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Horst Herzog

Der junge Caracalla im Münzbild

Nachdem Septimius Severus sich im Jahre 193 gegenüber seinen Kontrahenten im Kampf um

den Kaiserthron durchgesetzt hatte, war neben der Sicherung seiner Macht eines seiner vornehmlichsten Ziele die Etablierung einer „severischen“ Dynastie. In zweiter Ehe war Septimius Severus mit Iulia Domna verheiratet, die einem angesehenen Priestergeschlecht aus dem syrischen Emesa entstammte. Dieser Verbindung entsprossen zwei Söhne. Der Ältere, Septimius Bassianus, den wir besser unter seinem späteren „Spitznamen“ Caracalla kennen, wurde wohl am 4. April 188 in Lugdunum geboren. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt Statthalter der Provinz Gallia Lugdunensis. Nur elf Monate später kam der zweite Sohn Publius Septimius Geta in Rom zur Welt. Im zarten Alter von nur acht Jahren wurde Septimius Bassianus zum Caesar erhoben. Sein offizieller Name lautete nunmehr „Marcus Aurelius Antoninus Caesar“. Diese Namensangleichung an den Namen des Kaisers Marcus Aurelius resultierte aus der Tatsache, dass sich im Frühjahr 195 Septimius Severus selbst als Sohn des Marcus Aurelius adoptierte. Im Frühjahr 197 wurde der junge Caesar in das Collegium der Pontifices aufgenommen und erhielt neben anderen Auszeichnungen den Titel des „princeps iuventutis“.


Abb. 1 AV, ca 196, Rom, RIC Caracalla 5

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18277295.


Noch in demselben Jahr der Erhebung Caracallas zum Caesar wurde der Aureus Abb. 1 in der Münzstätte Rom geprägt. Unterstrichen wird die Datierung zum einen durch die Averslegende „M(arcus) AVR(elius) ANTONINVS CAES(ar)“, die den neuen Namen Caracallas nennt. Zum anderen entspricht auch das Münzporträt diesem Datierungsansatz. Zu sehen ist die nach rechts gerichtete, drapierte Panzerbüste des achtjährigen Caesar. Die runde Kopfform wird durch die Struktur der Haarkappe mit ihren kurzen und strichförmigen, aber trotzdem voluminösen Locken, besonders hervorgehoben. Das Gesicht wird durch das tiefliegende, extrem große Auge dominiert. Auffallend und wohl dem Alter entsprechend ist die „pausbäckige“ Wange. Beim Mund mit seinen vollen Lippen tritt der Unterkiefer etwas zurück. Dieses kindliche Münzporträt gehört zum ersten Münzporträttyp Caracallas, von insgesamt sieben. Wie bei einem mutmaßlichen Thronfolger üblich, trägt der junge Caesar keinen Lorbeerkranz.


Auf der Münzrückseite ist Spes, die Personifikation der Hoffnung, in ihrem traditionellen Darstellungsmuster abgebildet. Die Gewandung und das Schrittmotiv erinnern an archaische Statuen. Typisch für das Spes-Bild auf römischen Münzen ist, dass Spes mit ihrer Linken das Gewand rafft und in ihrer vorgestreckten rechten Hand eine Blüte hält. Spes kommt auf Prägungen von erwählten Thronfolgern relativ oft vor. Auf unserem Aureus charakterisiert die im Dativ gehaltene Umschrift des Revers „SPEI PERPETVAE“ (der immer währenden Hoffnung) die Personifikation der Hoffnung noch näher: die Hoffnung auf ein glückliches und erfolgreiches Gelingen soll für alle Zukunft gelten, d. h. mit dem jungen Caesar wird eine Dynastie fortgesetzt, die stets die Geschicke des Imperiums lenken soll.


Abb. 2 AV, ca 196, Rom, RIC Caracalla 3

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18277286.


Die Vorderseite des Aureus Abb. 2 gleicht derjenigen des zuvor besprochenen Aureus. Die Umschrift ist exakt dieselbe. Das Münzporträt zeigt wieder die von hinten gesehene drapierte Panzerbüste des jungen Caesar. Kopfform, die Struktur der Haarkappe sowie die Gesichtsform sind nahezu identisch. Nur die Gesichtsoberfläche ist nicht so kantig ausgeführt wie bei dem Aureus Abb. 1. Die Reverslegende ergänzt die des Avers: „SEVERI AVG PII FIL“ (Severi Augusti Pii Filius - Sohn des frommen Kaisers Severus). Mit seiner Selbstadoption nahm Septimius Severus auch den Beinamen Pius an. Durch die beiden Umschriften des Aureus wird der „neue“ Name des jungen Caesars mit dem seines Vaters aus engste verbunden. Das Reversbild zeigt Geräte der verschiedenen Priesterschaften: Lituus, Messer, Schale, Kanne, Schöpfkelle und Weihwedel. Die Darstellung dieser Priestergeräte bezieht sich sicherlich auf die Ernennung Caracallas zum Pontifex.


Abb. 3 AV, 198, Rom, RIC Caracalla 25 b

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18277297.


Mit dem Aureus Abb. 3 ändern sich Titulatur und Porträttyp des Caracalla. Die Averslegende “IMP CAE M AVR ANT AVG P TR P“ (Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Augustus Pontifex tribunicia potestas) ist jetzt deutlich länger und beinhaltet die neuen Titel und Ämter Augustus, Imperator sowie „tribunicia potestas“. Ende 197 oder Anfang 198 wird Caracalla von seinem Vater zum Augustus erhoben. Im darauffolgenden Jahr bekleidet er seine erste „tribunicia potestas“; daher ist dieser Aureus sicher ins Jahr 198 zu datieren. Die Darstellung auf der Vorderseite zeigt wieder die nach rechts gerichtete, drapierte Panzerbüste des noch nicht mal zehnjährigen Augustus. Jetzt ist die Büste im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Aurei von vorn gesehen abgebildet. Beim Blick auf das Porträt fallen zunächst zwei Aspekte auf: zum einen trägt der junge Augustes jetzt, wie es seiner Würde zukommt, den Lorbeerkranz, zum anderen ist die Haarkappe wesentlich fülliger, die langen Haarsträhnen lassen sich durch den Lorbeerkranz kaum bändigen. Bei genauerem Hinsehen erhält dieses „Haarchaos“ jedoch eine deutliche Struktur. Charakteristisch für diesen zweiten Münzporträttyp Caracallas sind die Haarfülle und die Anordnung der Haarlocken über der Stirnmitte und an der rechten Schläfe. Während die Gesichtskontur den vorhergehenden Münzporträts gleicht, scheint die „Pausbacke“ zugenommen zu haben. Die Rückseite unseres Aureus zeigt das Bild der Minerva. Die nach links gerichtete, behelmte Göttin ist mit einem langen Gewand bekleidet. Deutlich zu erkennen ist die Aigis über der Brust. Auf der vorgestreckten Rechten trägt sie eine kleine Victoria, mit der erhobenen linken Hand hält sie eine Lanze, deren Spitze auf dem Boden steht. Links am Boden neben Minerva befindet sich ihr Schild. Rechts von Minerva steht ein Tropaeum, ein Siegesmal, bestehend aus Brustpanzer, Helm, Schilden und verschiedenen Waffen. Das Münzbild spricht eigentlich schon für sich. Minerva mit Victoria und Tropaeum zeigt schon im Bild, was die Umschrift „MINER VICTRIX“ (Minerva Victrix - die siegreiche Minerva) nochmals in Worte fasst. Das Reversbild dürfte sich auf den siegreich verlaufenden Partherfeldzug der Jahre 197/198 des Septimius Severus beziehen, auf dem Caracalla seinen Vater begleitet hatte.


Abb. 4 AV, 198 - 199, Rom, RIC Caracalla 20 var.

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18204283.


Die Averslegende des Aureus Abb. 4 ist kurz und präzise: „ANTONINVS AVGVSTVS“. Das Münzporträt ist sehr fein und detailliert ausgeführt und entspricht in den Grundzügen dem des Aureus Abb. 3. Die Rückseitenumschrift „IVVENTA IMPERII“ (die Jugend des Reiches) kommt nur auf Prägungen des jungen Caracalla vor. Die Legende unterstreicht die Bedeutung des jungen Caracalla für das Wohl des römischen Reiches. Diese Aussage wird noch unterstrichen durch das Rückseitenbild, in dem man sicherlich ein Abbild des jungen Augustus sehen darf, auch wenn hier kein zehnjähriger Knabe dargestellt ist. Caracalla, in Rüstung, mit Paludamentum und mit Lorbeerkranz, steht nach links gerichtet. Wie Minerva auf dem vorherigen Aureus trägt er auf seiner vorgestreckten linken Hand eine kleine Victoria mit Siegeskranz und Palmwedel. Victoria steht zudem auf einem Globus. Die rechte Hand Caracallas hält einen nach unten gerichteten Speer. Links neben Caracalla, sozusagen zu seinen Füßen, sitzt nach links gerichtet ein Gefangener. Dieser ist mit einem tunikaartigen Obergewand und einer Hose bekleidet. Seine Kopfbedeckung ist eine phrygische Mütze. Der Gefangene scheint sich auf einem Bogen abzustützen, an dessen unterem Ende ein Köcher mit Pfeilen sichtbar ist. Bei dem Gefangenen, der direkt unter dem Globus mit der Victoria sitzt, dürfte es sich um einen Parther handeln. Demzufolge haben wir auch hier wieder eine ins Bild gesetzte Anspielung auf die siegreiche Kampagne des Septimius Severus gegen die Parther. In Siegerpose erscheint der jugendliche „Co-Augustus“, in dem der Betrachter die Gewähr für das Weiterbestehen des Imperiums sehen darf, wenn er die Münzlegende für bare Münze nimmt. Unser Aureus ist insofern noch eine Besonderheit, da die Averslegende sonst nicht mit der Reverslegende nachgewiesen ist.


Dem zweiten Münzporträttyp Caracallas entspricht wohl sein bekanntestes Knabenporträt: sein Bildnis auf dem sogenannten „Severertondo“ (Abb. 5). Das um 200 mit Temperafarben auf Holz gemalte Familienbild der severischen Familie zeigt im Hintergrund Iulia Domna und Septimius Severus. Vor ihren Eltern sind ihre beiden Söhne Geta und Caracalla dargestellt, wobei nur das Caracalla-Porträt vor Septimius Severus vollständig ist, während das des Geta später abgekratzt wurde.


Abb. 5 „Severertondo“, ca 200, Ägypten, Berlin Antikensammlung Inv. 31329

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Septimusseverustondo.jpg.


Wir sehen hier ein eindrückliches Beispiel der Durchführung der „damnatio memoriae“: Nach dem Tod des Septimius Severus werden Caracalla und Geta gemeinsam Regenten. Caracalla lässt im Dezember 211 seinen Bruder und Mitregenten Geta ermorden, dieser verfällt anschließend der „damnatio memoriae“. Deren Auswirkungen lassen sich anhand des Tondo auch im fernen Ägypten, aus dem das Rundbild stammt, nachweisen. Der junge Caracalla trägt hier ein prächtiges Gewand und auf dem Kopf einen Edelsteingeschmückten Kranz. An die Münzporträts erinnern die volle Haarpracht und das „füllige“ Gesicht. Von Septimius Severus wird sein ältester Sohn sehr früh als zukünftiger Erbe und Nachfolger im Amt aufgebaut. Dies findet, wie wir an den wenigen Beispielen sehen, besonders in der Münzprägung ihren Niederschlag.


Horst Herzog

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