zum Handeln gezwungen. Es verfügte die Umstellung des Währungssystems auf einen reinen Silberstandard. Die Goldmünzen sollten aus dem Verkehr gezogen werden:

„Von den in den Jahren 1848-1850 insgesamt ausgeprägten 545.635 Expl. zu 25 Francs wurden bis Ende 1850 455.536 Expl. wieder eingezogen. Nicht zur Einlösung kamen 90.099 Expl. Von den in den Jahren 1849 und 1850 insgesamt ausgeprägten 100.515 Stücken zu zehn Francs wurden bis Ende 1850 54.890 Expl. wieder eingezogen. Nicht zur Einlösung kamen 45.625 Expl.“ (4)

Finanzminister Hubert Frère-Orban verfügte die Zusammenlegung der beiden überregionalen Privatbanken, die mehrmals in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren. Aus ihnen entstand die Banque nationale de Belgique. Sie übernahm nun alle Aufgaben einer Zentralbank.     


Dietmar Kreutzer


Quellenangaben:

  1. Macht und Mythos: Das belgische Königshaus; Augsburg 2001, S. 30.

  2. Guido Thiemeyer: Internationalismus und Diplomatie- Währungspolitische Kooperation im europäischen Staatensystem 1865-1900; München 2009; S. 23f.

  3. Ben te Boekhorst, Marianne Danneel, Yves Randaxhe: Adieu franc – La Belgique et sa monnaie, une belle histoire, S. 19f.

  4. H. Schlumberger: Goldmünzen Europas seit 1800; München 1967, S. 17.

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