Die in Thüringen regierenden Herzöge und Großherzöge gehörten zu den prägefreudigsten Bundesfürsten des deutschen Kaiserreichs. Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen hat bereits 1901, als Gedenkmünzen per Gesetz wieder zugelassen waren, seinen 75. Geburtstag durch Zwei- und Fünf-Mark-Stücke gefeiert. Zwei bedeutende Künstler haben das Bildnis des Landesfürsten und Kunstmäzen gestaltet. Die 1901 in München mit dem Kennzeichen D geprägten Ausgaben zeigen den langbärtigen Landesfürsten nach rechts gewandt. Der Entwurf stammt von dem Münchner Maler Adolf von Hildebrandt, während die Stempel in zwei Größen von Alois Börsch geschnitten wurden.
Die Auflage von 20 000 Exemplaren für die Meininger Geburtstagsmünzen von 1901 war nicht üppig und hat später, als das Sammeln von Reichsmünzen in Mode kam, auch Fälscher auf den Plan gerufen. Bildquelle: Caspar.
Mit dem Entwurf für eine ganz anders geartete Gedenkmünze mit dem Porträt des Herzogs Georg II. von Sachsen-Meiningen konnte das für Münzangelegenheiten zuständige Schatzamt in Berlin nichts anfangen. Der theaterbegeisterte Landesfürst ließ Goldabschläge fertigen und verteilte sie an Freunde. Bildquelle: Caspar.
An diese Gedenkmünze schlossen sich ab 1902 normale Kursmünzen an, deren nach links gewandte Herzogsbüste von dem Münchner Bildhauer Caspar von Zumbusch gestaltet wurde. Auch hier schnitt Alois Börsch die Stempel. Kenner unterscheiden Ausgaben mit unterschiedlich langem Bart, der an den Perlkreis heran reicht. Im Buch von Rudolf Schaaf über die Proben der deutschen Münzen wird außerdem eine von Adolf von Hildebrandt entworfene, aber nicht zur Ausgabe gelangte Version vorgestellt, die den Herzog nach rechts gewandt mit einem Hermelinmantel als Zeichen seines fürstlichen Standes darstellt. Gelegentlich kommen solche Abschläge im Münzhandel vor und erzielen enorme Preise.
Das um 1682 erbaute Schloss Elisabethenburg war die Residenz der Meininger Landesfürsten. Hier werden Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände aus mehreren Jahrhunderten gezeigt und die Geschichte des Herzoghauses erzählt, das 1918 wie die anderen Dynastien im Deutschen Reich abdanken musste. Zudem befindet sich im Schloss ein Theatermuseum. Bildquelle: Caspar.
Die Gedenkmünze von 1902 hatte eine interessante Vorgeschichte, denn sie sollte auf beiden Seiten eigentlich anders aussehen. Wie die Blätter für Münzfreunde im Heft 6/1902 bemerkten, lehnte das Reichsschatzamt die Entwürfe „als zu neu und ungewöhnlich“ ab. Der Bildhauer Georg Römer, ein Schüler von Adolf von Hildebrand, hatte eine Figurengruppe entworfen, die aus einem langbärtigen, sitzenden Greis und einem geflügelten Genius besteht, der auf einem Saiteninstrument spielt, verbunden mit der Widmung "AMICIS" (Den Freunden) im Abschnitt. Der Herzog war von den verworfenen Entwürfen so angetan, dass er sie in München als Medaille mit einer vom Künstler neu gestalteten Kehrseite anfertigen ließ. Dazu wurden Stempel, die Römer unmittelbar in Stahl geschnitten hat, verwandt. Abschläge aus Gold zählen zu den herausragenden Raritäten der Kaiserzeit.
Nach dem Brand des Meininger Hoftheaters 1908 ließ Georg II. auf eigene Kosten ein „Dem Volke zur Freude und Erbauung“ gewidmetes Theater errichten, das bis heute als Staatstheater weit über die Landesgrenzen bekannt und berühmt ist. Bildquelle: Caspar.
Georg II. von Sachsen-Meiningen wäre wohl vergessen, hätte er sich nicht als „Theaterherzog“ einen Namen gemacht. Erzogen und ausgebildet von den berühmten Pädagogen Fröbel und Pestalozzi sowie von dem Historiker Dahlmann, einem der 1837 von König Ernst August von Hannover wegen seiner demokratischen Gesinnung gemaßregelten „Göttinger Sieben“, sowie von Ernst Moritz Arndt, studierte der schon frühzeitig auf sein Amt als Landesfürst vorbereitete Erbprinz in Bonn und Leipzig Kunstgeschichte, Geschichte, Jura und Nationalökonomie. 1866 folgte er nicht ganz freiwillig seinem Vater Herzog Bernhard auf den Thron zu Meiningen. Bernhard, der im Deutschen Krieg wie König Johann von Sachsen und andere Monarchen auf österreichischer Seite stand, musste durch preußischen Druck auf seinen Thron verzichten und übergab die Regierungsgeschäfte an Georg II., der Frieden mit Preußen schloss und dem Norddeutschen Bund beitrat.
Die Auflagen der Reichsmünzen richteten sich nach der Bevölkerungszahl, weshalb die von Preußen, Sachsen oder Bayern hoch und die der kleinen Fürstentümer niedrig waren. Entsprechend unterschiedlich fallen die Preise aus, die man für die einen oder anderen Kurs- und Gedenkmünzen zahlen muss. Besonders teuer sind die Goldmünzen der Zwergstaaten. Bildquelle: Caspar.
Als deutscher Bundesfürst und Herrscher über ein kleines Land hatte Georg II. von Sachsen-Meiningen im 1871 gegründeten Kaiserreich nur geringe politische Mitsprachemöglichkeiten. Er konzentrierte sich, wie auch seine Vorfahren, auf die Kunst und förderte speziell das Hoftheater, das in seiner Residenzstadt Meiningen zu großer Blüte gelangte. Der kunstbegeisterte Herzog förderte nach Kräften die 1833 gegründete Spielstätte, führte selbst Regie und entwarf Kostüme. Mit seiner dritten Frau, der zur Freifrau von Heldburg „erhobenen“ Schauspielerin Ellen (Helene) Franz, führte er seine Theatertruppe zu internationalem Ruhm. Dass er sich mit Theater „abgab“ und zu allem Unglück auch noch eine Künstlerin bürgerlicher Herkunft heiratete, trug ihm manchen Spott seiner standesbewussten Kollegen vom Kaiser und preußischen König abwärts ein, aber auch Bewunderung und Respekt in der damaligen Kunstszene. Wilhelm II. soll über die morganatische (unstandesgemäße) Ehe des Herzogs so sehr verärgert gewesen sein, dass er um Meiningen einen großen Bogen machte. Wegen seiner als artfremd bezeichneten Ehe kam es jedoch in Meiningen nicht zum Aufstand, wie 1848 in München, als König Ludwig I. wegen seiner vom Volk als anstößig empfundenen Beziehung zu der spanischen Tänzerin Lola Montez auf Krone und Thron verzichten musste.
Georg II. von Sachsen-Meiningen war in der deutschen Fürstenfamilie eine Ausnahmeerscheinung und konnte Dank seiner Stellung und Privilegien seinen Traum von einem modernen Theater verwirklichen. Bildquelle: Wikimedia.
Das Ensemble absolvierte zwischen 1874 und 1890 nicht weniger als 2591 Aufführungen in 39 Städten zwischen London und Kiew, wobei die weiten Strecken mit der Eisenbahn, dem damals modernsten Verkehrsmittel, zurückgelegt wurden. Die vom Theaterherzog veranstalteten Tourneen vor allem mit Stücken von Shakespeare, Goethe und Schiller machten das von ihm entwickelte moderne Regietheater auf vielen Bühnen Europas heimisch. Meiningen wurde unter Theaterleuten zum geachteten Begriff und besitzt auch heute einen ausgezeichneten Ruf als Theaterstadt. Damals kam das Bonmot auf, dass Meiningen keine Stadt mit Theater ist, sondern ein Theater mit Stadt. Wie das Theater, so führte Georg II. seine von Hans von Bülow und Max Reger geleitete, bereits 1690 gegründete Hofkapelle, zu internationalem Ruhm.
Als 1908 das Hoftheater abbrannte, lehnte der Herzog Angebote aus Banken- und Künstlerkreisen ab, ihm aus Dankbarkeit für sein bisheriges Engagement einen neuen Musentempel zu ermöglichen. Hauptsächlich aus eigenen Mitteln schenkte Georg II. der Stadt ein neues, nach Plänen des Architekten Karl Behlert neoklassizistisch gestaltetes Theatergebäude, das im Giebelfeld das Lebensmotto seines Bauherrn „Dem Volke zur Freude und Erhebung“ verkündet und im Inneren mit Büsten berühmter Dichter und Komponisten geschmückt ist.
Als Georg II. 1915, dem zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs, im biblischen Alter von 89 Jahren starb, war die Trauer groß. In München wurden Zwei- und Drei-Mark-Stücke geprägt, wobei man den von Alois Börsch geschnittenen Stempeln die Lebensdaten des Herzogs "* 1826 + 1915" hinzufügte.
Mit dem Meininger Herzog war ein aus der üblichen Fürstenriege ragender Mäzen verschieden.
Der Theaterherzog hat aus seinem kleinen Land einen liberalen Musterstaat mit einem für die damalige Zeit modernen Schul-, Sozial- und Gesundheitswesen gemacht. Leider war sein Einfluss zu gering, um ähnliche Errungenschaften im übrigen Deutschen Reich anzuregen oder gar durchzusetzen.
Helmut Caspar
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