Frauen sind auf deutschen Kurs- und Gedenkmünzen relativ spärlich vertreten. Auf Geldstücken der Kaiserzeit sind sie gelegentlich quasi als dekoratives Anhängsel ihrer fürstlichen Ehemänner abgebildet, auf Münzen der Weimarer Republik finden wir sie in Gestalt der Germania abgebildet, der Symbolfigur der Deutschen. In der DDR und der Bundesrepublik, die sich so sehr die Gleichberechtigung der Geschlechter zugute halten, fällt die Würdigung von Frauen auf Münzen aus verschiedenen Gründen recht spärlich aus. Die frühesten Prägungen dieser Art ehren die Bildhauerin und Grafikerin Käthe Kollwitz (DDR, 10 Mark, 1967) und Rosa Luxemburg gemeinsam mit Karl Liebknecht (DDR, 20 Mark, 1971) sowie – deutlich später – noch einmal Käthe Kollwitz (BRD, 10 DM, 1992) und Hildegard von Bingen (BRD, 10 DM, 1998). Von hier sollte es noch einige Zeit dauern, bis 2005 die berühmte Friedensaktivistin und Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner und danach wenige andere Frauen durch Gedenkmünzen geehrt wurden.
Eine Sonderstellung in der Münzgeschichte der frühen Weimarer Zeit nimmt eine von Rudolf Bosselt gestaltete Notgeldserie der preußischen Provinz Westfalen von 1923 mit dem Kopf des Ministers Freiherr Karl vom und zum Stein und der Dichterin Anette von Droste-Hülshoff (1797-1840) ein. Das biedermeierlich anmutende Porträt mit hochgesteckter Frisur bildet eine erfreuliche Ausnahme in der männlich dominierten Welt der Münzen und Medaillen jener Zeit.
Eben diese Dichterin wurde Anfang 2022 anlässlich ihres 225. Geburtstags durch eine 20-Euro-Münze mit der aus einem ihrer Gedichte stammenden Randschrift SO GROSSES KLEINOD, EINMAL SEIN STATT GELTEN geehrt. Die Jury entschied sich für den als stimmig und sehr klar bewerteten Entwurf von Anna Auras (Stuttgart). „Ihre Haare vom Wind lösen lassen – wie in ihrem Gedicht ,Am Turm’ –, kann als Bild gesehen werden für die Befreiung aus den engen Verhältnissen der Zeit. Der dargestellte Gesichtsausdruck zeigt Entschlossenheit und widerspricht den damals gängigen Erwartungen an Geschlecht und Stand“, lobt das Preisgericht das Modell. Beachtenswert ist der fliegende Vogel über der Silhouette der Alpen, die Annette von Droste-Hülshoff stets vor Augen hatte, nachdem sie viel Zeit bei ihrem Schwager in Meersburg am Bodensee verbrachte, wo sie im Revolutionsjahr 1848 verstarb. Wer vor der Einführung des Euro einen Zwanzigmarkschein in der Hand hatte, konnte ihr direkt in die Augen sehen. Das Porträt richtet sich nach einer Miniatur, die 1820 ihre Schwester geschaffen hatte.
Die aus einer bei Münster lebenden katholischen Adelsfamilie stammende Autorin von Gedichten und Balladen, von denen einige auch vertont wurden, sowie von Prosaarbeiten, wie die in mehrere Sprachen übersetzte Novelle von 1842 „Die Judenbuche – Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen“ über einen nicht aufgeklärten Kriminalfall in der Zeit vor den dramatischen Umwälzungen durch die Französische Revolution von 1789, die Westfälischen Schilderungen“, die unvollendet gebliebene Kriminalgeschichte „Joseph“ und nicht zu vergessen einige Libretti für Bühnenwerke, passte so gar nicht in das traditionelle Schema einer vornehmen Dame von Rang und Stand. In ihrem Gedicht „Der Dichter“ beschreibt sie, wie einem solchen Perlentaucher Verständnislosigkeit begegnet. „Dass er den Blitz herniederlangt, / Um seine Fackel zu entzünden, / Im Wettertoben, wenn euch bangt, / Den rechten Odem weiß zu finden: / Ihr starrt ihn an mit halbem Neid, / Den Geisteskrösus seiner Zeit, / Und wisst es nicht, mit welchen Qualen / Er seine Schätze muss bezahlen“.
In ihrem Tun und Lassen war Droste-Hülshoff durchaus mit ihrer Zeitgenossin und Schriftstellerkollegin Bettina von Arnim vergleichbar, die mit ihren Forderungen nach Lösung der „sozialen Frage“ und der Verbesserung der elenden Lebenslage des damaligen Proletariats bei den damaligen Eliten aneckte. Über sich sagte Droste-Hülshoff, sie möchte und wolle jetzt nicht berühmt werden, „aber nach hundert Jahren möchte ich gelesen werden.“ Das ist ihr gelungen, obwohl heutzutage wohl kaum noch ihre Gedichte im Schulunterricht vorgetragen und analysiert werden. Vielleicht hilft die nun erhältliche Gedenkmünze, daran etwas zu ändern.
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