Nach seinem ersten Aufenthalt im Lande verglich Peter Scholl-Latour den Iran mit der benachbarten Türkei. Mit dem ersten Schah aus der Dynastie der Pahlevis habe sich Anfang des 20. Jahrhunderts vieles verändert: „Auch Persien hatte seinen Atatürk, aber die Perser sind keine Türken. Fünfzehn Jahre lang hat Reza Schah Pahlevi mit eiserner Faust versucht, das Land zu modernisieren. Aus dem verlausten Marktflecken Teheran machte er eine moderne Hauptstadt, die, abgesehen von der mangelnden Kanalisation, sehr wohl den Vergleich mit Ankara aushielte, wenn sie mehr wäre als der steingewordene Wille eines Despoten, wenn sie wirklich eine nationale Erneuerung symbolisierte, wie das bei Ankara zweifellos der Fall ist.“ [1] Nach dem Sturz dieses Herrschers durch die Engländer und die Russen im Jahre 1941 wehte jedoch ein anderer Wind. Sein schwächlicher Sohn Reza lieferte sich den Amerikanern aus. Die Gegensätze zwischen einer prassenden Elite und der großen Armut auf dem Lande drohten das Land zu zerreißen. Der Geheimdienst Savak hielt das zerbrechliche System am Leben: „Es gingen furchtbare Gerüchte um über die Folterkammern dieser allmächtigen Sicherheitsorgane, die den Terrorismus mit extremen und oft sadistischen Methoden des Anti-Terrors bekämpften.“ [2] Im Jahr 1974 erhielt Scholl-Latour die Möglichkeit, den schmächtigen, fast schüchtern wirkenden Schah in seinem prunkvollen Palast zu besuchen: „Auf der Lichtseite dieses zwiespältigen Charakters steht die Figur eines fleißigen und ehrgeizigen Monarchen, der mit Sicherheit das Beste, das Modernste, das Großartigste für sein Reich, für sein Volk anstrebte, aber der den unmittelbaren Bezug zu seinen Landsleuten und deren Psyche verloren hatte.“ [3]
Schah Mohammed Reza Pahlevi (1919–1980). Bildquelle: Wikimedia, Pahlevi Government
Die Wirtschaft des Landes erlebte im 20. Jahrhundert eine immer wiederkehrende Berg- und Talfahrt. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der offizielle Wechselkurs der Währungseinheit Rial bei 32,50 für einen Dollar gelegen. Infolge der Verstaatlichung der vorwiegend in britischer Hand befindlichen Ölindustrie im März 1951 durch den linken Ministerpräsident Mohammed Mossadegh isolierte sich das Land aber international. Der Wert der Währung sackte auf einen Wechselkurs von etwa 75 Rials für einen Dollar ab. Kursierten bis zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Umlaufmünzen aus Silber, erschienen ab 1952 nur noch als Kupfernickel-Ausgaben. Erst infolge der Ölkrise ab 1973 wendete sich das Blatt zugunsten des Landes: „Das Erdöl wurde zu einer ganz großen Geschichte für das Land. Während das Öl eine dominierende Rolle spielte, erlebte der Iran einen großen Zufluss an ausländischem Kapital, was dem Land half, sich in die Reihe der Industrienationen einzureihen. Mit den Vereinigten Staaten, der Bundesrepublik Deutschland, Japan und Großbritannien stand es in Verhandlungen über 28 Projekte im Wert von über zwei Milliarden Dollar. Aufgrund der gestiegenen Öleinnahmen und des Kapitalzuflusses wurde der Rial auf dem freien Markt stärker und lag am 30. Juni 1973 bei 67,65 Rial pro Dollar. Die offiziellen Wechselkurse wurden ebenfalls geändert, um den Veränderungen der Fundamentaldaten Rechnung zu tragen. Am 30. Juni 1973 notierte der iranische Rial (nun theoretisch definiert mit 10,8055 Milligramm Feingold) bei 68,17 pro Dollar. Die Ankaufs- und Verkaufskurse wurden auf 67,50 bzw. 67,75 Rial pro Dollar angehoben.“ [4] Repräsentative Goldmünzen zu Anlagezwecken bis einem Wert von zehn Pahlavi zu wurden ausgegeben. Die plötzliche Aufschwung und die zunehmende Verwestlichung wirkten sich aber unter der gläubigen Bevölkerung entfesselnd aus. Ein Generalstreik gegen das korrupte Regime erschütterte das Land. Die Opposition versammelte sich unter den Fahnen des Glaubens.
Iran. Pahlevi von 1951–1974. 900er Gold, 8,1 g, 22 mm [Numista, Heritage Auctions]
Nach dem Sturz des Schahs in den ersten Wochen des Jahres 1979 wurde der aus dem Exil zurückgekehrte Ruhollah Chomeini zum Staatsoberhaupt einer islamischen Republik bestimmt. Islamische Revolutionäre besetzten die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Teheran. Peter Scholl-Latour gelang es, ein Interview mit Revolutionsführer Chomeini zu bekommen: „Auf meine Frage, ob man in der heutigen industriellen Welt noch bei den Gesellschaftsvorstellungen des Propheten Mohammed in Medina oder des Imam Ali in Kufa verharren könne, war die Antwort gewissermaßen vorprogrammiert. Die moralischen Werte, die Lehre vom Tauchid – von der Einzigkeit Allahs, die sich ja in der Einstimmigkeit des Gottesvolkes widerspiegelt – oder das Ideal der Gerechtigkeit zwischen den Individuen und den Völkern, die seien unveränderlich und von Ewigkeit her festgeschrieben.“ [5] So sei die Besetzung der US-Botschaft eine natürliche Reaktion, eine spontane und gerechte Gegenwehr des Volkes. Kaum hörbar fügte Chomeini hinzu: „Ich weiß, wie mühsam es ist, in unserem Land das Reich der Gerechtigkeit zu schaffen. In fünfzig Jahren sind alle Einrichtungen des wahren Islam korrumpiert worden. Wir werden es sehr schwer haben, und der Erfolg unserer Erneuerung ist nicht garantiert. Vielleicht wird uns der Sieg beschert sein, aber ich werde notfalls auch bereit sein, unsere Überzeugung von der göttlichen Gerechtigkeit mit ins Grab zu nehmen.“ [6] Peter Scholl-Latour schlussfolgerte daraus, dass Chomeini die Widersprüche, die Ausweglosigkeit seines heiligen und schrecklichen Experiments schon früh geahnt habe.
Ruhollah Chomeini (1902–1989). Bildquelle: Wikimedia, Sayyad
Das Regime der Mullahs schlitterte in den folgenden Jahren von einer Krise in die nächste. Einem jahrelangen Krieg mit dem Nachbarland Irak folgten Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen, Straßenschlachten mit oppositionellen Studenten und ein aggressives Atomprogramm. Der von den Vereinigten Staaten initiierte Boykott des Regimes lähmte die Wirtschaft und schickte den Rial auf Talfahrt. Der US-Wirtschaftswissenschaftler Steve Hanke konstatierte: „Seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 hat der Rial offiziell fast seinen gesamten Wert verloren – 99,8 Prozent, um genau zu sein. Gemessen an der Größe dieses Diebstahls, war die Revolution ein totales Desaster.“ [7] Er empfahl dem Iran, eine Währung einzuführen, die an den Wert des Goldes geknüpft war. Tatsächlich spielt Gold als Inflationsanker in der iranischen Bevölkerung eine wichtige Rolle. Im Verlauf des Jahres 2017 warf die Central Bank of Iran (CBI) daher große Mengen der traditionellen Anlagemünzen auf den Markt: „Dabei werden die heimischen Azadi-Goldmünzen zum Kauf angeboten (Bahar Azadi und Half Azadi), für deren Prägung und Ausgabe die CBI verantwortlich ist. Erklärtes Ziel der CBI ist es, den Preis für heimische Goldmünzen zu stabilisieren und für eine ausreichende Deckung der Nachfrage zu sorgen.“ [8] Allein im Herbst 2017 wurden in 16 Auktionen insgesamt 110.000 Goldmünzen versteigert. Im Dezember 2022 riefen auch die Koordinatoren der Proteste gegen die Regierung zum Kauf von Gold auf, um dem Wertverlust zu entgehen.
Iran. Azadi von 2003. 900er Gold, 8,1 g, 22 mm [Katz, E-Auction 80/738]
Quellen
Peter Scholl-Latour: Allah ist mit den Standhaften – Begegnungen mit der islamischen Revolution. Frankfurt/Main 1986, S. 101.
Ebd., S. 114.
Ebd., S. 128.
Mohsen Bahmani-Oskooee: "History of the Rial and Foreign Exchange Policy in Iran"; in: Iranian Economic Review 10/14, Fall 2005, S. 6.
Scholl-Latour, S. 194.
Ebd., S. 195.
"US-Ökonom rät Iran zu einer Goldwährung"; auf: goldreporter.de, 26.10.2017.
"Schwere Wirtschaftskrise: Koordinatoren der Proteste im Iran rufen Menschen zum Kauf von Gold auf"; auf: md.de, 15.12.2022 .
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