„Das ursprünglichste Revier der Artemis, …, war das Erymanthos-Gebirge in der nordwestlichen Ecke Arkadiens, wo es an die Landschaften Achaia und Elis grenzt.“ (Karl Kerényi, Die Mythologie der Griechen, Götter Menschen & Heroen, Teil II, Die Heroengeschichten, Stuttgart 1997, S. 122). Hier lebte auch ein ihr geweihter Eber, der sogenannte erymanthische Eber, der die Felder der Bauern verwüstete und zerstörte. Ob die Göttin ihn gegen die Felder der Bauern sandte, weil die sich gegen sie versündigt hatten, wissen wir nicht. Alles was wir wissen, ist, dass sich die Bauern von Psophis über diese Verwüstungen beschwerten und der mykenische König Eurystheus Herakles damit beauftragte, diesen Eber lebendig einzufangen und nach Mykene zu bringen.
Davon beseelt, diese 4. Arbeit erfolgreich zu bewältigen, wanderte Herakles nach Arkadien, durchzog zunächst die Wälder der Pholoe und stieg dann in das Erymanthos-Gebirge auf. Nachdem er den fürchterlichen Eber dort aufgescheucht hatte, trieb er ihn in die schneereichen Höhen, so dass dieser dort Mühe hatte, voranzukommen und schnell ermüdete. Die bald einsetzende Erschöpfung des Ebers ausnutzend, fing ihn Herakles mit einer Schlinge, warf sich das Biest anschließend über die Schulter und wanderte damit nach Mykene zu König Eurystheus. Als der mykenische König Herakles mit dem geschulterten Eber aber erblickte, wurde er kreidebleich vor Angst, bekam Panik und verkroch sich so schnell er konnte in einer Amphore.
Doch wenngleich die antiken Griechen im gesamten Mittelmeerraum mit den Arbeiten des Herakles auch gut vertraut gewesen sein dürften, so emittierten sie auf diese 4. Arbeit des Heros keine Münzen. Doch ein ganz ähnliches Bildmotiv findet sich auf einer attischen schwarzfigurigen Amphora aus der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. (Abb. 1).
In Rom dagegen würdigte man Herakles und seine 4. Arbeit allerdings auch numismatisch. So prägte man beispielsweise in der Römischen Republik unter M. Voltei im Jahre 78 v. Chr. einen Denar, der vorderseitig den Kopf des Herakles im Fell des Nemeischen Löwen und rückseitig den nach rechts springenden erymanthischen Eber zeigt (Abb. 2).
Da der Eber der Rückseite mit dem Herakleskopf gekoppelt ist, wird klar, bei diesem handelt es sich um den erymanthischen und nicht etwa um den Kalydonischen Eber, da jener von Meleagros und Atalante erlegt wurde. Erscheinen Herakles und der Eber auf dem Denar noch beide einzeln, so offenbart uns eine kaiserzeitliche römische Provizialprägung aus Kallatis, in Moesien, die zur Regierungszeit des Kaisers Severus Alexander entstand, den siegreichen Heros mit dem geschulterten erymanthischen Eber (Abb. 3).
Sieht man sich die Rückseite genau an, dann fällt unter dem Eber das Löwenfell auf, das den Heros als Herakles ausweist. Die Umschriften sind wie für Münzen römischer Provinzen mit griechischer Bevölkerung üblich, in Griechisch verfasst. Und auch auf einem Aureus des Kaisers Probus (276-282) findet sich rückseitig Herakles mit geschultertem erymanthischem Eber und Löwenfell. Auf diesem nimmt die lateinische Rückseitenlegende sogar Bezug auf den Helden und seinen gefangenen Eber, zumal sie auf HERCVLI ERY–MANTHIO lautet (Abb. 4).
Nun sehen wir Herakles mit dem Eber auf der Schulter zwar auch auf einem Bronzemedaillon aus Perinthos, in der römischen Provinz Thrakien, doch anders als zuvor, fängt dieses Bildmotiv genau jene Szene ein, in der Herakles sein Ziel erreicht hat und den erymanthischen Eber dem König Eurystheus präsentiert, der in einem großen Gefäß am Boden steckt und verschreckt mit den Händen gestikuliert (Abb. 5).
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