So sehr der Hirtengott Pan die Olympischen Götter auch erfreut hatte, auf dem Olymp blieb er nicht, sondern kehrte auf die Erde zurück, in die zivilisationsferne, wilde Bergwelt Arkadiens, in der er mit tanzfrohen Nymphen zusammentraf, die höchsten Gipfel erklomm, um all seine Schaf- und Ziegenherden zu sehen, das Wild zu beobachten und zu jagen. Und wenn er abends von der Jagd nach Hause zurückkehrte, nahm er seine Pfeifen und spielte „schönere Weisen als irgend ein Vogel … süßen Gesang im Gezweig verströmt. Die Nymphen vom Berge singen mit heller Stimme und schreiten fest auf den Füßen mit ihm zusammen zum Tanz an dunkel flutender Quelle, singen so hell, daß vom Echo die Gipfel der Berge erklingen.“ (Anton Weiher [Hrsg.]: Homerische Hymnen, München, Zürich 1989, S. 19, 15ff.). Pan gehörte aber auch zum Gefolge (dem thiasos) des Dionysos, da er die Berge oft in Begleitung von Silenen und Satyrn durchstreifte und nicht selten wollüstig wie diese den Nymphen und Knaben nachstellte. Als Schutzgott beschützte er zwar Hirten und Herden, versetzte sie allerdings gelegentlich mit seinem urplötzlichen lauten Geschrei in heftigste Unruhe bzw. in „panischen Schrecken“ (griechisch Panikón deíma). Weil dieser Schrecken auch gegen feindliche Armeen eingesetzt werden konnte, so die Überzeugung der antiken Griechen, errichteten sie ab dem 5. Jh. v. Chr. auch außerhalb Arkadiens Kultstätten zur Panverehrung. Schließlich soll die von Pan verbreitete „Panik“ in der Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) gegen die Perser und in den Schlachten bei Delphi (279 v. Chr.) und bei Lysimacheia (277 v. Chr.) gegen die keltischen Galater geholfen haben.
Vom antiken Autor Ovid erfahren wir, was geschah, als Pan der schönen Baumnymphe Syrinx aus Arkadiens Bergen nachstellte. Syrinx, die schon oft den Satyrn entschlüpft war, diente „der Göttin Diana mit Eifer, vor allem aber durch Keuschheit“. (Gerhard Fink [Hrsg./Übers.]: Ovid: Metamorphosen, Düsseldorf, Zürich 2004, I, 69ff.). Als Pan sie eines Tages sah und sich um sie bemühte, wies sie sein Begehren zurück und „floh durch die Wildnis, bis sie zur sanftrinnenden Strömung des sandigen Ladon gelangte; … hier, von den Wellen im Laufe gehemmt, [bat sie] ihre Schwestern im Wasser, sie zu verwandeln – und als Pan, … schon glaubte, er halte nun Syrinx im Arm, statt der Nymphe nur Schilfrohr umschlang, wie es im Sumpf wächst“ (Ovid: ebenda, I,701ff.) Daraufhin seufzte Pan, doch unterdessen „strich der Wind durch das Schilf und entlockte ihm einen sanften, klagenden Ton“. Vom „süßen Klang entzückt“ rief Pan: „Diese Unterhaltung mit dir soll mir bleiben!“ Anschließend verband er Schilfrohre unterschiedlicher Länge durch Wachs und schuf sich so etwas, „das den Namen des Mädchens bewahrte.“ Laut Ovid (ebenda, I,711f.) war Pan der Erfinder der Syrinx, der Rohrflöte, heute allseits bekannt als „Panflöte“. Allerdings spielte er nicht bloß allein darauf, sondern unterrichtete damit auch die Hirtenknaben.
Betrachtet man die antiken griechischen Münzen, die zu Ehren Pans geschlagen wurden, so fallen drei Dinge sofort ins Auge. Erstens kamen diese Münzen nicht allein aus Arkadien, sondern wurden weit über Arkadiens Grenzen hinaus geprägt. Zweitens wurden hierfür alle damals gängigen Münzmetalle in Anspruch genommen, d. h. sowohl Gold und Silber als auch Elektron sowie Bronze. Drittens zeigte man Pan entweder ganzfigurig oder nur im Porträt. Im Falle einer ganzfigurigen Darstellung erscheint der Gott in der Regel auf einem Stein oder Fels sitzend, mit einem Lagobolon (einem keulenartigen Wurfholz für die Hasenjagd) in der Hand, im Arm oder neben sich.
Auffällig ist, dass der jugendliche Pan zwar Hörner, aber keinen Bart trägt, wenngleich er einen solchen bereits von Geburt an besaß. Auch hat er statt Ziegenbeinen menschliche Gliedmaßen. Es sind also nur die Hörner, das Lagobolon und die Syrinx (letztere als Bestandteil des Münzbildes oder als Beizeichen), die uns mit Gewissheit sagen, dass der Dargestellte Pan ist. Warum die Stempelschneider darauf verzichteten, die Bocksbeine des Gottes abzubilden, wissen wir nicht. Zu vermuten ist, dass ihnen oder ihren Auftraggebern an der Darstellung eines hübschen Jünglings mehr gelegen war als an einem wirklichkeitsgetreuen Abbild Pans. Vorderseitig dargestellt ist Zeus Lykaios, den einige antike Quellen, wie bereits erwähnt, für den Vater Pans halten. Auf den meisten Münzen begegnet uns der Hirten- und Naturgott allerdings nicht ganzfigurig, sondern nur im Porträt nach links oder rechts gewandt.
Sieht man sich die Porträt-Abbildungen etwas eindringlicher an, so stellt man fest, dass auch hier die Darstellungen des jugendlichen, bartlosen Pan überwiegen. Ferner weisen die meisten Porträtköpfe neben Hörnern noch Tier- bzw. Ziegenohren auf. Darüber hinaus zeigen sie den Gott bisweilen auch mit einem Efeukranz und Blüten oder Fruchtdolden im Haar und charakterisieren ihn so als Mitglied des dionysischen Gefolges. Bei der Elektronhekte aus Mytilene (siehe 3. Abb.) wird die Zugehörigkeit zum dionysischen Gefolge noch dadurch verstärkt, dass die Vorderseite den Gott Dionysos, ebenfalls mit Efeukranz geschmückt, darstellt.
Ein etwas eigenartiges Pan-Porträt findet sich allerdings auf einem makedonischen Tetradrachmon des Königs Antigonos II. Gonatas (277–239 v. Chr.).
Eigenartig deshalb, weil das Porträt nur das Zentrum eines makedonischen Schildes schmückt und nicht wie erwartet das gesamte Münzrund ausfüllt. Doch Pan, der hier außer Hörnern und Tierohren noch ein geschultertes Lagobolon zeigt, ist Schildzierde nicht von ungefähr. Vergegenwärtigt man sich nämlich, dass 277 v. Chr. bei Lysimacheia eine gewaltige Schlacht zwischen Makedonen und keltischen Galatern tobte, die die Makedonen gewannen, weil Pan ihnen beistand und die Galater allesamt in Panik versetzte – so die legendäre Überlieferung –, dann wird nachvollziehbar, weshalb Pan zur zentralen Schildzierde wurde. Bedenkt man ferner, dass Antigonos Gonatas nach dieser Schlacht von seinem Heer zum König ausgerufen wurde, dann wird noch einleuchtender, weshalb er bald danach dazu überging, Tetradrachmen und Drachmen dieser Art prägen zu lassen. Die ungewöhnlichste Stelle für einen Pankopf findet sich jedoch auf einem Tetradrachmon der antiken sizilischen Stadt Messana.
Auf dieser Münze sehen wir das Porträt des jugendlichen Gottes relativ klein unter einem nach links springenden Hasen. Vergleicht man mehrere Tetradrachmen desselben Typs miteinander, so stellt man schnell fest, dass unter dem Hasen der anderen Münzrückseiten ganz andere Lebewesen oder Dinge abgebildet sind, so z. B. ein Delphin, ein Ketos, eine Ähre oder ein Schlangenadler, der eine Schlange tötet. Hieraus folgt, das Panköpfchen ist bei diesen Tetradrachmen nicht Bestandteil des Münzbildes, sondern lediglich ein Beizeichen. Ikonografisch gesehen kommt ihm somit keine reale Bedeutung zu.
Vom ikonografischen Standpunkt aus betrachtet gibt es ein Münzporträt Pans, das jedoch völlig aus dem Rahmen fällt, wie der nachfolgende Goldstater aus Lampsakos eindeutig belegt.
Auf diesem erscheint Pan nämlich nicht nur mit zwei kleinen Ziegenhörnchen über der Stirn und geschultertem Lagobolon, sondern trägt zusätzlich noch eine Stephane im Haar. Dies ist in zweifacher Hinsicht äußerst ungewöhnlich. Zum einen deshalb, weil Pan sonst nirgendwo mit Stephane im Haar zu sehen ist und zum anderen, weil die Stephane genaugenommen ein weibliches Schmuckstück oder anders ausgedrückt das Attribut der Göttin Hera und bisweilen auch der Aphrodite ist. Warum Pan auf diesem extrem seltenen Goldstater (4. Bekanntes Exemplar) nun ausgerechnet diese weibliche Zierde trägt, ist bis heute ungeklärt geblieben.
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