In europäischen Königs- und Fürstenhäusern wurde standesgemäß und möglichst lukrativ geheiratet. Bei den Habsburger galt der Grundsatz „Bella gerant alii, tu felix Austria nube“(„Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate“). Und bei den Hohenzollern wurde streng darauf geachtet, dass Prinzen und Prinzessinnen nur ihresgleichen ehelichten, manchmal sogar enge Verwandte. Sollte jemand gegen diesen Grundsatz verstoßen und etwa eine Person von niedrigem Adel oder gar bürgerlichen Standes heiraten, fiel er oder sie in Ungnade und wurde aus dem Familienverband ausgestoßen. Wichtig war nach Luthers Reformation von 1517 auch, dass die Konfession stimmte. So kam es kaum vor, dass Katholiken und Protestanten heirateten. Falls dies doch geschah, dann war es ratsam, einen Glaubenswechsel vorzunehmen. Das alles war im Falle der Hochzeit der ganz unbekannten und in vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen aufgewachsenen Strelitzer Prinzessin Sophie Charlotte mit dem englischen König Georg III. am 8. September 1761 kaum der Fall. Durch sie entstanden enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Neustrelitz und London. Der Name der Stadt Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia bezieht sich auf Königin Sophie Charlotte von England, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz.
Georg III. lernte seine Gemahlin erst am Hochzeitstag im Jahre 1761 kennen. An europäischen Höfen nahm man aufmerksam wahr, dass es da im Norden des Römisch-deutschen Reichs dieses kleine Herzogtum gibt und interessierte sich auch dafür, wie die neue Königin ihre Rolle ausfüllt. Es versteht sich, dass die englische Hochzeit durch Medaillen gewürdigt wurde, die mal nach England und mal nach Mecklenburg-Strelitz gelegt werden können. Das Paar führte eine glückliche Ehe, der König war seiner Frau treu und unterschied sich in dieser Hinsicht positiv von vielen seiner Vorfahren und Nachkommen. Zusammen hatte das Paar fünfzehn Kinder. Georg III. liebte nach dem Motto „Zurück zur Natur“ das Landleben und verbrachte seine Tage im Süden Englands. Da er lange und gern in Weymouth an der Südküste zum Sommerurlaub weilte, machte dies den Ort zu einem der ersten Seebäder des Landes.
Georg III. regierte in turbulenten, ja auch revolutionären Zeiten von 1760 bis 1819 Großbritannien und Irland. Zudem war er Kurfürst von Hannover, aus dem 1814 beim Wiener Kongress das Königreich Hannover wurde. Er war der letzte britische Monarch, der sich infolge des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) formal auch König von Frankreich nennen konnte, es aber nicht war. Unter seiner langen Herrschaft erlangte Großbritannien Weltgeltung und war Motor der Industriellen Revolution. Das Land war im 17. Jahrhundert durch einen Bürgerkrieg erschüttert worden. In dessen Verlauf verlor König Karl I. 1649 seinen Kopf. Oliver Cromwell, der Anführer der Erhebung, schwang sich zum Lordprotektor auf und machte aus der Monarchie eine Republik. Nach Cromwells Tod 1660 wurde die Monarchie wiederhergestellt. Verschiedene Herrscher besetzten den Thron in London. Die britische Krone war nach dem Aussterben des Hauses Stuart ab 1714 mit dem Haus Hannover verbunden, aus dem Georg III. stammte.
Für sein Reich begann eine Zeit langer Kriege zu Lande und zu Wasser gegen Frankreich, in deren Ergebnis das Land Ludwigs XV. und Ludwigs XVI. geschwächt wurden. Unter Georg III. konnte Großbritannien seinen kolonialen Besitz in Kanada ausbauen, musste aber Verluste großer Teile seiner nordamerikanischen Kolonien während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg von 1775 bis 1783 hinnehmen. Großbritannien schwang sich dessen ungeachtet zur größten Kolonialmacht auf und setzte sich in Indien und in anderen Gegenden fest. Die nach der Revolution von 1789 geführten Koalitionskriege gegen Frankreich endeten während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 mit der Niederlage Napoleons I. in der Schlacht bei Waterloo und dessen Verbannung auf die britische Insel Sankt Helena.
Unter Georg III. wuchs die Bevölkerung Großbritanniens von 7,5 Millionen auf 14 Millionen an. Das Land war führend bei technischen Innovationen und dem Aufschwung der Maschinenarbeit. Durch die Erfindung des mechanischen Webstuhls, der Dampfmaschine und anderer hilfreicher Gerätschaften und Verfahren konnten Industriegüter schneller und preiswerter als je zuvor hergestellt werden. Hinzu kam die Eisenbahn, die die Transporte beschleunigte und billiger machte. Allerdings stand einer immer reicher werdenden adligen und bürgerlichen Oberschicht die Masse der in bitterster Armut vegetierenden Land- und Stadtbevölkerung gegenüber. Deshalb kam es immer wieder zu sozialen Unruhen und deren gewaltsamer Niederschlagung sowie zur Entwicklung von Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung.
Seine letzten zehn Lebensjahre verbrachte Georg III. in zunehmender Geisteskrankheit, Blindheit, Taubheit und Demenz. Er begriff nicht, dass er 1814 zum König von Hannover ausgerufen worden und dass 1818 seine Frau Sophie Charlotte gestorben war. Somit übte sein ältester Sohn die Amtsgeschäfte als Prinzregent aus. Nach dem Tod von Georg III. 1820 bestieg dieser Prince of Wales als Georg IV. den Thron, starb aber schon 1830. Ihm folgte dessen Bruder Wilhelm IV., der ebenfalls keine legitimen Nachkommen hatte. Aus diesem Grund ging die Krone an die junge Viktoria über, die bis 1901 regierte und dem viktorianischen Zeitalter ihren Namen verlieh. Als Viktoria den britischen Thron bestieg, ging Hannover an ihren Onkel über, den Herzog von Cumberland. Er errichtete als König Ernst August I. von Hannover ein diktatorisches Regime und löste mutige Proteste der „Göttinger Sieben“ aus, bei der es sich um eine Professorengruppe handelte, von der die Gebrüder Grimm die heute bekanntesten sein dürften, die sich gegen den Verfassungsbruch und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit wendeten.
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