Nachdem Lottie Salton im Frühjahr 2020 verstarb, fragten sich viele Numismatiker, was mit der berühmten Sammlung der Saltons geschehen würde. Nach der Testamentseröffnung stand fest: Die Auktionshäuser Künker und Stack's Bowers wurden von Mark und Lottie Salton bestimmt, ihre berühmte Sammlung in einer Serie von deutsch-amerikanischen Kooperationsauktionen aufzulösen.
Die erste Auktion wird auf der New York International Numismatic Convention (NYINC) am 16. Januar 2022 stattfinden. Zur Versteigerung kommen sehr seltene und besonders gut erhaltene Münzen aus der griechischen Antike sowie ausgewählte europäische Prägungen. Bei den griechischen Münzen fallen die guten Erhaltungen und Provenienzen auf. Viele Münzen stammen aus den bedeutendsten Sammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts, zum Beispiel aus den Sammlungen Jameson, Pozzi, Hermitage, Lockett, Vierordt oder Sir Arthur Evans, um nur einige zu nennen. Zu den Prunkstücken dieser Auktion gehört das von Kimon signierte Dekadrachmon aus Syrakus. Die prachtvoll erhaltene Münze stammt aus den Sammlungen Pierpont Morgan, Satterlee Ingalls und Dr. Herbert Ives.
Fortgesetzt wird die Auktionsreihe am 21. März 2022 in Osnabrück. An diesem Tag werden mehr als 600 europäische Goldmünzen versteigert. Die Serie enthält große Raritäten mit einem Schwerpunkt auf den altdeutschen Prägungen. Darunter befindet sich ein extrem seltener Pfaffenfeind-Dukat von 1622, der sich zuvor in den Sammlungen Knigge und Campion befand. Die Münze wurde letztmalig am 30. November 1937 bei Glendining‘s in London versteigert.
Neben den altdeutschen Prägungen sind vor allem die Münzen aus den Niederlanden, Italien und besonders aus den habsburgischen Gebieten erwähnenswert. Darunter befinden sich viele Münzen, die seit Jahrzehnten nicht in Auktionen angeboten wurden. Als Beispiele sollen hier dienen: ein 4-facher Sovereign oder 8-facher Rosenoble aus der Stadt Campen in den Niederlanden, von dem nur diese eine Prägung bekannt ist. Aus Habsburg ist ein 8-facher Dukat aus Tirol mit den Portraits der drei habsburgischen Kaiser Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I. aus der Sammlung des Erzherzogs Sigismunds im Angebot. Von dieser Münze ist nur ein Stück in Gold bekannt.
Die Sammlung Salton ist ein Lebenswerk, das vermutlich sogar schon vor dem Zweiten Weltkrieg begonnen wurde. Darin enthalten sind mehrere tausend Gold- und Silbermünzen aus der Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit. Jedes Stück ihrer Sammlung spiegelt die profunden numismatischen Kenntnisse von Mark und Lottie Salton wider, die sich beide in jahrzehntelanger Tätigkeit angeeignet hatten.
„Ich kannte Mark und Lottie lange Jahre persönlich“, so Larry Stack, Mitbegründer der Stack's Bowers Galleries. „Uns verband ein freundschaftliches Verhältnis. Obwohl ich im Laufe der Jahrzehnte nur Ausschnitte ihrer umfangreichen Sammlung gesehen hatte, war ich von der überragenden Qualität und dem schieren Umfang ihrer Sammlung überrascht, als ich sie in der Hand hielt. Vor allem die beeindruckenden Provenienzen, die so viele der Münzen haben, sind etwas ganz Besonderes.“
„Mark und ich trafen uns immer auf der New Yorker Münzbörse NYINC.“, so Fritz Rudolf Künker vom Auktionshaus Künker. „Mark war immer daran interessiert zu erfahren, wie der Münzenhandel in Europa ablief und berichtete mir von seinen Erlebnissen und Erfahrungen als Münzenhändler in Frankfurt, Berlin und Amsterdam. Wir sprachen beispielsweise aber auch über seine Einwanderung in die USA und dass er es immer noch bedauere, damals seinen Geburtsnamen Max Schlessinger in Mark Salton geändert zu haben.“
Auf Wunsch des verstorbenen Ehepaars Mark und Lottie Salton werden die Erlöse aus dem Verkauf der Sammlung drei jüdischen Organisationen zugutekommen, die sich für das Gedenken an die Opfer des Holocaust einsetzen und mithelfen, das Schicksal der Juden in Europa während der Nazi-Terrorherrschaft nicht zu vergessen: der Anti-Defamation League, der American Society for Yad Vashem und dem Leo Baeck Institute.
Die Sammlung ist ein Stück jüdische Geschichte und spielt in drei Ländern: in Deutschland, in den Niederlanden und in den USA. Sie steht für das Schlimmste, was Menschen einander antun können, aber auch für Vergebung und Versöhnung. Nachdem die Nationalsozialisten im Jahr 1940 den gesamten Bestand an Münzen der Münzenhandlung Felix Schlessinger in Amsterdam beschlagnahmten, baute er nach seiner Flucht in die USA unter seinem neuen Namen als Mark Salton die Sammlung systematisch mit den finanziellen Mitteln wieder auf, die er in seinem Beruf als Banker verdiente.
„Lottie Salton lernte ich auf meiner ersten Börse in New York kennen“, so Alexandra Elflein-Schwier. „Sie nutzte die Gelegenheit, mit mir auf Deutsch ins Gespräch zu kommen. In regelmäßigen Telefonaten erkundigte sie sich bis kurz vor ihrem Tode bei mir nach Neuigkeiten im deutschen Münzenmarkt und erfreute sich daran, sich in der Sprache ihrer Kindheit austauschen zu können. Auch über die räumliche Nähe von Osnabrück zu Bad Wünnenberg, der Stadt in der ihre Familie seit Generationen lebte, ehe sie ermordet oder vertrieben wurde, ist unsere zwei jahrzehntelange, persönliche Verbindung entstanden. Das Lebenswerk von Lottie und Mark Salton nun selbst zu sehen und der Öffentlichkeit sichtbar machen zu können, ist für mich ein besonders berührender Moment. Ihr Wissen und ihre Lebensgeschichte bleiben so unvergessen.“
Es ist ein Zeichen der Versöhnung und ein Beweis, dass es möglich ist, die Welt zum Besseren zu verändern, dass das Ehepaar Salton sich entschlossen hat, die Auktionen, in der die Sammlung von Mark und Lottie Salton aufgelöst wird, in zwei Ländern stattfinden zu lassen: In ihrer alten Heimat Deutschland und ihrer neuen Heimat USA.
Die beiden damit betrauten Auktionshäuser Künker und Stack’s Bowers sind sich der Ehre und der Verantwortung, die damit verbunden sind, bewusst.
Zum Hintergrund:
Mark M. Salton (1914-2005)
Mark Salton wurde am 12. Januar 1914 als Sohn von Joel Felix Schlessinger und Hedwig Feuchtwanger geboren. Seine Mutter Hedwig stammte aus der Münchner Familie Feuchtwanger, die nicht nur den berühmten Schriftsteller Lion Feuchtwanger hervorgebracht hat, sondern auch den Chemiker Lewis Feuchtwanger, der Numismatikern wegen seines auch in der Münzprägung verwendeten Neusilbers ein Begriff ist.
Der Vater Felix Schlessinger kam aus einer alten jüdischen Dynastie von Bankiers und Münzhändlern. Gelernt hatte er bei seinem Onkel Leo Hamburger, dessen Familie seit den 1850er Jahren in Frankfurt am Main die damals bedeutendste deutsche Münzhandlung betrieb. 1928 machte sich Felix Schlessinger selbstständig. Er gründete eine äußerst erfolgreiche Münzhandlung in Berlin, die einige Auktionen durchführte. Dort lernte sein Sohn Max, der sich später Mark nennen sollte, die Kunst des Münzhandels von der Pike auf. 1935 floh die Familie Schlessinger nach Amsterdam, wo sie ihre Münzhandlung neu aufbaute. Max gründete 1936 eine eigene Münzhandlung, doch im Mai 1940 überfielen die deutschen Streitkräfte die Niederlande und übernahmen die Macht. Sofort begann die Judenverfolgung auch in den Niederlanden. Wenn es überhaupt ein Maß des Schreckens gibt, war diese Judenverfolgung noch grausamer als in allen anderen Ländern Westeuropas: Dreiviertel der Niederländer jüdischen Glaubens wurden ermordet. Zu ihnen gehörten auch Felix Schlessinger und seine Frau. Sie starben in Auschwitz. Die Münzhandlung wurde mit Lager und Bibliothek beschlagnahmt. Max gelang zusammen mit seinem Bruder Paul die Flucht. Er kämpfte im Widerstand und erhielt nach Kriegsende die Möglichkeit, in die USA zu emigrieren. Dort ließ er sich in New York nieder, änderte seinen Namen in Mark M. Salton und machte aufgrund seines unermüdlichen Fleißes, seiner umfangreichen Sprachkenntnisse und seines diplomatischen Wesens Karriere in der Welt der Banken. Lottie Salton, geborene Aronstein (1924-2020) In New York lernte er seine Frau Lottie kennen und lieben. Lottie Aronstein wurde am 17. November 1924 in Lippstadt geboren. Sie wuchs im nahe gelegenen Bad Wünnenberg auf. Zwei Tage nach der Reichskristallnacht, am 11. November 1938, überfiel ein Schlägertrupp der NSDAP gezielt die Familie Aronstein. Ihr Haus wurde systematisch zerstört. Dennoch gelang es allen Mitgliedern der Familie zu fliehen. Die Umstände waren traumatisch: Die 14-jährige Lottie wurde von ihren Eltern getrennt und übernahm die Fürsorge für ihren 10-jährigen Bruder, während sie von Lager zu Lager geschickt wurden. Die Odyssee führte sie über Belgien, Südfrankreich und Marokko, ehe sich die Familie 1941 in New York wiederfand. Dort erlernte Lottie Aronstein die Kunst des Diamantenschneidens, ehe sie 1948 Mark Salton heiratete und mit ihm gemeinsam seit den frühen 1950er Jahren eine Münzsammlung aufbaute. Mit viel Wissen und noch mehr Enthusiasmus erwarben sie noch einmal, was sie durch die Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Deutschlands verloren hatten. Es war ihnen dabei ein besonderes Anliegen, Münzen und Medaillen zu erwerben, die sich einmal im Lager der Münzhandlung Felix Schlessinger befunden hatten. Zeichen der Versöhnung Mark und Lottie Salton nutzten ihr Vermögen nicht nur für sich. Sie unterstützten systematisch die Gemeinschaft, sowohl die numismatische als auch die jüdische. Sie überließen unter anderem dem Metropolitan Museum of Art oder der American Numismatic Society (ANS) immer wieder interessante Objekte aus ihrer Sammlung und vermachten der ANS das gesamte über die Jahre angesammelte Archiv. Die Erlöse aus ihrer Sammlung fließen zu je einem Drittel an drei verschiedene karitative Organisationen, die sich vor allem dem Ziel widmen, durch die Erinnerung an die Menschen, die dem Holocaust zum Opfer fielen, eine Wiederholung ihres Schicksals unmöglich zu machen. Bedacht werden: - die Anti Defamation League, eine amerikanische Organisation mit Sitz in New York City, die gegen die Diskriminierung und Diffamierung von Juden eintritt, - die American Society for Yad Vashem, welche die Mission der in Israel gelegenen Gedenkstätte Yad Vashem unterstützt, das Gedenken an den Holocaust zukünftigen Generationen zu überliefern, indem sie sein Geschehen dokumentiert, wissenschaftlich aufarbeitet und das Wissen darüber an die Nachkommen weitergibt, - und das Leo Baeck Institut, eine New Yorker Institution, die Geschichte und Kultur insbesondere des deutschsprachigen Judentums dokumentiert. #KünkerAuktion #FritzRudolfKünker #OsnabrückStacksBowersGalleries #Auktionshaus #MarkSalton #LottieSalton #Münzsammlung #NewYork #InternationalNumismaticConvention #Jude #jüdisch #Judenverfolgung #Holocaust #Münzhandel #USA
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