Andreas Pangerl
Wie sichere ich mir die Treue der Söldnertruppen in kriegerischen Zeiten? Das Geheimnis vor 2500 Jahren ist wie heute Geld! Edelmetall damals, Silber und Gold. Und damit die Soldaten auch wussten wer sie bezahlte, schrieben die Diadochen, Generäle des Göttlichen Alexander des Großen, zunächst ihre Namen und neuen königlichen Titel auf die massenhaft ausgegebenen Münzen. Dann auch ihr individuelles Bildnis, der Soldat konnte dem Herrscher ins Auge sehen.
Heute noch sind diese Münzen die wichtigste Quelle, die wir von diesen königlichen Personen haben. Individuelle Portraits waren damals eine recht neue Erfindung. Etwa zwei Jahrhunderte vorher begannen griechische Stempelschneider im Dienst Persischer Satrapen, Statthalter der Achaeminiden Könige, und lokale Könige in Kleinasien (Lydien, Lykien, Kilikien) Bildnissen bärtiger Männer mehr und mehr Individualität zu verleihen. Heute sieht man diese Bildnisse als Individualportraits dieser Herrscher an (Wilhelm Müseler, From Symbol to Likeness. The Development of Coin Portraits in the Graeco-Persian World, in: Pangerl 2020, 213-230).
Im griechischen Mutterland waren solche Individualportraits allerdings immer noch nicht akzeptiert, passten nicht in das Konzept demokratischer Stadtstaaten. Selbst Alexander der Große (Harald Schulze, Die frühen Alexanderbildnisse, in Pangerl 2020, 231–246; Hans Christoph von Mosch, Olympias und Alexander: in Pangerl 2020, 247–262) vermied Individualität auf seinen Münzen, wenn auch die Truppen und das Volk wahrscheinlich sein Bildnis in den weit verbreiteten Silbermünzen mit Bild des jugendlichen Herakles im Löwenfell sahen.
Bald nach dem Tod Alexander des Großen 323 v.Chr. fiel aber diese Zurückhaltung. Und einige der dann folgenden Münzportraits gehören zu den besten die je auf Münzen geprägt wurden. Wir können so viele hellenistische Könige nur von ihrem Bild auf ihren Münzen erkennen. Einige königliche Portrait Reihen dokumentieren hier getreu eine Veränderung des königlichen Antlitzes, so z.B. zunehmenden Bartwuchs (als Beispiel siehe Ariobarzanes III von Kappadokien, 52–42 BC; in Pangerl 2020, Portrait Katalog 161 bis 163). Spätere hellenistische Könige die – wie Alexander der Große – mit Göttern assoziiert werden wollten, zeigten allerding auch idealisierte Bildnisse, kombiniert mit göttlichen Attributen (Stephan Lücke, Darstellungen hellenistischer Herrscher mit Götterattributen im Münzbild, in: Pangerl 2020, 293–314). Römische Generäle übernahmen diese Tradition königlicher Portraits als sie die hellenistische Staatenwelt zerstörten und danach die demokratischen Prinzipien ihrer eigene Römische Republik unterminierten. Sie brachten das Konzept des Herrscherportraits nach Rom, wo es in den spätrömischen Portraits und später im kaiserlichen Portrait weiterlebte (Christian Gliwitzky, Typisch römisch oder späthellenistisch? Überlegungen zu den spätrepublikanischen Porträts, in: Pangerl 2020, 357–368; siehe auch Portrait Katalog in Pangerl 2017).
Titus Quinctius Flamininus, der römische General der den makedonischen König Philip V. besiegte, ließ sich selber wohl ohne Zögern auf griechischen Goldmünzen portraitieren, die den Stil der Portraits des besiegten Philips V. widerspiegelten (siehe Pangerl 2020, Portrait Katalog 37). Als Julius Caesar sein Portrait 44 v.Chr. auf römische Münzen darstellen ließ, war dies noch ein Skandal in Rom. Seit Marcus Antonius und Octavian war dies bereits allgemein üblich. Die folgenden römischen Kaiser führten diese hellenistische Tradition des Herrscherportraits auf Münzen weiter, und "prägten" so erfolgreich ihr Bild für die Nachwelt. Dieses Portrait "Branding" war so erfolgreich, dass heute noch viele von uns das Bildnis eines Augustus, eines Nero, eines Hadrian erkennen (siehe Portraitkatalog in Pangerl 2017). Wir können annehmen, dass es auch schon zur Zeit der hellenistischen Könige eine gewisse Kontrolle des königlichen Portraits gab.
Während nur wenig königliche griechische Portraitskulptur bis in unsere Tage überlebte, bilden die gewaltigen Zahlen an Münzen, mit königlichem Namen und oft sogar datiert, unsere wichtigste Quelle zu diesen Königen. Einige Könige kennen wir sogar nur von Münzen, es gibt weder schriftliche Überlieferung noch Portraitskulptur. Die meisten Herrscher Baktriens gehören in diese Kategorie.
Die traditionell enge Zusammenarbeit zwischen Numismatikern und klassischen Archäologen, Münzsammlern und Händlern spielt eine Schlüsselrolle dabei, unser Wissen über diese wichtige und aufregende Zeit zu erweitern. Beispielsweise wurde kürzlich eine Münze eines bisher völlig unbekannten griechischen Königs in einer Privatsammlung entdeckt: Hippokrates Autokrator Nikephoros (G. R. F. Assar, A New Hellenistic Ruler from Early 1st Century BC: King Hippokrates Autokrator Nikephoros, in: Pangerl 2020, 339–334). Und es bleiben viele andere Mysterien zu lösen, wie eine Münze aus einer anderen Privatsammlung, dessen Prägeherr Erotos bisher überhaupt nicht zuzuordnen ist. Wer hierzu eine weiterführende Idee hat möge sich bitte beim Autor melden....
Literatur:
Fittschen 1988: Klaus Fittschen, Griechische Porträts, (Darmstadt 1988).
Fleischer 1991: Robert Fleischer, Studien zur Seleukidischen Kunst, Band 1, Herrscherbildnisse, DAI (Mainz 1991).
Pangerl 2017: Andreas Pangerl (ed), Portraits, 500 Years of Roman Coin Portraits, Staatliche Münzsammlung, (München 2017).
Pangerl 2020: Andreas Pangerl (ed), Portraits, 400 Years of Hellenistic Portraits, Staatliche Münzsammlung, (München 2020).
Richter 1965: GMA Richter, The Portrait of the Greeks, (London 1965).
Smith 1988: RRR Smith, Hellenistic Royal Portraits, (Oxford 1988).
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