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Der Adlergroschen: Eine historische und numismatische Betrachtung

Andreas Raffeiner

Der Meraner Adlergroschen, geprägt zwischen 1259 und 1275, stellt eine der frühesten Mehrpfennig-Münzen im deutschsprachigen Raum dar und ist ein bedeutendes Zeugnis für die wirtschaftliche und politische Entwicklung Tirols im Hochmittelalter. Diese Münze verbindet wirtschaftliche Pragmatik mit symbolischer Repräsentation von Macht und dynastischer Legitimation. Ihre Entstehung fällt in eine Zeit wirtschaftlicher Blüte und politischer Konsolidierung unter der Herrschaft von Graf Meinhard II. von Tirol-Görz.

Adlergroschen Meinhards II. von Tirol und seines Bruders Albert, geprägt von 1259 bis 1274.

Bestimmung: CNTM/M4

Gewicht: 1,51g

Ø : 19mm

Vorderseite: Kaiserlicher Adler

Rückseite: die Umschrift teilendes Kreuz

Umschriften:

Aus: Helmut Rizzolli, Mittelalterliches Geld- und Bankwesen zwischen Alpen und Adria,

Bozen 2021, S. 227.


Prägung und Gestaltung 


Der Adlergroschen zeigt auf der Vorderseite den namensgebenden Adler, ein mächtiges Herrschaftssymbol, das auch auf den prestigeträchtigen Gold-Augustalen Kaiser Friedrichs II. zu finden ist. Die Darstellung des Adlers stellt eine bewusste Anspielung auf die staufische-kaiserliche Erbschaft dar, zu der Meinhard II. durch Heirat dynastisch verbunden war. Die Umschrift auf der Vorderseite lautet: „COMES TIROL[is]“ (lat. „Graf von Tirol“). Auf der Rückseite der Münze findet sich ein Prankenkreuz, das die Umschrift teilt, sowie der Verweis auf die Münzstätte Meran: „DE MARANO“ („von Meran“). Dieses Design verdeutlicht sowohl den politischen Anspruch als auch die geografische Verortung der Münzprägung.


Der wirtschaftliche Kontext der Münzprägung 


Die Einführung des Adlergroschens fällt in eine Phase, in der der Fernhandel und die Geldwirtschaft in Europa zunehmend an Bedeutung gewannen. Die zunehmende Monetarisierung der Wirtschaft erforderte Münzen mit höherem Wert, die für größere Transaktionen geeignet waren. Bis zu diesem Zeitpunkt dominierte der Pfennig, basierend auf dem römischen Denar, die Münzlandschaft des Heiligen Römischen Reiches. Der Groschen, abgeleitet von der lateinischen Bezeichnung „grossus denarius“ (‚dicker Denar‘), repräsentierte einen höheren Nominalwert und war somit besser für überregionale Handelsgeschäfte geeignet.


Wert und Bedeutung des Adlergroschens 


Der Adlergroschen hatte einen Wert von etwa 18 bis 20 Pfennigen und wurde aufgrund seiner Qualität und Stabilität schnell in einem weiten geografischen Raum akzeptiert. Der Wert der Münze entsprach dabei dem Feingehalt und Gewicht des verwendeten Silbers. In einer Zeit, in der Münzentwertung durch Legierung mit minderwertigen Metallen oder durch Reduzierung von Gewicht gängige Praxis war, zeichnete sich der Adlergroschen durch einen relativ stabilen Silbergehalt aus.


Die Verbreitung und Nachahmung der Münze 


Der Erfolg des Adlergroschens blieb nicht auf Tirol beschränkt. Die Münze verbreitete sich rasch im oberitalienischen Raum und diente Städten wie Mantua, Padua, Treviso, Verona und Vicenza als Vorbild für eigene Prägungen, die als „Aquilini“ bekannt wurden. Diese Nachahmungen verdeutlichen nicht nur den ökonomischen Einfluss des Adlergroschens, sondern auch seine symbolische Strahlkraft als Münze eines politisch und wirtschaftlich aufstrebenden Territoriums.


Fazit 


Der Meraner Adlergroschen ist weit mehr als nur ein numismatisches Artefakt; er ist ein Spiegelbild seiner Zeit, geprägt von ökonomischem Wandel, politischem Anspruch und dynastischer Legitimation. Graf Meinhard II. von Tirol-Görz gelang es, mit dieser Münze ein dauerhaftes Zeichen seiner Herrschaft und seines politischen Einflusses zu setzen. Die hohe Qualität und weite Verbreitung der Adlergroschen verdeutlichen die zentrale Rolle Tirols im spätmittelalterlichen Wirtschaftsraum und unterstreichen die Bedeutung von Münzen als politische und wirtschaftliche Instrumente im Mittelalter.


Andreas Raffeiner

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