Über das Westfälische Notgeld ist viel geschrieben worden. Man kann darüber streiten, ob es sich bei dem Stück zu einer Billion Mark um eine Münze oder Medaille handelt. Schliesslich war diese „Münze“ nie im Umlauf, sondern galt eher als ein Erinnerungsstück an die wirren Zeiten in der Provinz Westfalen zur Zeit der Inflation. Trotzdem, mit einer Wertangabe von einer Billion Mark ist die Münze oder auch Medaille einzigartig. Interessant ist zunächst, wie diese „Münze“ in den verschiedenen Münzkatalogen beschrieben und bewertet wird. Die echten Stücke sind in der Beilage zur Ausgabe Nr. 11 des Jahrganges 1935 von von „Notgeld“ (Verlag W. Funck, Neuenburg/Oldenburg) in zwei Varianten aufgeführt, nämlich in Tombak vergoldet und in Neusilber versilbert. Heinz Jansen listet in „Das deutsche Notgeld 1915 – 1923“ (Verlag Buchdruckerei Erich Pröh, 1971, Berlin) drei unterschiedliche Varianten aus Neusilber auf. In „Die deutschen Münzen seit 1871“ von Kurt Jaeger, 23. Auflage, Battenberg-Verlag, Regenstauf, 2017 wird nur die „Münze“ in Neusilber aufgelistet, allerdings mit einer Anmerkung. Der aktuelle Funck in der 9. Auflage von 2024 auch aus dem Battenberg-Verlag, 2024 listet wiederum zwei Varianten in Neusilber und Tombak auf, mit folgender Anmerkung: "Die Landesbank hatte im Januar 1924 beschlossen, zur Erinnerung an die Inflation 1 Billion Markstücke in der Größe von 60 mm aus Neusilber prägen zu lassen. Diese Gedenk-Münzen wurden von der Landesbank Westfalen in Münster in einfachen Pappschachteln für 2,50 Reichsmark verkauft und wurden von den Käufern gerne verschenkt. Die vergoldeten exklusiven Tombak-Münzen 645.15B wurden im Januar 1924 vom Landeshauptmann der Provinz Westfalen in Auftrag gegeben und wurden in gefütterten Etuis für besondere Verdienste an angesehene Bürger abgegeben."
Man erkennt, fünf unterschiedliche Quellen mit weitgehend unterschiedlichen Angaben. Wobei Messing und Tombak weitgehend als eine Legierung angesehen werden können. Unter Tombak versteht man eine hochkupferhaltige Messinglegierung mit mindestens 72% Kupfer und maximal 28% Zink. Im Gegensatz dazu ist Bronze als Kupferlegierung recht weit gefächert, es gibt unter anderem die Aluminiumbronze (zum Beispiel bei 50 Reichspfennige, 1925), die Bleibronze (insbesondere bei antiken Münzen) und vieles mehr. Ob es tatsächlich die "Billion" aus Bronze oder sogar aus Kupfer gibt, ist nicht auszuschliessen. Erforderlichenfalls würde ich vor einem Kauf dieser Münze aus Bronze oder Kupfer einen Münzsachverständigen zu Rate ziehen. Vorstehend sind die vier „offiziellen“ Variationen der Ausgabe, von links nach rechts in der oberen Reihe Neusilber versilbert und Neusilber sowie in der unteren Reihe Messing vergoldet und Messing abgebildet.
Eindeutug zu verifizieren ist ein Durchmesser von 60 Millimetern. Die Dicke ist leicht unterschiedlich, ebenfalls die Massenangaben. Dies liegt auch daran, dass die Münzen nicht in einer staatlichen Münze, sondern bei der über 150 Jahren alten Firma Heinrich Kissing in Menden im Sauerland angefertigt wurden. In Bezug auf Münzprägungen nahm man es da wohl nicht sonderlich genau. Die Abweichungen dürften aber auch den Umständen der damaligen Zeit geschuldet sein. Rohstoffe und geschultes Personal waren nach dem Ersten Weltkrieg knapp, das Rheinland durch die belgische und französische Armee besetzt. Abweichungen zeigen sich bei den Stücken zu 100 Mark von 1923 mit dem Bild von Annette von Droste-Hülshof. Hier gibt es zwei unterschiedliche, aber originale Stempel für die Bildseite. Bei einem der Stempel fehlt die Locke an der linken Schulter.
Da es sich bei dem Stück zu einer Billion Mark um eine seltene und auch ausgefallene "Münze" handelt, wurde sie vielfältig nachgeprägt oder gefälscht. Als offizielle Nachprägungen, also staatlich sanktionierte Fälschungen sind zwei von dem Stück zu einer Million Mark bekannt. Beide Nachprägungen wurden von der staatlichen Münze Hamburg hergestellt und weisen leichte Veränderungen gegenüber dem Original von 1923 auf. Auf der Rückseite ist die Jahreszahl 2001 bzw. 2015 eingeschlagen. Beide Münzen sind vergoldet, die Nachprägung von 2001 hat einen Silber- und die Nachprägung von 2015 einen Kupferkern. Das vorstehende Bild zeigt die beiden Bildseiten mit der Punze. Darüber hinaus gibt es noch eine Miniatur aus dem Jahr 2022 mit der Punze auf der Wertseite. Eine vom Autor angefertigte tabellarische Übersicht erfasst erhebliche Unterschiede an den neun verschiedenen Varianten in der Originalgröße, in der Dicke sowie der Masse, die von 67 bis 101 Gramm reicht.
Fälschungen der Stücke gibt es in Form von Nachgüssen. Am bekanntesten sind die Fälschungen von Klaus-Peter Brozatus aus Gera. Er hat seine Falsifikate mit der Randpunze „GB“ oder „GG“ versehen. Andere Fälscher haben dies nicht für nötig gehalten und die Münzen gegebenenfalls auch mit einem Überzug aus Gold oder Kupfer versehen. In der Regel kann man die Nachgüsse an den Klebe- bzw. Lötstellen erkennen, da sie aus zwei verklebten Hälften bestehen. Allerdings können auch Originale in zwei Hälften zerfallen, wie im folgenden Bild eines "Zwitters" zu sehen ist.
Fälschungen als Nachgüsse enthalten einen Kern aus einem Metall, welches beim Erstarren einen möglichst geringen Schwund aufweist. Genutzt wird in der Regel Britanniametall oder auch Blei (zum Beispiel bei den Nachgüssen der Fa. Hausmann aus Bonn). In der folgenden Bildreihe ist links ein Galvano mit einem Kupferüberzug dargestellt. Die Herkunft ist unbekannt. Der rechte Galvano stammt von Klaus-Peter Brozatus und ist mit einer Randpunze „GG“ versehen. Galvanos werden in einem galvanischen Bad hergestellt. Dazu wird zuerst ein Negativabdruck hergestellt, früher aus Weissblech, heute aus Silikon und mit Graphit zur Herstellung einer guten Leitfähigkeit überzogen. Dies bildet in dem galvanischen Bad die Kathode. Als Anode nutzt man das Material, aus welchem die Fälschung später bestehen soll. Mit Anlegen des elektrischen Stroms wird von der Anode an die Kathode das Material transferiert bis die nötige halbe Münzdicke erreicht ist. Genauso verfährt man mit der anderen Münzhälfte. Die beiden Hälften müssen dann noch geschliffen und zusammengeklebt werden. Anschliessend wird der Rand verschliffen und die Klebestellen kaschiert.
In der unteren Reihe des oben dargestellten Bildes ist eine geprägte Fälschung zu sehen. Hier ist der Rand geriffelt. Das Münzbild ist zwar sehr detailliert, aber zu flach. Die Goldauflage ist sehr dünn, daher wird dieses Stück vom Autor zum Schutz in einer Kapsel gelagert. Von dieser Fälschung ist zudem ein versilbertes Objekt bekannt. Geprägte Fälschungen werden heute nicht mehr geschlagen, sondern mit einem Walzwerk hergestellt, in dem sich der Ober- und Unterstempel austauschbar auf Walzen befinden. Allerdings darf das Rohmaterial dazu nicht zu hart sein. Gold, Britannia-Metall und auch einige Kupferlegierungen sind besonders geeignet für eine Fälschung. Die Werkstatt der Firma Wentzlaff in Passau war in den 1980er Jahren für hervorragende Fälschungen bekannt.
Thomas Enke
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