Die erste Arbeit, die der mykenische König Eurystheus Herakles auferlegte, bestand darin, den Nemeischen Löwen zu töten und ihm das Fell des erlegten Tieres zu bringen. Es war aber kein gewöhnlicher Löwe. „Dieses Ungeheuer hauste auf dem Peloponnes, in den Wäldern zwischen Kleonä und Nemea in der Landschaft Argolis. Der Löwe konnte mit keinen menschlichen Waffen verwundet werden. Die einen sagten, er sei ein Sohn des Riesen Typhon und der Schlange Echidna, die anderen, er sei vom Mond auf die Erde herabgefallen“ (G. Schwab, Sagen des klassischen Altertums, München 2001, S. 147). Doch Herakles verfolgte sein Ziel unerschrocken und zog gegen den Löwen.
Als er ihn endlich auf einem Weg im Wald von Nemea antraf, schoss er drei Pfeile auf die fürchterliche Bestie, aber alle prallten wie von einem Stein ab und konnten nicht das Geringste ausrichten. Und auch ein Schlag mit der mächtigen Keule des Helden konnte das Ungeheuer nicht töten, sondern nur vorübergehend etwas taumeln lassen. So schlang Herakles seine Arme schließlich um den Nacken des gewaltigen Löwen und drückte ihm die Kehle so fest zu, bis jener seinen letzten Atemzug tat. Ihm anschließend das Fell abzuziehen, schien zunächst unmöglich, da weder Eisen noch Stein dieses durchdringen konnten. Als Herakles in seiner Not die Klauen des Tieres zu Hilfe nahm, gelang sein Vorhaben und er konnte dem Löwen das Fell abziehen und es dem König bringen. Der geriet angesichts solch göttlicher Kraft des Herakles aber so in Panik, dass er in einen ehernen Topf kroch und sich versteckte. Auch ließ er Herakles fortan nicht mehr zu sich vordringen und erteilte ihm seine Befehle nur noch außerhalb der Mauern durch einen Boten.
Da im antiken griechischen Raum auf diese erste Arbeit des Herakles recht viele Münzen verausgabt wurden, muss die erwähnte Arbeit nicht nur allseits sehr gut bekannt, sondern auch sehr beliebt gewesen sein. Denn sowohl in Sizilien als auch in Unteritalien und in Kilikien schlug man Münzen auf Herakles´ Kampf mit dem Nemeischen Löwen. So sehen wir beispielsweise auf der Rückseite eines syrakusanischen Gold-Oktobols bzw. 100-Litren-Stücks den nach rechts knienden Heros, der gerade im Begriff ist, den fürchterlichen Löwen zu erwürgen. Auf der Vorderseite findet sich der Kopf der syrakusanischen Quellnymphe Artethusa (Abb. 1).
Aus Herakleia in Unteritalien stammt ein Silberstater, der rückseitig den löwenwürgenden Herakles und vorderseitig die Göttin Athena zeigt. Allerdings kniet Herakles diesmal nicht, sondern steht aufrecht (Abb. 2).
Im unteritalischen Taras wurde diese erste Arbeit des Herakles über einen Zeitraum von 100 Jahren immer wieder numismatisch thematisiert. So sehen wir auf der Rückseite eines Diobols aus dem 4. Jh. v. Chr. den Löwen würgenden Heros und auf der Vorderseite den Kopf der Göttin Athena im attischen Helm mit steinschleudernder Skylla auf dem Helmkessel (Abb. 3.1).
Auf einem anderen tarentinischen Diobol, ebenfalls aus dem 4. Jh. v. Chr., kniet Herakles nicht und würgt den Löwen auch nicht, nein er drückt ihn mit dem rechten Knie zu Boden und schlägt im Stehen mit der Keule auf ihn ein. Eine einzigartige Darstellung, die es so auf keiner anderen Münze gibt. Die Vorderseite ziert auch hier wieder der Kopf der Athena im attischen Helm mit Skylla (Abb. 3.2).
Stehend und ebenfalls im Begriff mit der Keule auf den Löwen einzudreschen findet sich Herakles dann auf einer goldenen Hekte aus Taras, die vorderseitig den belorbeerten Kopf des Gottes Apollon zeigt (Abb. 3.3).
Eine doppelte Darstellung des Herakles weist das nachfolgende tarentinische Diobol auf. Auf diesem findet sich der Heros nämlich sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite. Allerdings greift das Vorderseitenmotiv, auf dem Herakles bereits im Fell des Nemeischen Löwen erscheint, dem Abbild auf der Rückseite, die Herakles noch beim Würgen des Ungeheuers zeigt, vor (Abb. 3.4).
Aus Tarsos in Kilikien wiederum stammt ein Silberstater, der rückseitig den knienden Herakles abbildet, der den Löwen würgt und vorderseitig das Porträt der Hera-Tyche offenbart (Abb. 4).
Aber auch aus dem kilikischen Mallos begegnen uns Silbermünzen, die ebenfalls die erste Arbeit des Herakles thematisieren (Abb. 5.1-5.3):
Noch weitaus interessanter als die Tatsache, dass Herakles auf zwei dieser Münzen kniet und nur auf einer steht, während er den Löwen würgt, ist die vorderseitige Bildkombination. Im Gegensatz zur ersten Münzvorderseite, die das belorbeerte Porträt des Zeus ziert, zeigt sich auf den letzten beiden eine Darstellung des persischen Großkönigs in der Zackenkrone mit Speer und Bogen im Knielaufschritt nach rechts. Eine Darstellung, die sicherlich damit zusammenhängt, dass Kilikien eine persische Satrapie war, aber auch bedeutet, dass die Münzen mit dem persischen Großkönig auf der Vorderseite persisches Reichsgeld bzw. spätes Königsgeld waren.
Übrigens, vergleicht man Abb. 5.2 mit Abb. 2, dann wird schnell klar, dass die mallische Heraklesdarstellung jene aus Herakleia kopiert. Leo Mildenberg bei der Beschreibung der mallischen Münze wörtlich: „Herakles, …, im Kampf mit dem Nemeischen Löwen ganz in der Art des Meisters KAL im süditalienischen Herakleia (der Stadtname steht an der gleichen Stelle wie die Signatur).“ (Ulrich Hübner/Ernst Axel Knauf [Hrsg.], Leo Mildenberg, Vestigia Leonis, Freiburg, Schweiz, Göttingen 1998, S. 290, Münze Nr. 109).
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