Im 32. Band der Asterix-Reihe aus dem Jahre 2003 ist die Kurzgeschichte „Kokolorix“ enthalten. In ihr fliegt ein Adler über das Dorf, in dem Asterix wohnt. Er hat es auf ein schwarzes Küken abgesehen, das gerade einem Schmetterling nachjagt. Als sich der Adler auf das Küken stürzen will, geht der Hahn Kokolorix dazwischen. Er sei das Symbol Galliens, erklärt er stolz. Der Adler mit dem Namen Gallinarius Minus lacht ihn aus und erwidert, er selbst sei das Symbol des römischen Imperiums. Der nun ausbrechende Streit mündet in einen wütenden Schlagabtausch. Kokolorix tobt: „Mach den Abflug, Du Pleitegeier!“ Für den kommenden Tag wird ein Duell der Kontrahenten vereinbart.
Gallinarius und Kokolorix in „Asterix plaudert aus der Schule“ - Bildquelle: Les Editions Albert René.
Als Idefix, der winzige „Wachhund“ von Obelix von der Auseinandersetzung hört, besorgt er Kokolorix eine Flasche mit Zaubertrank. Der wütende Hahn, der sich gerade mit Liegestützen auf das Duell vorbereitet, zweifelt zunächst an dessen Wirkung. Dennoch trinkt er die Flasche aus. Als der Adler zur vereinbarten Zeit naht, steigt Kokolorix auf wundersame Weise in die Lüfte auf und entfedert Gallinarius Minus. Als dieser völlig nackt vom Himmel fällt, folgt ein Spießrutenlauf durch den Wald: Alle Tiere lachen den gedemütigten Adler aus. Kokolorix dagegen wird von den Hühnern gefeiert.
20 Francs (Frankreich, 1912, 900er Gold, 6,4 Gramm, 21 mm) – Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.
Das Duell ist zweifellos als „tierischer“ Zweikampf zwischen Römern und Galliern zu verstehen. Doch waren Adler und Hahn schon damals die Symbolfiguren der zugehörigen Völker? Für das Imperium Romanum ist diese Frage leicht zu beantworten:
„Von den Römern wissen wir, dass sie ursprünglich fünferlei Tierbilder, ohne Zweifel althergebrachte Feldzeichen für Krieger von verschiedener Abkunft, in die Schlachten trugen, nämlich: Adler, Wölfe, Eber, Pferde und Minotauren. Da jedoch hieraus, zumal einem Feinde oder mehr dergleichen gegenüber, Verwirrung entstehen konnte, so ergab sich nach und nach der Gebrauch von selbst, nur mit Adlern in das Treffen zu ziehen und die übrigen Bilder im Lager zurückzulassen.“ (1)
Den Hahn den Galliern zuzuordnen, stößt jedoch auf Schwierigkeiten. Zwar gab es in Gallien gelegentlich keltische Münzen mit einem Hahn auf der Vorderseite, ins Feld zog man jedoch unter dem Symbol eines Ebers. Die Verknüpfung des Hahnes mit Gallien bzw. später mit Frankreich muss daher auf andere Weise entstanden sein. Der lateinische Begriff „gallus“ bedeutet sowohl Gallier als auch Hahn. Die Zuordnung dürfte aus dieser Doppeldeutigkeit entstanden sein, also einem Wortspiel. Dass dies nicht nur eine Vermutung ist, lässt sich belegen, insbesondere an den Schriften des römischen Geschichtsschreibers Suetonius.
Links: Titelbild eines französischen Satire-Magazins (Dezember 1914) – Bildquelle: Wikimedia, Léandre. Rechts: Kriegsplakat zur Zeichnung einer französischen Goldanleihe (1915) – Bildquelle: Rawpixel, Faivre.
Während der Französischen Revolution ersetzte der Hahn auf den Heeresfahnen die Lilien der Bourbonen. Er tauchte auch auf den Münzen auf. Das 24-Livre-Stück von 1793 führt ihn im Bildprogramm:
„Die Umschrift auf der Vorderseite nannte in der Landessprache die neue Regierungsform, an die Stelle des königlichen Porträts trat die Angabe des Wertes, ausgedrückt in der Rechnungseinheit Livre.“ (2)
Auf der Rückseite erscheint neben dem Freiheitsengel, der auf die neue Verfassung hinweist, der gallische Hahn. Auch auf großen Silbermünzen taucht er auf. Unter Napoleon I. verschwand das Symbol zwar wieder, doch während der Revolutionen von 1830 und 1848 tauchte es immer wieder auf. Die wichtigsten Goldmünzen zitieren das Bildprogramm der Französischen Revolution samt Hahn nach dem Sturz durch den Krieg von 1870/71 über eine ganze Reihe von Prägejahren hinweg. Als der gallische Hahn auf der Rückseite der Münzen des Jahres 1899 erstmals als Hauptmotiv in die Mitte rückte, machte sich jedoch Unmut breit:
„Der Figaro und einige andere Journale lehnten sich gegen die Anbringung dieses Tieres auf den Münzen als Sinnbild von Staat und Volk auf; sie behaupteten, es handle sich um einen geschichtlichen Irrtum, der durch das Wortspiel gallus (Hahn) und Gallia (Frankreich) entstanden sei und es wäre geradezu lächerlich, ein dem Hühnerhof entnommenes Objekt als Symbol für etwas so Großes zu nehmen.“ (3)
Medaille zum französischer Tag der Nationalen Hilfe (Frankreich, 1915, Bronze, 68 Gramm, 50 mm) – Bildquelle: S.A. Collection.
Während des Ersten Weltkrieges konnte sich das Federvieh neben der traditionellen Symbolfigur der Marianne behaupten. Auf einem Titelblatt der Satirezeitschrift Le Rire stürzt sich hinter General Joffre der gallische Hahn auf einen preußischen Adler. Ein Plakat für französische Kriegsanleihen zeigt, wie der Hahn von der 20-Francs-Münze auf einen überraschten deutschen Soldaten einhackt. Die Silber- und Bronzemedaillen zum Tag der Nationalen Hilfe von 1915 zeigen unter der Umschrift „Vaterland“ einen gallischen Hahn mit stolzgeschwellter Brust. Mehrere Entwürfe für den Franc der Nachkriegsjahre berücksichtigten daraufhin das Tier an zentraler Stelle. Auf den später realisierten Umlaufmünzen spielte er aber neben der Marianne nur eine untergeordnete Rolle. Auf den ersten Stücken zu zehn, 20 und 50 Francs der Vierten Republik, geprägt ab 1950, flankiert der Hahn die Wertbezeichnung auf der Rückseite. Erst nach der Einführung des Euros kam das gallische Federvieh wieder ganz groß heraus. Auf Gedenk- und Anlagemünzen wird es in verschiedenen modernen Varianten präsentiert. Auf der Gedenkmünze zum 100. Gründungstag der FIFA ist er mit einem Federkiel abgebildet. Auf diversen Anlagemünzen in Gold und Silber wird er ab 2014 auf verschiedene Weise abstrakt stilisiert. Aber auch auf modernen Medaillen ist das Tier zu finden. Die Credit Populaire de France etwa hat es als Wappentier. Der renommierte Medailleur Maurice Delannoy verwendete es für deren Verdienstmedaillen. Auf den Medaillen der Lebensversicherung La Populaire Assurance schreitet der Hahn gar vor einer aufgehenden Sonne. Eine Gedenkmedaille zum Abschied vom Franc zeigt ihn ebenfalls. Schaut man genauer hin, erkennt man ihn sogar wieder: Es ist der Hahn von Chaplain, der vor dem Ersten Weltkrieg auf den Goldmünzen prangte!
5000 Euro (Frankreich, 2016, 999er Gold, 100 Gramm, 45 mm) – Bildquelle: Numista.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Heinrich Schreiber: Das Feldzeichen der Kelten; in: Mitteilungen des Historischen Vereines der Steiermark, Heft 5/1854, S. 4.
Die Grosse Nation und ihre Münzgeschichte; auf: moneymuseum.com.
Franz Ilwof: Der gallische Hahn; in: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark, Jg. 1, 1903, S. 27).
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